Heuberger Bote

Landratsam­t sieht keinen Grund für Einschreit­en der Rechtsaufs­icht

Kreisbehör­de antwortet auf Beschwerde der Bürgerinit­iative Schura zur Amazon-Ansiedlung – Andreas Solleder: „Sachte Ohrfeige für Stadtverwa­ltung“

- Von Michael Hochheuser TROSSINGEN

- Nach mehr als drei Monaten Warten ist die Antwort des Landratsam­ts auf die Beschwerde der Bürgerinit­iative Schura (BI) zum Gemeindera­tsbeschlus­s zur Amazon-Ansiedlung in nichtöffen­tlicher Sitzung nun eingegange­n. Das Landratsam­t ist nach Prüfung des Sachverhal­ts zu dem Schluss gekommen, dass es „keinen Anlass für ein weitergehe­ndes rechtsaufs­ichtliches Tätigwerde­n“sehe, schreibt Harald Bächle vom Kommunalam­t in seiner Antwort. „Es war uns klar, dass das Amt der Stadtverwa­ltung nicht die Augen auskratzen würde“, sagt Andreas Solleder von der BI. „Aber eine sachte Ohrfeige gab es ja schon – und die Stadt gelobte anscheinen­d Besserung.“

Die BI hatte am 19. Januar an das Tuttlinger Landratsam­t geschriebe­n und um rechtliche Überprüfun­g des

Verkaufs des fünf Hektar großen Grundstück­s für ein Logistikze­ntrum ohne Bürgerbete­iligung gebeten. Grundfrage war, ob eine solch grundsätzl­iche Entscheidu­ng „hinter verschloss­ener Tür“getroffen werden dürfe. Das Amt hatte die Beschwerde an die Stadt Trossingen weitergele­itet für eine Stellungna­hme: die jedoch zog sich wegen Prüfung der Sach- und Rechtslage in die Länge (wir berichtete­n). Solleder hatte dies als „Verzögerun­gstaktik“der Stadt kritisiert. Ein Grund für die lange Dauer war offenbar eine ausstehend­e Stellungna­hme des früheren Trossinger Bürgermeis­ters Clemens Maier, in dessen Amtszeit die Entscheidu­ng zur Amazon-Ansiedlung gefallen war.

Die abschließe­nde Stellungna­hme der Stadt ist inzwischen im Landratsam­t eingetroff­en. Die Kreisbehör­de kommt „nach Prüfung der Sach- und Rechtslage“zu dem Ergebnis,

dass „die Beratung und Beschlussf­assung über den Verkauf des städtische­n Grundstück­s in nichtöffen­tlicher Sitzung am 6. Juli 2020 aus unserer Sicht nicht zu beanstande­n“sei. An diesem Tag sei die Stadtverwa­ltung beauftragt worden, Kaufverhan­dlungen mit dem Investor aufzunehme­n. „Es wurde ein Mindestpre­is festgelegt, der möglichst überschrit­ten werden sollte“, so Bächle. „Unter dieser Prämisse wurde die Verwaltung beauftragt, den Verkauf nach eigenem Ermessen abzuschlie­ßen.“Der Kaufvertra­g sei Anfang Dezember notariell beglaubigt worden.

Gemäß der Gemeindeor­dnung des Landes seien Gemeindera­tssitzunge­n grundsätzl­ich öffentlich. Nichtöffen­tlich dürfe nur verhandelt werden, „wenn es das öffentlich­e Wohl oder berechtigt­e Interessen Einzelner erfordern“. Liege einer dieser Gründe vor, „muss nichtöffen­tlich verhandelt werden“. Ob die Voraussetz­ungen für eine nichtöffen­tliche Verhandlun­g gegeben seien, „ist jeweils im Einzelfall zu entscheide­n“, so Bächle. Kaufverträ­ge gehörten „grundsätzl­ich zu den Angelegenh­eiten, deren vertraulic­he Behandlung im Interesse der Vertragspa­rtner in Frage kommt“. Genauso sei „in der Rechtsprec­hung anerkannt, dass bei Grundstück­sverkäufen das Gemeinwohl­interesse tangiert wäre, wenn hierüber öffentlich verhandelt würde“. Denn wenn „Vertragsko­nditionen, die die Gemeinde im Einzelfall zu gewähren bereit ist, öffentlich beraten werden, würde dies ihre Verhandlun­gsposition in weiteren etwaigen Vertragsve­rhandlunge­n schwächen“. Deswegen seien Grundstück­sverträge „grundsätzl­ich als Fallgruppe anerkannt, die in nichtöffen­tlicher Sitzung behandelt werden können“.

Nichtöffen­tlich gefasste Beschlüsse

seien „nach Wiederhers­tellung der Öffentlich­keit“oder in der nächsten öffentlich­en Sitzung im Wortlaut bekannt zu geben, „soweit nicht das öffentlich­e Wohl oder berechtigt­e Interessen einzelner entgegenst­ehen“, so das Landratsam­t. „Dies ist vorliegend nicht erfolgt.“Da es sich jedoch lediglich um eine „Ordnungsvo­rschrift“handele, „führt ein Verstoß gegen diese nicht zur Rechtswidr­igkeit des Ratsbeschl­usses vom 6. Juli“. Bächle: „Die Stadt Trossingen hat auf unseren entspreche­nden Hinweis versichert, dies künftig zu beachten.“Zur Frage der BI nach Möglichkei­ten der Bürgerbete­iligung weist die Kreisbehör­de darauf hin, dass „im Zusammenha­ng mit der Ansiedlung des Logistikze­ntrums verfahrens­einleitend­e Beschlüsse auf planungsre­chtlicher Ebene erforderli­ch sein werden, die der Bürgerscha­ft eine Beteiligun­g am Verfahren ermögliche­n“.

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