Bilder hängen an der Wand, Ausstellung in der Luft
Kunstiftung Hohenkarpfen hofft, bald Gemälde von Hermann Stenner und seiner Lehrer zeigen zu dürfen
- „Er wäre einer der besten Maler Deutschlands geworden“, so sein Mitstudent Willi Baumeister über seinen Malerkollegen. Im Museum der Kunststiftung Hohenkarpfen kann man – sobald Ausstellungsbesuche wieder erlaubt sind – der künstlerischen Entwicklung von Hermann Stenner (18911914) bis zu seinem frühen Tod im Ersten Weltkrieg folgen.
Die Wände im Ausstellungsraum sind frisch gestrichen, die Bilder sind gehängt, neue Scheinwerfer setzen sie ins rechte Licht. – Was derzeit auf dem Hohenkarpfen noch fehlt, das sind die Besucher. Laut Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg bleiben Museen und Ausstellungshäuser bei Inzidenzwerten über 100 geschlossen.
Derzeit beträgt die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Tuttlingen noch 222 (siehe Seite 14). Erst ab Inzidenzwerten unter 100 dürfen Museen nach vorheriger Terminbuchung und Dokumentation der Kontaktdaten besucht werden; und erst bei
Werten unter 50 sind sie auch ohne Anmeldung geöffnet. Wann das im Landkreis Tuttlingen der Fall sein wird, steht noch in den Sternen.
Unter diesen Umständen ist der Kustos der Kunststiftung Hohenkarpfen (ein „Kustos“– „Wächter“– gestaltet in Museen Ausstellungen und betreut Sammlungen), Mark R. Hesslinger, dankbar, dass ihm die Volkshochschule im Landkreis Tuttlingen neulich die Möglichkeit gegeben hat, in einem Online-Vortrag in die Ausstellung und in Leben und Werk von Hermann Stenner einzuführen. Aber einen Besuch im Museum oder eine traditionelle Mittwochsführung kann das natürlich nicht ersetzen.
Klar ist, dass die Ausstellung „Sehnsucht nach Natur: Hermann Stenner, Christian Ladenberger, Adolf Hölzel“über den zunächst geplanten Schlusstermin 11. Juli hinaus verlängert werden soll. Doch bis wann, ist bislang ebenso offen wie der Termin der Eröffnung.
Der Gang durch die weitgehend chronologisch gehängte Ausstellung beginnt mit einem „Selbstbildnis in grünen Farbtönen“des 18-jährigen Hermann Stenner von 1909. Heute ist er ein wenig in den Schatten seiner Mitschüler Oskar Schlemmer (18881943) und Willi Baumeister (19891955) getreten, denen ein längeres Leben beschieden war, als Stenner (1891-1914), der mit nur 23 Jahren im Ersten Weltkrieg fiel. Doch Baumeister war sich sicher, dass Stenner „einer der besten Maler Deutschlands geworden wäre“. Dem stimmten seine Lehrer Christian Landenberger (1862-1927) und Adolf Hölzel (18531934) bei, von denen ebenfalls Werke und Briefe zu sehen sind.
Ein Höhepunkt dieser Ausstellung wird dabei das Glasfenster „Lesende“von Adolf Hölzel sein. Das 1926 entstandene Glasfenster gilt als verschollen, jedoch ist Hölzels Pastell-Entwurf erhalten. Nun hat der Besitzer des Entwurfs bei der gleichen Stuttgarter Firma, die schon in den 1920er-Jahren das Original schuf, ein neues Fenster in
Auftrag gegeben. Dieses Fenster wird – direkt neben dem Pastellentwurf – auf dem Hohenkarpfen erstmals öffentlich zu sehen sein – „das wird eine echte Sensation“, freut sich Mark Hesslinger.
Im Mittelpunkt steht aber die künstlerische Entwicklung von Hermann Stenner: „Viereinhalb kurze Jahre“, so Mark Hesslinger, „in denen er eine rasante Entwicklung durchmacht. Er hat als praktisch fertiger Impressionist begonnen und ist zu einem bedeutenden Protagonisten der Avantgarde geworden.“Wenn man durch die Ausstellung gegangen ist, dann bedauert man in der Tat den frühen Tod dieses Talents und man fragt sich unwillkürlich, wie er sich künstlerisch weiter entwickelt hätte, wenn nicht der Krieg ausgebrochen wäre.
Am 7. August 1914 meldet sich Hermann Stenner als Kriegsfreiwilliger, zunächst kommt er an die Westfront, dann an die Ostfront nach Polen, wo er vermutlich in der Nacht zum 5. Dezember 1914 fällt. Offiziell gilt er bis heute als „vermisst“. Die Ausstellung endet mit einigen Briefen, die die Erschütterung seiner Eltern, Lehrer und
Mitschüler über das Schicksal des Ausnahmetalents dokumentieren.
Die meisten Stücke der Ausstellung stammen aus der Sammlung von Hermann-Josef Bunte, aus Stenners Geburtsstadt Bielefeld. Kunstfreunde, die seit Jahren regelmäßig die Ausstellungen auf dem Hohenkarpfen besuchen, werden Bezüge und alte Bekannte aus früheren Ausstellungen wieder erkennen, so aus den Ausstellungen „Hermann Stenner und der Hölzel-Kreis“im Jahr 2003 oder „Inspiration Ammersee“von 2004.