Rolf Mützenich, die SPD und die Frauen
Der Fraktionschef könnte Bundestagspräsident werden – Für die Genossinnen ein Problem
– „Komm zur Online-Konferenz!“So lautet die Einladung von „Olaf, Saskia und Norbert“an die SPD-Mitglieder für den heutigen Abend. Olaf Scholz, Kanzler in spe, sowie die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans rufen die Genossen dazu auf, „jetzt eine gemeinsame Regierung des Fortschritts“zu bilden und zuvor Fragen „zum Ergebnis der Sondierung zu stellen“. Eine dieser Fragen könnte lauten: „Wie hält es die Fortschrittsregierung eigentlich mit der Gleichberechtigung?“Im Sondierungspapier steht, dass SPD, Grüne und FDP dafür sorgen wollen, „dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen“. Das scheint für die künftige Regierung nur bedingt zu gelten. Während Olaf Scholz (SPD) im Wahlkampf davon gesprochen hatte, eine von ihm geführte Regierung paritätisch mit Frauen und Männern zu besetzen, sehen FDP-Spitzenpolitikerund politikerinnen das ganz anders. Auch die Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann findet, „zuallererst müsse die fachliche Kompetenz eine Rolle spielen, dann die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht“.
Bei der SPD dagegen sind praktisch alle Genossinnen und Genossen davon überzeugt, dass es genügend qualifizierte Frauen für sämtliche wichtigen Ämter im Land gibt. Nur: Der politische Alltag verdirbt den emanzipatorischen Anspruch. Ob Kanzlerkandidatur, Bundespräsidentschaft, Fraktionsvorsitz oder Parlamentarische Geschäftsführung – ganz vorn stehen bei der SPD immer Männer. Wie ernst die Lage ist, zeigt sich an der Überlegung, den gerade mit 97 Prozent Zustimmung gewählten Fraktionschef Rolf Mützenich zum Bundestagspräsidenten zu machen. Am Montagabend sollte bei einem Abendessen im engeren Fraktionsführungskreis eine Entscheidung fallen. Das Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Parteivorsitzender Norbert Walter-Borjans hatte schon am Wochenende signalisiert, dass er mit der durchgehenden Männerbesetzung an den wichtigen Schaltstellen der Macht keine Probleme hätte.
Andere schon. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl, fordert ganz offen, die Position an der Spitze des Bundestages mit einer Frau zu besetzen. Ein langjähriger Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, der in diesem Zusammenhang nicht namentlich zitiert werden möchte, nennt auch einige Namen. Infrage käme aus seiner Sicht etwa die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bärbel Bas. Oder Kerstin Griese, die Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeitsministerium. Oder Bettina Hagedorn, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium. Andere erwähnen die Integrationsexpertin Aydan Özoguz, was prompt die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch in Wallung brachte, die die Hamburgerin für eine Islamistin hält. Sollte Rolf Mützenich Bundestagspräsident werden, hätte die SPD ein noch größeres Gleichstellungsproblem als jetzt schon. Denn für die Nachfolge an der Fraktionsspitze werden wieder nur Männer gehandelt. Der Umweltpolitiker und Parteilinke Matthias Miersch ist im Gespräch, auch Generalsekretär Lars Klingbeil. Diese Männerdominanz sei nicht durchzuhalten, heißt es aus der SPD-Fraktion. Der vorerst einfachste Weg aus der Misere sei die Nominierung einer Frau als Bundestagspräsidentin.