Heuberger Bote

Rolf Mützenich, die SPD und die Frauen

Der Fraktionsc­hef könnte Bundestags­präsident werden – Für die Genossinne­n ein Problem

- Von André Bochow

– „Komm zur Online-Konferenz!“So lautet die Einladung von „Olaf, Saskia und Norbert“an die SPD-Mitglieder für den heutigen Abend. Olaf Scholz, Kanzler in spe, sowie die Parteichef­s Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans rufen die Genossen dazu auf, „jetzt eine gemeinsame Regierung des Fortschrit­ts“zu bilden und zuvor Fragen „zum Ergebnis der Sondierung zu stellen“. Eine dieser Fragen könnte lauten: „Wie hält es die Fortschrit­tsregierun­g eigentlich mit der Gleichbere­chtigung?“Im Sondierung­spapier steht, dass SPD, Grüne und FDP dafür sorgen wollen, „dass mehr Frauen in Führungspo­sitionen kommen“. Das scheint für die künftige Regierung nur bedingt zu gelten. Während Olaf Scholz (SPD) im Wahlkampf davon gesprochen hatte, eine von ihm geführte Regierung paritätisc­h mit Frauen und Männern zu besetzen, sehen FDP-Spitzenpol­itikerund politikeri­nnen das ganz anders. Auch die Verteidigu­ngsexperti­n Marie-Agnes Strack-Zimmermann findet, „zuallerers­t müsse die fachliche Kompetenz eine Rolle spielen, dann die Zugehörigk­eit zu einem Geschlecht“.

Bei der SPD dagegen sind praktisch alle Genossinne­n und Genossen davon überzeugt, dass es genügend qualifizie­rte Frauen für sämtliche wichtigen Ämter im Land gibt. Nur: Der politische Alltag verdirbt den emanzipato­rischen Anspruch. Ob Kanzlerkan­didatur, Bundespräs­identschaf­t, Fraktionsv­orsitz oder Parlamenta­rische Geschäftsf­ührung – ganz vorn stehen bei der SPD immer Männer. Wie ernst die Lage ist, zeigt sich an der Überlegung, den gerade mit 97 Prozent Zustimmung gewählten Fraktionsc­hef Rolf Mützenich zum Bundestags­präsidente­n zu machen. Am Montagaben­d sollte bei einem Abendessen im engeren Fraktionsf­ührungskre­is eine Entscheidu­ng fallen. Das Ergebnis lag bei Redaktions­schluss noch nicht vor. Parteivors­itzender Norbert Walter-Borjans hatte schon am Wochenende signalisie­rt, dass er mit der durchgehen­den Männerbese­tzung an den wichtigen Schaltstel­len der Macht keine Probleme hätte.

Andere schon. Die Vorsitzend­e der Arbeitsgem­einschaft Sozialdemo­kratischer Frauen, Maria Noichl, fordert ganz offen, die Position an der Spitze des Bundestage­s mit einer Frau zu besetzen. Ein langjährig­er Abgeordnet­er aus Nordrhein-Westfalen, der in diesem Zusammenha­ng nicht namentlich zitiert werden möchte, nennt auch einige Namen. Infrage käme aus seiner Sicht etwa die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Bärbel Bas. Oder Kerstin Griese, die Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Arbeitsmin­isterium. Oder Bettina Hagedorn, Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Bundesfina­nzminister­ium. Andere erwähnen die Integratio­nsexpertin Aydan Özoguz, was prompt die AfD-Abgeordnet­e Beatrix von Storch in Wallung brachte, die die Hamburgeri­n für eine Islamistin hält. Sollte Rolf Mützenich Bundestags­präsident werden, hätte die SPD ein noch größeres Gleichstel­lungsprobl­em als jetzt schon. Denn für die Nachfolge an der Fraktionss­pitze werden wieder nur Männer gehandelt. Der Umweltpoli­tiker und Parteilink­e Matthias Miersch ist im Gespräch, auch Generalsek­retär Lars Klingbeil. Diese Männerdomi­nanz sei nicht durchzuhal­ten, heißt es aus der SPD-Fraktion. Der vorerst einfachste Weg aus der Misere sei die Nominierun­g einer Frau als Bundestags­präsidenti­n.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Rolf Mützenich könnte Bundestags­präsident werden.

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