Tuttlinger Lieferdienst soll blitzschnell sein
Verwaltung will Händlern neuen Vertriebsweg erschließen – Infoveranstaltung am 12. Mai
- Blau-gelbe E-Mobile und Lastenfahrräder, die mit Paketen beladen durch Tuttlingens Straßen kurven. So könnte der Lieferdienst aussehen, den die Stadtverwaltung zusammen mit dem örtlichen Einzelhandel aufbauen will. Das Ziel: dem Online-Handel Konkurrenz machen. Zentraler Bestandteil soll dabei ein Tuttlinger Marktplatz im Internet sein. Bis es so weit ist, ist aber noch Geduld gefragt.
„Wir möchten einen Tuttlinger Vertriebsweg aufbauen, der den Händlern die Möglichkeit bietet, lokal bestellte Ware vor Ort schnell und direkt zu liefern – im Zweifelsfall schneller als große Versandhäuser“, antwortet Stadtsprecher Arno Specht auf Anfrage unserer Zeitung. Momentan sei man mit der Vorbereitung beschäftigt, führe Gespräche mit den Händlern und Dienstleistern, die die Waren ausfahren sollen. „Wir gehen davon aus, dass wir bis Sommer startklar sind“, schreibt Specht.
Der Aufbau eines Lieferservice verstehe sich „nicht primär als akute Hilfsmaßnahme während der lockdownbedingten Ladenschließungen, sondern als langfristige Unterstützung für den Einzelhandel mit Blick auf die steigende Bedeutung des Online-Shoppings. Wir wollen also die Vorteile der Präsenz vor Ort mit dem Komfort des Onlinehandels verbinden“, teilt der Stadtsprecher mit. Dafür wird der Aufbau einer eigenen Plattform – wie eine „digitale Mall“(Einkaufszentrum) – ins Auge gefasst.
Derzeit werde die Seite MyTUT eingerichtet, die Inhalte eingepflegt.
„In den nächsten Wochen soll die Plattform startklar sein“, erläutert Specht. Dort sollen sich die Tuttlinger Händler mit ihren Online-Angeboten gebündelt präsentieren können. „Über MyTUT bekommt man einen Gesamtüberblick über die vertretenen Branchen und Händler sowie Gastronomen, und bestellt dann direkt auf den Seiten der jeweiligen Händler“, beschreibt der Stadtsprecher die Abläufe. Etwas komplizierter werde es mit dem Dienstleister für den zentralen Lieferdienst, meint er. Es sei angedacht, dass die Überbringer der Ware ein Teil der Marke MyTUT sind, für einen Wiedererkennungswert im Stadtbild sorgen und Wert auf nachhaltige Verkehrsmittel setzen.
Die Stadtverwaltung erklärt, mit ihrer Idee auf Interesse zu stoßen. Verbindliche Zusagen gibt es aber nicht. Von Hobby Creativ wird es auch keine geben. „Ich hätte lieber zwei Leute im Laden als einen Online-Shop“, sagt Inhaber Marco Raible. Für ihn sei es ein großes Problem, die rund 15 000 Artikel im Internet dem Kunden zu präsentieren. Deutliche Kritik äußert er an der gegenwärtigen Situation. „Das ist doch lebensfremd“, ärgert er sich darüber, dass andere Geschäfte Waren anbieten dürfen, die er auch im Sortiment hat, während sein Laden geschlossen bleiben muss. Während Aldi und Rewe
bei der „Eröffnung ein großes Fest abziehen“, dürfe er nicht einmal, zwei Kunden kontrolliert in seinem Laden haben. „Das ist doch ein Witz“, ärgert sich Raible. Hinter einen Glasscheibe mit Maske sei es sicherer als wenn er Waren an der Tür herausgeben würde. „Mit zwei Kunden im Laden wäre mir mehr geholfen“, macht er deutlich.
Jörg Sutter vom Vaude Store sowie dem Taschen- und Lederwarengeschäft Kohler-Gehring findet diesen Vorstoß „grundsätzlich eine gute Idee“. Ob er da mitmacht, stehe aber auf einem anderen Stern. Er erhofft sich weitere Details durch die Informationsveranstaltung, zu der die Händler am 12. Mai eingeladen sind.
Ein Dreh- und Angelpunkt sind für Sutter die Gebühren, die für ihn beim Lieferdienst anfallen, „zumal wir ja auch selbst nach Kundenwunsch ausliefern“. Etwa zweimal die Woche komme das vor, die meisten würden die vorbestellte Ware aber vor der Ladentür abholen.
Ein anderes Thema lässt sich derzeit noch nicht klären: „Brauchen wir das dann überhaupt noch?“, fragt Sutter mit Blick auf die Zeit nach Corona.
Der Gemeinderat hatte im März beschlossen, den Aufbau der Internetseite und des Lieferdienstes mit jeweils 10 000 Euro finanziell zu unterstützen.