„Der Elan trägt mich über die Müdigkeit“
Simon Gröger ist am Ziel: Nach vier Monaten Wahlkampf ist er neuer OB von Radolfzell
- Mit einem Traumergebnis von 83,32 Prozent der Stimmen ist Simon Gröger am Sonntag zum Oberbürgermeister von Radolfzell gewählt worden. Der Wirtschaftsförderer von Tuttlingen wird der Region spätestens im Dezember den Rücken kehren und mit seiner Familie an den Bodensee ziehen. Im Gespräch mit Redakteur Matthias Jansen hat er über die Wahl, den Wahlkampf und die verbliebenen Aufgaben in Tuttlingen gesprochen.
Herr Gröger, mehr als jede dritte von vier abgegebenen Stimmen haben Sie bei der Wahl zum Oberbürgermeister von Radolfzell auf sich vereinigt. Haben Sie mit diesem Ergebnis gerechnet?
Nein, damit habe ich nicht gerechnet. Von Herzen hatte ich mir gewünscht, knapp mehr als 50 Prozent zu bekommen. Das hätte mich sehr zufriedengestellt. Nach diesem Wahnsinnsergebnis von mehr als 80 Prozent war ich doch ergriffen.
Wie erklären Sie sich den Wahlausgang?
Ich bin begeistert, gehe damit aber demütig um. Während meines Wahlkampfs habe ich viele positive Rückmeldungen bekommen. Allerdings sind es andere Voraussetzungen, wenn man gegen den Amtsinhaber antritt.
Aber drei Fraktionen aus dem Gemeinderat hatten sich doch für Sie als Kandidat ausgesprochen?
Das stimmt. Aber gewählt haben die Wahlberechtigten und nicht nur der Gemeinderat. Ich musste die Bürger überzeugen und mir war nicht klar, dass ich als Sieger aus der Wahl hervorgehen werde.
Mit welchem Gefühl sind Sie denn am Wahltag aufgestanden?
Mit einem guten Gefühl, weil ich alle Energie in den Wahlkampf investiert habe und alles, was ich mir vorgenommen habe, hinbekommen habe. Trotzdem war ich mir unsicher, ob es reicht.
Wie intensiv war der Wahlkampf?
Vier Monate habe ich alle Freizeit – immer nach der Arbeit und am Wochenende – investiert. Meine Familie hat mich kaum gesehen. In den vergangenen drei Wochen habe ich meinen Jahresurlaub genutzt, um jeden Tag in Radolfzell zu sein. Da war ich sehr präsent. Da möchte ich mich auch bei unserem Oberbürgermeister Michael Beck und dem Ersten Bürgermeister Emil Buschle bedanken, dass sie das so möglich gemacht haben. Sie haben mir den Rücken gestärkt und mitgeholfen, dass ich alles unter einen Hut bekomme.
Wie geht es denn in Tuttlingen für Sie weiter?
Ich bin ab Dienstag wieder im Büro und werde die laufenden Projekte begleiten. Das sind der Bahnhof, die Entwicklung des Standortes für die Medizintechnik und des Hochschulstandortes oder das Gewerbegebiet Donautech. Zudem gilt es, den guten Kontakt zum Wirtschaftsministerium zu pflegen. Es wird auch eine Übergabe in der Verwaltung stattfinden. Im November mache ich dann mit der Familie noch ein paar Tage Urlaub und starte im Dezember in Radolfzell. Der große Elan und die Motivation trägt mich gerade über die Müdigkeit.
Wie bewerten Sie Ihre Zeit in Tuttlingen?
Vieles hat funktioniert. Ich durfte fünf Jahre meinen Beitrag leisten, damit sich Tuttlingen weiterentwickelt. Aber mit der Wirtschaftsförderung ist man nie fertig. Das unterliegt einem stetigen Wandel. Es kommen immer neue Themen dazu, wie jetzt die Entwicklung der Innenstadt. Das wollen wir mit ProTUT voranbringen. Das Thema umfasst auch die Bereiche Wohnen und Mobilität.
Bürgermeister Emil Buschle hat Ihnen einen Schutzengel nach der Wahl geschenkt. Haben Sie diesen nötig?
Wir sind eine christliche Familie. Deshalb haben wir uns im Wahlkampf von Gott getragen gefühlt. Es ist aber auch ein Ausdruck des hohen Vertrauens und der guten Zusammenarbeit. Ich habe das Geschenk sehr gerne angenommen.
Haben oder werden Sie Kontakt mit dem Amtsvorgänger Martin Staab haben?
Ich habe ihn am Sonntag nicht gesehen, er hat sich nicht verabschiedet und es gab auch keinen Händedruck. Ich weiß nicht, ob er noch einmal ins
Rathaus zurückkehrt. Bürgermeisterin Monika Laule arbeitet seit Jahrzehnten bei der Stadt Radolfzell, sie weiß über die Projekte Bescheid. Ich bin sicher, dass ich so ein gutes Einarbeiten haben werde. Sobald ich als OB angefangen habe, werde ich in jedes Büro, zu jedem Mitarbeiter und den Institutionen gehen, um Kontakt zu suchen und zu zeigen, dass es nun eine andere Verwaltungsphilosophie gibt.
Landrat Zeno Danner hat gesagt, es werde eine Riesenaufgabe diese 83 Prozent in die Tat umzusetzen. Was meint er damit?
Es geht wahrscheinlich um den großen Vertrauensvorschuss. Ich möchte den Bürgern zeigen, dass die Punkte meines Wahlprogramms und auch der Umgang gelebt wird. Ich nehme die Herausforderung an, will Radolfzell mit aller Kraft und Energie fit für die Zukunft machen.