Landratsamt sieht keinen Grund für Einschreiten der Rechtsaufsicht
Kreisbehörde antwortet auf Beschwerde der Bürgerinitiative Schura zur Amazon-Ansiedlung – Andreas Solleder: „Sachte Ohrfeige für Stadtverwaltung“
- Nach mehr als drei Monaten Warten ist die Antwort des Landratsamts auf die Beschwerde der Bürgerinitiative Schura (BI) zum Gemeinderatsbeschluss zur Amazon-Ansiedlung in nichtöffentlicher Sitzung nun eingegangen. Das Landratsamt ist nach Prüfung des Sachverhalts zu dem Schluss gekommen, dass es „keinen Anlass für ein weitergehendes rechtsaufsichtliches Tätigwerden“sehe, schreibt Harald Bächle vom Kommunalamt in seiner Antwort. „Es war uns klar, dass das Amt der Stadtverwaltung nicht die Augen auskratzen würde“, sagt Andreas Solleder von der BI. „Aber eine sachte Ohrfeige gab es ja schon – und die Stadt gelobte anscheinend Besserung.“
Die BI hatte am 19. Januar an das Tuttlinger Landratsamt geschrieben und um rechtliche Überprüfung des
Verkaufs des fünf Hektar großen Grundstücks für ein Logistikzentrum ohne Bürgerbeteiligung gebeten. Grundfrage war, ob eine solch grundsätzliche Entscheidung „hinter verschlossener Tür“getroffen werden dürfe. Das Amt hatte die Beschwerde an die Stadt Trossingen weitergeleitet für eine Stellungnahme: die jedoch zog sich wegen Prüfung der Sach- und Rechtslage in die Länge (wir berichteten). Solleder hatte dies als „Verzögerungstaktik“der Stadt kritisiert. Ein Grund für die lange Dauer war offenbar eine ausstehende Stellungnahme des früheren Trossinger Bürgermeisters Clemens Maier, in dessen Amtszeit die Entscheidung zur Amazon-Ansiedlung gefallen war.
Die abschließende Stellungnahme der Stadt ist inzwischen im Landratsamt eingetroffen. Die Kreisbehörde kommt „nach Prüfung der Sach- und Rechtslage“zu dem Ergebnis,
dass „die Beratung und Beschlussfassung über den Verkauf des städtischen Grundstücks in nichtöffentlicher Sitzung am 6. Juli 2020 aus unserer Sicht nicht zu beanstanden“sei. An diesem Tag sei die Stadtverwaltung beauftragt worden, Kaufverhandlungen mit dem Investor aufzunehmen. „Es wurde ein Mindestpreis festgelegt, der möglichst überschritten werden sollte“, so Bächle. „Unter dieser Prämisse wurde die Verwaltung beauftragt, den Verkauf nach eigenem Ermessen abzuschließen.“Der Kaufvertrag sei Anfang Dezember notariell beglaubigt worden.
Gemäß der Gemeindeordnung des Landes seien Gemeinderatssitzungen grundsätzlich öffentlich. Nichtöffentlich dürfe nur verhandelt werden, „wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern“. Liege einer dieser Gründe vor, „muss nichtöffentlich verhandelt werden“. Ob die Voraussetzungen für eine nichtöffentliche Verhandlung gegeben seien, „ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden“, so Bächle. Kaufverträge gehörten „grundsätzlich zu den Angelegenheiten, deren vertrauliche Behandlung im Interesse der Vertragspartner in Frage kommt“. Genauso sei „in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei Grundstücksverkäufen das Gemeinwohlinteresse tangiert wäre, wenn hierüber öffentlich verhandelt würde“. Denn wenn „Vertragskonditionen, die die Gemeinde im Einzelfall zu gewähren bereit ist, öffentlich beraten werden, würde dies ihre Verhandlungsposition in weiteren etwaigen Vertragsverhandlungen schwächen“. Deswegen seien Grundstücksverträge „grundsätzlich als Fallgruppe anerkannt, die in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden können“.
Nichtöffentlich gefasste Beschlüsse
seien „nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit“oder in der nächsten öffentlichen Sitzung im Wortlaut bekannt zu geben, „soweit nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einzelner entgegenstehen“, so das Landratsamt. „Dies ist vorliegend nicht erfolgt.“Da es sich jedoch lediglich um eine „Ordnungsvorschrift“handele, „führt ein Verstoß gegen diese nicht zur Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses vom 6. Juli“. Bächle: „Die Stadt Trossingen hat auf unseren entsprechenden Hinweis versichert, dies künftig zu beachten.“Zur Frage der BI nach Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung weist die Kreisbehörde darauf hin, dass „im Zusammenhang mit der Ansiedlung des Logistikzentrums verfahrenseinleitende Beschlüsse auf planungsrechtlicher Ebene erforderlich sein werden, die der Bürgerschaft eine Beteiligung am Verfahren ermöglichen“.