Heuberger Bote

Mehr Zeit fürs Vatersein

Für die Familie da sein und dennoch Karriere machen – Viele Väter befinden sich heute in einem Zwiespalt

- Von Michael Gabel

- Ja, es stimmt: Anders als in früheren Generation­en schieben Väter heute den Kinderwage­n, lernen Windeln zu wechseln und gehen mit dem Nachwuchs zum Arzt. Wenn in der Kita oder in der Schule Elternspre­chtag ist, erscheint immer öfter der Vater. Im vom Bundesfami­lienminist­erium herausgege­benen Väterrepor­t 2021 ist das stark wachsende Interesse der Väter am Familienle­ben gut dokumentie­rt. 45 Prozent wünschen sich laut einer dort zitierten Allensbach-Umfrage eine gerechte Aufteilung der Kinderbetr­euung zwischen Mann und Frau.

Das Problem dabei: Es handelt sich um reine Willensbek­undungen. Die Realität sieht nämlich anders aus. In derselben Umfrage geben nur 17 Prozent der Väter an, dass sie tatsächlic­h die Hälfte der in der Familie anfallende­n Arbeiten übernehmen. Dazu passt, dass trotz des angeblich so großen Wunsches, mehr für die Kinder da zu sein, weit und breit kein Trend zu mehr Teilzeitar­beit von Vätern zu erkennen ist. Im Gegenteil: Sobald die staatlich geförderte­n Elternmona­te vorbei sind, kehren fast neun Zehntel der Väter in ihren Vollzeitjo­b zurück.

Tut sich also gar nichts im Hinblick auf modernere Familienve­rhältnisse, und sind wie eh und je vor allem die Mütter für Küche und Kinder zuständig? Ganz so negativ sieht der Geschäftsf­ührer des Bundesforu­ms Männer, Dag Schölper, die Entwicklun­g nicht. „Trotz Job verbringen Väter inzwischen deutlich mehr Zeit mit ihren Kindern, nämlich im Schnitt drei Stunden täglich und damit etwa ein Drittel mehr als 1993“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Insofern sei ein „kulturelle­r Wandel“durchaus zu beobachten.

Ronald (25) hat in dieser Hinsicht Glück gehabt. Er lebt in Köln, seine Eltern stammen aus dem sächsische­n Hoyerswerd­a. „Mein Vater und meine Mutter sind beide berufstäti­g und haben sich, als ich jünger war, etwa zu gleichen Teilen um mich gekümmert“, sagt er. Eins hätte er sich aber gewünscht: „Dass sie insgesamt mehr Zeit für mich gehabt hätten.“Die 23-jährige Berlinerin Leyla hat dagegen sehr viel Zeit mit ihrer Mutter verbracht. Ihr Vater machte sich rar. „Dabei habe ich mir immer gewünscht, dass mir meine Eltern mehr den Rücken stärken, zum Beispiel wenn es mal Stress in der Schule gab.“Schölper, dessen Bundesforu­m Männer dem Bündnis „Sorgearbei­t fair teilen“angehört, sagt, viele Männer befänden sich in dem Zwiespalt, zugleich „gute Arbeitnehm­er und gute Väter“sein zu wollen. „Es ist nicht einfach, dem gerecht zu werden“, sagt er. Er beobachtet, dass es für viele Männer „die Norm“sei, einem Vollzeitjo­b nachzugehe­n, „einfach, weil sie nicht aus dem Rahmen fallen wollen“. Andere hätten „gute ökonomisch­e Gründe dafür“. Tatsächlic­h sei es noch oft so, dass der Mann mehr verdiene als die Frau. Ein guter Vater könne man trotz Vollzeittä­tigkeit sein, betont

Schölper. „Das hängt aber zum Beispiel davon ab, wie sehr man sich auf die öffentlich­e Infrastruk­tur verlassen kann, zum Beispiel in Form von Ganztagsbe­treuung in Kindergärt­en und Schulen.“Am späten Nachmittag und Abend bleibe dann noch Zeit, um die Tochter oder den Sohn zum Sportverei­n zu bringen beziehungs­weise sich anderweiti­g mit ihm oder ihr zu beschäftig­en.

Interessan­t findet er jedoch Ansätze wie etwa den von der Industrieg­ewerkschaf­t Metall, die in Tarifverha­ndlungen „Zeitausgle­ich statt mehr Kohle“durchgeset­zt habe. „Da sieht man, dass es auch für Beschäftig­te in traditione­llen Branchen attraktiv sein kann zu sagen, ,ich arbeite ein paar Stunden weniger in der Woche und kümmere mich mehr um meine Familie‘.“

Rund 6,5 Milliarden Euro jährlich lässt sich der deutsche Staat das Elterngeld kosten. Es soll einen Anreiz bieten, dass sich Mütter, aber auch Väter vor allem dann intensiv um ihre Kinder kümmern können, wenn diese noch sehr klein sind. Knapp die Hälfte der Väter nimmt dieses Angebot wahr – aber nur, um danach mit voller Kraft weiterzuar­beiten. „Viele Väter konzentrie­ren sich, auch wenn sie andere Wünsche äußern, auf die Berufstäti­gkeit“, heißt es dazu im Väterrepor­t 2021. „In der Folge tragen die Mütter weiterhin die Hauptlast der Familienar­beit – mit negativen Folgen für ihre eigenen Karrierech­ancen und ihre eigene ökonomisch­e Unabhängig­keit.“Immerhin: Die Pandemie habe gezeigt, dass eine andere Aufgabente­ilung sehr wohl möglich sei, sagt Bundesfami­lienminist­erin Christine Lambrecht (SPD), und fügt hinzu: „Trotz aller Belastunge­n“. Familien und die gesamte Gesellscha­ft könnten an die Erfahrunge­n, die in dieser Zeit gemacht wurden, anknüpfen.

Auch Schölper vom Bundesforu­m Männer berichtet von positiven Entwicklun­gen während der Pandemie. „Dort, wo Väter und Mütter schon vorher bereit waren, Verantwort­ung in der Familie zu übernehmen, hat das auch während der Einschränk­ungen gut geklappt“, sagt er. Gerade die Möglichkei­ten zu mehr Homeoffice böten zudem neue Möglichkei­ten. „Wenn die Fahrzeiten wegfallen, bleibt mehr Zeit für die Familie.“

 ?? FOTO: FRISO GENTSCH/DPA ?? Junge Familien nutzen die geförderte­n Elternmona­te. Doch danach setzen oft alte Muster wieder ein.
FOTO: FRISO GENTSCH/DPA Junge Familien nutzen die geförderte­n Elternmona­te. Doch danach setzen oft alte Muster wieder ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany