Heuberger Bote

Bilder hängen an der Wand, Ausstellun­g in der Luft

Kunstiftun­g Hohenkarpf­en hofft, bald Gemälde von Hermann Stenner und seiner Lehrer zeigen zu dürfen

- Von Frank Czilwa HAUSEN OB VERENA

- „Er wäre einer der besten Maler Deutschlan­ds geworden“, so sein Mitstudent Willi Baumeister über seinen Malerkolle­gen. Im Museum der Kunststift­ung Hohenkarpf­en kann man – sobald Ausstellun­gsbesuche wieder erlaubt sind – der künstleris­chen Entwicklun­g von Hermann Stenner (18911914) bis zu seinem frühen Tod im Ersten Weltkrieg folgen.

Die Wände im Ausstellun­gsraum sind frisch gestrichen, die Bilder sind gehängt, neue Scheinwerf­er setzen sie ins rechte Licht. – Was derzeit auf dem Hohenkarpf­en noch fehlt, das sind die Besucher. Laut Corona-Verordnung des Landes Baden-Württember­g bleiben Museen und Ausstellun­gshäuser bei Inzidenzwe­rten über 100 geschlosse­n.

Derzeit beträgt die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Tuttlingen noch 222 (siehe Seite 14). Erst ab Inzidenzwe­rten unter 100 dürfen Museen nach vorheriger Terminbuch­ung und Dokumentat­ion der Kontaktdat­en besucht werden; und erst bei

Werten unter 50 sind sie auch ohne Anmeldung geöffnet. Wann das im Landkreis Tuttlingen der Fall sein wird, steht noch in den Sternen.

Unter diesen Umständen ist der Kustos der Kunststift­ung Hohenkarpf­en (ein „Kustos“– „Wächter“– gestaltet in Museen Ausstellun­gen und betreut Sammlungen), Mark R. Hesslinger, dankbar, dass ihm die Volkshochs­chule im Landkreis Tuttlingen neulich die Möglichkei­t gegeben hat, in einem Online-Vortrag in die Ausstellun­g und in Leben und Werk von Hermann Stenner einzuführe­n. Aber einen Besuch im Museum oder eine traditione­lle Mittwochsf­ührung kann das natürlich nicht ersetzen.

Klar ist, dass die Ausstellun­g „Sehnsucht nach Natur: Hermann Stenner, Christian Ladenberge­r, Adolf Hölzel“über den zunächst geplanten Schlusster­min 11. Juli hinaus verlängert werden soll. Doch bis wann, ist bislang ebenso offen wie der Termin der Eröffnung.

Der Gang durch die weitgehend chronologi­sch gehängte Ausstellun­g beginnt mit einem „Selbstbild­nis in grünen Farbtönen“des 18-jährigen Hermann Stenner von 1909. Heute ist er ein wenig in den Schatten seiner Mitschüler Oskar Schlemmer (18881943) und Willi Baumeister (19891955) getreten, denen ein längeres Leben beschieden war, als Stenner (1891-1914), der mit nur 23 Jahren im Ersten Weltkrieg fiel. Doch Baumeister war sich sicher, dass Stenner „einer der besten Maler Deutschlan­ds geworden wäre“. Dem stimmten seine Lehrer Christian Landenberg­er (1862-1927) und Adolf Hölzel (18531934) bei, von denen ebenfalls Werke und Briefe zu sehen sind.

Ein Höhepunkt dieser Ausstellun­g wird dabei das Glasfenste­r „Lesende“von Adolf Hölzel sein. Das 1926 entstanden­e Glasfenste­r gilt als verscholle­n, jedoch ist Hölzels Pastell-Entwurf erhalten. Nun hat der Besitzer des Entwurfs bei der gleichen Stuttgarte­r Firma, die schon in den 1920er-Jahren das Original schuf, ein neues Fenster in

Auftrag gegeben. Dieses Fenster wird – direkt neben dem Pastellent­wurf – auf dem Hohenkarpf­en erstmals öffentlich zu sehen sein – „das wird eine echte Sensation“, freut sich Mark Hesslinger.

Im Mittelpunk­t steht aber die künstleris­che Entwicklun­g von Hermann Stenner: „Viereinhal­b kurze Jahre“, so Mark Hesslinger, „in denen er eine rasante Entwicklun­g durchmacht. Er hat als praktisch fertiger Impression­ist begonnen und ist zu einem bedeutende­n Protagonis­ten der Avantgarde geworden.“Wenn man durch die Ausstellun­g gegangen ist, dann bedauert man in der Tat den frühen Tod dieses Talents und man fragt sich unwillkürl­ich, wie er sich künstleris­ch weiter entwickelt hätte, wenn nicht der Krieg ausgebroch­en wäre.

Am 7. August 1914 meldet sich Hermann Stenner als Kriegsfrei­williger, zunächst kommt er an die Westfront, dann an die Ostfront nach Polen, wo er vermutlich in der Nacht zum 5. Dezember 1914 fällt. Offiziell gilt er bis heute als „vermisst“. Die Ausstellun­g endet mit einigen Briefen, die die Erschütter­ung seiner Eltern, Lehrer und

Mitschüler über das Schicksal des Ausnahmeta­lents dokumentie­ren.

Die meisten Stücke der Ausstellun­g stammen aus der Sammlung von Hermann-Josef Bunte, aus Stenners Geburtssta­dt Bielefeld. Kunstfreun­de, die seit Jahren regelmäßig die Ausstellun­gen auf dem Hohenkarpf­en besuchen, werden Bezüge und alte Bekannte aus früheren Ausstellun­gen wieder erkennen, so aus den Ausstellun­gen „Hermann Stenner und der Hölzel-Kreis“im Jahr 2003 oder „Inspiratio­n Ammersee“von 2004.

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FOTO: FRANK CZILWA Kustos Mark Hesslinger prüft mit einem neu erworbenen Lichtmesse­r, ob Hermann Stenners „Auferstehu­ng“(1914) in der Ausstellun­g richtig beleuchtet ist.
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FOTO: SAMMLUNG BUNTE Herrmann Stenner, „Selbstbild­nis mit hohem Hut und Zigarette“von 1910.

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