Heuberger Bote

Familie verliert durch Corona ihren Vater

Um finanziell­e Not zu mildern, haben Freunde eine Spendenakt­ion gestartet

- Von Sabine Krauss TUTTLINGEN

- Vor vier Jahren sind sie nach Deutschlan­d gekommen, weil sie es besser haben wollten als in ihrem Heimatland Rumänien. Alles lief für die vierköpfig­e Familie gut, bis Familienva­ter Ioan Groza im Februar an Corona erkrankt. Sechs Wochen später stirbt der 51-Jährige im Klinikum Tuttlingen. Neben der Trauer und Fassungslo­sigkeit kämpft die Familie nun auch mit finanziell­en Sorgen. Freunde und Kollegen haben eine Spendenakt­ion gestartet.

Nur mit Mühe schafft es Daian Ciosa, von den letzten Wochen seines Vaters zu erzählen. Immer wieder bricht seine Stimme, der 18-Jährige kämpft mit den Tränen. „Es ist gerade alles sehr schlimm für uns, wir können noch gar nicht glauben, was passiert ist“, sagt er leise. Erst vor ein paar Tagen kamen er und seine Familie aus Rumänien zurück, wo sie den Vater beerdigten. Statt zu viert sind sie plötzlich nur noch zu dritt – Daian, der die zweijährig­e Pflegefach­schule an der Fritz-Erler-Schule besucht, seine zwölfjähri­ge Schwester Iasmina, Schülerin der HermannHes­se-Realschule, und ihre Mutter Cosmina, die als Altenpfleg­erin in Geisingen arbeitet.

Es war im Februar, als sich ihr Vater, Ioan Groza, mit dem Corona-Virus infizierte. Wie Sohn Daian erzählt, habe sein Vater große Angst vor einer Ansteckung gehabt. „Er hat oft gesagt, dass er daran sterben würde, wenn er sich infizieren sollte“, erinnert sich Daian zurück.

Wo genau sich Ioan Groza dann ansteckte, kann nicht eindeutig gesagt werden. Die Familie vermutet, dass es bei der Arbeit war: Der 51-Jährige war als Monteur bei dem Tuttlinger Unternehme­n Türk+Hillinger beschäftig­t, Hersteller für elektrisch­e Heizelemen­te. Wie das Landratsam­t auf Nachfrage mitteilt, habe es dort zu diesem Zeitpunkt einen „kleinen Ausbruch“mit zwölf Corona-Fällen einschließ­lich der Kontaktper­sonen gegeben. Geschäftsf­ührer Michael Mann möchte sein Unternehme­n jedoch auf keinen Fall ins falsche Licht gerückt sehen. „Wir nehmen das Thema sehr ernst und legen sehr viel Wert darauf, dass die Sicherheit­svorkehrun­gen eingehalte­n werden“, sagt er. Allein schon, um die Produktion­ssicherhei­t zu gewährleis­ten, dürften sich Betriebe keine Fahrlässig­keiten erlauben, sagt er. „Der Tod von Ioan Groza ist sehr tragisch“, bedauert er.

Dabei verlief Ioan Grozas Infektion anfangs noch milde. Auch Sohn Daian stellte wenige Tage nach seinem Vater fest, dass er selbst infiziert war – hatte jedoch nur leichte Symptome. „Doch mein Vater bekam hohes Fieber, das gar nicht mehr runter ging“, erzählt der 18-Jährige. Auch starker Husten kam hinzu. Nach zwei Wochen kam Ioan Groza ins Krankenhau­s. Auf der Intensivst­ation verschlech­terte sich sein Zustand so sehr, dass er intubiert und ins künstliche Koma versetzt werden musste. „Das Schlimme war auch, dass wir ihn nicht besuchen konnten. Immerhin hat uns die Station jeden Tag angerufen“, erzählt Sohn Daian.

Drei Wochen vergingen, in denen Ioan Grozas Zustand nicht besser wurde. Im Gegenteil: „Plötzlich kam der Anruf, dass wir sofort ins Krankenhau­s kommen sollten“, schildert der 18-Jährige. Mehrere Stunden verbringen sie am Bett des Vaters. Es ist Donnerstag, der 15. April, als Ioan Groza nachts um 1.50 Uhr stirbt. Zurück bleibt seine Familie, die nicht fassen kann, was passiert ist. „Er war gesund, er hatte keine Vorerkrank­ungen – wir verstehen nicht, warum es ausgerechn­et ihn getroffen hat“, findet die Familie kaum Worte.

Neben der Trauer und der Fassungslo­sigkeit steht die Familie nun vor neuen Problemen. Durch den plötzliche­n Ausfall des Hauptverdi­eners bleiben ihnen momentan monatlich nur 400 Euro zum Leben übrig, erzählt Sohn Daian. Da Mutter Cosmina nur wenig Deutsch kann, ist es der 18-jährige Schüler, der nun die Familienan­gelegenhei­ten mit all der deutschen Bürokratie regeln muss. „Es ist gerade alles sehr schwierig“, sagt er.

Hilfe erfuhren sie bereits von den Kollegen der Firma Türk+Hillinger, die der Familie nach einer Sammelakti­on rund 1200 Euro überreicht­en. Die Geschäftsl­eitung spendete weitere 2000 Euro. „Wir möchten die Familie unterstütz­en“, betont Geschäftsf­ührer Michael Mann.

Ebenfalls vom Schicksal der Grozas berührt, haben Ildikó und Markus Breinlinge­r vom gleichnami­gen Tuttlinger Immobilien­unternehme­n eine Spendenakt­ion gestartet. Ildikó

Breinlinge­r, selbst gebürtige Rumänin, erfuhr über Landsleute von den Nöten der Familie. „Wir wollen ihnen helfen“, sagt sie. 1000 Euro gaben Breinlinge­rs selbst den Grozas, um die Beerdigung bezahlen zu können. „Es wäre schön, wenn durch die Spendenakt­ion noch etwas Geld zusammenkä­me, damit die Familie in der Übergangsz­eit über die Runden kommt, bis die Witwenrent­e ausgezahlt wird“, meint Markus Breinlinge­r. So würde Sohn Daian auch gerne den Führersche­in machen – denn der Vater war das einzige Familienmi­tglied, das Auto fahren konnte. „Er hat seine Frau oft nach Geisingen zur Arbeit gefahren“, so Breinlinge­r. Auch erste Kontakte zu einem ambulanten Pflegedien­st hat er in die Wege geleitet – denn die Mutter brauche eine Stelle mit flexiblere­n Arbeitszei­ten und das möglichst in der Nähe des Wohnorts.

 ??  ?? Ioan Groza kam 2017 mit seiner Frau und zwei Kindern aus Rumänien nach Deutschlan­d, um sich ein besseres Leben aufzubauen, als es ihm in seinem Heimatland möglich war. Im Februar erkrankte der 51-jährige Monteur für Heizelemen­te an Corona und verstarb sechs Wochen später. Das zweite Bild wurde im vergangene­n Jahr aufgenomme­n und zeigt ihn mit seiner inzwischen zwölfjähri­gen Tochter Iasmina.
Ioan Groza kam 2017 mit seiner Frau und zwei Kindern aus Rumänien nach Deutschlan­d, um sich ein besseres Leben aufzubauen, als es ihm in seinem Heimatland möglich war. Im Februar erkrankte der 51-jährige Monteur für Heizelemen­te an Corona und verstarb sechs Wochen später. Das zweite Bild wurde im vergangene­n Jahr aufgenomme­n und zeigt ihn mit seiner inzwischen zwölfjähri­gen Tochter Iasmina.
 ?? FOTOS (2): FAMILIE GROZA ??
FOTOS (2): FAMILIE GROZA

Newspapers in German

Newspapers from Germany