Seehofer will illegale Migration stoppen
Minister prüft Maßnahmen an Grenze zu Polen – EU droht Belarus-Machthaber Lukaschenko
(AFP) - Angesichts steigender Flüchtlingszahlen auf der Route über Belarus und Polen nach Deutschland prüft die Bundesregierung weitere Schritte. Dies sei eine „Situation, die wir intensiv im Blick haben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) werde dazu am Mittwoch im Kabinett „Optionen des Handelns“vorstellen. Seibert verwies unter anderem auf eine „verstärkte Schleierfahndung“. Laut einer Sprecherin Seehofers würden „weitere Maßnahmen zur Verhinderung illegaler Migration abgestimmt“. Details nannte sie nicht. Sie erklärte, dass seit August rund 4500 Menschen ohne Einreiseerlaubnis über die polnisch-deutsche Grenze gekommen seien. Die Bundespolizeigewerkschaft hatte angesichts der Lage zuvor temporäre Grenzkontrollen gefordert.
Lob für Seehofers Vorgehen kam am Montag von CDU-Vize Thomas Strobl, der auch Chef der Innenministerkonferenz ist. „Selbstverständlich muss sich die Bundesregierung schnell mit dem Thema befassen“, sagte Strobl der „Schwäbischen Zeitung“. Es sei folgerichtig, dass Seehofer das Thema diese Woche auf die Tagesordnung gesetzt habe. „Wir müssen die Lage genau im Blick behalten und gegensteuern, den Grenzschutz intensivieren. Wir brauchen hier verstärkte Maßnahmen zur Grenzsicherung.“Auch Strobl empfahl, die Schleierfahndung hochzufahren. „Wir müssen Schlepper- und Schleuserrouten unterbrechen, bevor sie sich etablieren.“
Die EU kündigte derweil am Montag in Brüssel an, wegen der steigenden Flüchtlingszahlen den Druck auf Belarus und den dortigen Machthaber Alexander Lukaschenko zu erhöhen. So seien Sanktionen gegen die belarussische Airline Belavia geplant. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erhob harte Vorwürfe gegen Lukaschenko. Dieser „sei nichts anderes als der Chef eines staatlichen Schleuserrings“. Die EU wirft ihm vor, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten absichtlich über die Grenzen von Polen, Litauen und Lettland in die EU zu schleusen, um so Vergeltung für europäische Sanktionen zu üben.
- Äthiopien, Nicaragua, die Golfregion, Tunesien – wieder einmal stand „der halbe Erdball“bei den EU-Außenministern auf der Tagesordnung, wie Litauens Vertreter Gabrielius Landsbergis gestern in Luxemburg kritisch feststellte. „Die Agenda zeigt, dass wir uns zu leicht ablenken lassen und die Probleme vor unserer Haustür vergessen.“Er meinte damit die Situation an der gemeinsamen Grenze mit Belarus, dem ehemaligen Weißrussland, wohin Machthaber Alexander Lukaschenko seit Monaten Migranten in Bussen transportieren lässt, um Druck auf die EU auszuüben. Dieses Thema nahm bei dem Treffen breiten Raum ein.
Vor einigen Tagen schon hatten die Baltischen Staaten und Polen, unterstützt unter anderem von Deutschland, in einem Brief weitere Sanktionen gegen Belarus Machthaber Lukaschenko und gegen die nationale Fluglinie Belavia gefordert. Noch immer landeten täglich in Minsk Flugzeuge aus Nordafrika und dem Nahen Osten mit Migranten, denen man die Weiterreise nach Europa versprochen habe, kritisierte Landsbergis. Belavia müsse sanktioniert werden, um auch andere Länder daran zu hindern, mit der Fluggesellschaft Geschäfte zu machen.
In Verhandlungen hinter den Kulissen hatte die EU in den letzten Tagen bereits mehrere Regierungen dazu bewegen können, Flüge nach Minsk auszusetzen. So gelangen laut EU-Angaben keine irakischen Ausreisewilligen mehr von Badgad nach Minsk. Auch andere Hauptstädte werden unter Androhung von Mittelkürzungen und Sanktionen genötigt, die Praxis zu stoppen. Doch es warten noch immer viele Menschen an der Grenze.
Für Empörung hatte in den letzten Tagen die Nachricht gesorgt, dass irische Leasingfirmen Belavia mit Flugzeugen versorgen, die dann von Lukaschenko dafür eingesetzt werden, noch mehr Flüchtlinge ins Land zu holen und zur Weiterreise nach Europa zu ermutigen. Er missbrauche die Menschen als „Waffen“, sagte Landsbergis. Bundesaußenminister Maas antwortete gestern ausweichend auf die Frage, wann mit neuen Sanktionen zu rechnen sei und aus welchen Ländern die Ausreisewilligen nach Minsk geflogen würden. Er sagte lediglich: „Wir werden weiter Druck auf die Fluggesellschaften ausüben, die von unterschiedlichen Destinationen Menschen nach Minsk bringen. Wir sind uns einig, dass wir mit klaren Maßnahmen gegenhalten müssen.“Auch Irlands Außenminister Simon Coveney zeigte sich offen für eine „neue Runde von Sanktionen. Man sollte aber unterscheiden zwischen möglichen künftigen Leasingverträgen irischer Unternehmen mit Belavia und bestehenden Verträgen“, so der irische Außenminister.
Es sei juristisch schwierig, aus bestehenden Verträgen auszusteigen. Genau das aber fordern Balten und Polen. „Es spottet jeder Beschreibung, dass Belavia noch immer auf geleaste Maschinen von europäischen Unternehmen zählen kann, um seine Form von Menschenhandel im Auftrag des mörderischen Minsker Regimes zu betreiben“, sagte gestern ein empörter, aber machtloser EU-Diplomat. Das Prozedere sieht vor, dass die Sanktionen zunächst in mehreren Ratsarbeitsgruppen und im Kreis der Ständigen Vertreter abgestimmt werden. Erst danach müssen die Außenminister zustimmen – und zwar einstimmig.