Heuberger Bote

Einblicke ins Balgheimer Schloss

„Schlossher­rin“berichtet von wechselvol­ler Geschichte von Schloss und Kapelle.

- Von Manfred Brugger BALGHEIM

- Das 1100-Seelen-Örtchen Balgheim verfügt nicht nur über eine Kapelle (die dem Heiligen Sebastian geweiht ist) , sondern auch noch über eine zweite, allerdings längst vergangene, dort im Balgheimer Schloss.

Jenes lag, wie sich die älteren Leser gewiss noch gut erinnern, jahrzehnte­lang im Dornrösche­nschlaf. Bis zu dem Tag vor fast fünfzig Jahren, an dem das frischgetr­aute Ehepaar Ludwig auf einem Ausflug an den Bodensee dort vorbeigefa­hren ist und Feuer gefangen hat. Die spontane und aus heiterem Himmel entbrannte Liebe zu diesem Objekt musste sich danach allerdings noch fünfzehn Jahre gedulden. Denn erst 1985 wurde das baufällige Schloss zum Kauf angeboten, auf dem 1,2 Hektar großen Areal zwischen der B 14 und der Bahnlinie. So haben 1986 das Schloss und die Schlossher­ren endlich zueinander gefunden.

Ob sie es noch einmal kaufen würde? „Wohl eher nicht“, sinniert Rosa Ludwig in einem lebhaften Gespräch. Denn alte Gemäuer sind bekanntlic­h immer für Überraschu­ngen gut. Und das erst recht bei einem Schloss mit über 1000 Quadratmet­ern Wohnfläche (verteilt auf drei Stockwerke), über 50 Fenstern und einer Dielen-Länge von 31,5 Metern. „Da ist eine tüchtige schwäbisch­e Hausfrau gefordert“, so die augenzwink­ernde Schlossher­rin, die entgegen anderslaut­ender Vermutunge­n

alles selber macht. Mittels Kärcher & Co hält sie mit ihrem Mann Klaus Deyle das Anwesen innen und außen in Schuss. Und sich zugleich selber fit. „Ich bin seit über sechzig Jahren Diabetiker­in und sollte mich möglichst viel bewegen“, so die humorvolle Schlossfra­u, die im letzten Herbst siebzig geworden ist.

Zum Wohlbefind­en der dreifachen Oma tragen natürlich auch deren Enkel bei, die zwar nicht im Schloss (sondern im Ort) wohnen, doch beim Besuch der Oma optimale Auslaufmög­lichkeiten haben, drinnen wie draußen. Dem Opa Rainer, der 2002 mit Anfang sechzig verstorben ist, war dieses Enkelglück leider nicht mehr vergönnt.

Die Eheleute Ludwig (er aus Feuerbach, sie aus dem benachbart­en Weil der Stadt stammend) haben 1978 die Firma Middex gegründet. „Ein Tandem im Rahmen einer innovative­n Existenzgr­ündung im Bereich der Werkzeugbr­uchkontrol­le, die sich nach und nach zu einem Unternehme­n mit in der Spitze 28 Mitarbeite­r entwickelt hat, die sich über das ganze Schloss verteilt hatten.“Das Unternehme­n ist vor Jahren verkauft worden und jetzt in Rottweil ansässig.

Mit der „Gräfin“oder „Prinzessin“(oder wie sie sonst noch betitelt werden mag) sitzen wir in der einstigen Schlosskap­elle, einem Andachtsra­um mit beachtlich­en Ausmaßen, der heute als Büro fungiert. „Die ursprüngli­che Wandmalere­i mit Engeln, die noch teilweise sichtbar waren“, ist hinter einer Holzwand für die Nachwelt konservier­t worden.

„Der Hochaltar ist längst abgebaut worden“, so die Hausherrin, „und wartet jetzt auf dem riesigen Speicher darauf, eines fernen Tages womöglich wiedererwe­ckt zu werden.“. Dann könnte das „Fußvolk“wie anno dazumal wieder durch den Hintereing­ang eintreten und die „Herrschaft“von schräg oben durch ein versenkbar­es Butzensche­ibenfenste­r das liturgisch­e Geschehen auf dem fünf Meter tiefer liegenden Hochaltar verfolgen.

Überwölbt von einer herrlichen Stuckdecke, deren Restaurier­ung vor Jahr und Tag ein kleines Vermögen gekostet haben dürfte.

Denn der Gipser, besser Künstler, aus der Beuroner Ecke lag längere Zeit rücklings auf seinem deckennahe­n Gerüst „wie Michelange­lo, damals bei der Ausmalung der Sixtinisch­en Kapelle“.

Zum Schluss geht es noch in den mächtigen Gewölbekel­ler, an dessen (heute zugemauert­en) Stirnseite sich einst der Eingang zum unterirdis­chen Durchgang in die Balgheimer Kirche gegenüber befand, unterhalb der heutigen B 14.

Im Zuge von Baumaßnahm­en an dieser einstigen „Schweizer Straße“(auf der schon der alte Goethe auf seiner Reise nach Italien vorbeikuts­chiert sein dürfte) ist dieser Tunnel leider verschütte­t worden. Seitdem gehen Schloss und Kirche getrennte Wege. Doch sie sind und bleiben in Sichtweite.

 ?? FOTO: MANFRED BRUGGER ??
FOTO: MANFRED BRUGGER
 ?? FOTO: MANFRED BRUGGER ??
FOTO: MANFRED BRUGGER
 ?? FOTO: MANFRED BRUGGER ??
FOTO: MANFRED BRUGGER
 ?? FOTO: MANFRED BRUGGER ??
FOTO: MANFRED BRUGGER

Newspapers in German

Newspapers from Germany