Schon bei 3G bleiben viele Stühle leer
Gastronomen fürchten noch weniger Gäste und wollen kein 2G-Modell
- „Ich möchte niemanden so rigoros ausschließen“, sagt Silke D’Amico von der „Osteria Ratsstube“in der Tuttlinger Innenstadt. Am Montag hat das Restaurant geschlossen, es ist Ruhetag. D’Amico schneidet vor dem Außenbereich Pflanzen zurück. Die meisten Tische und Stühle vor ihrem Restaurant sind abgebaut und lehnen zusammengeklappt an der Wand.
Seit dem 15. Oktober können Gaststätten in Baden-Württemberg das 2G-Modell einführen. Dann dürfen nur noch geimpfte und genesene Gäste in Restaurants essen. Eine 2GRegel jetzt könne Kunden vergraulen, die dann im nächsten Sommer nicht mehr wiederkommen, fürchtet D’Amico. Dabei besuchen kaum Getestete ihr Restaurant, nur ein oder zwei am Abend, schätzt sie. Dass sie mit der 2G-Regel ihr Restaurant wieder voller besetzen dürfte, macht für sie auch keinen Unterschied: So viele Leute kämen gar nicht mehr. Vor allem die Geschäftsleute würden fehlen, viele Beschäftigte seien noch im Homeoffice und würden nicht kommen, um mittags in der „Osteria Ratsstube“zu essen. „Ich kann gar nicht die Frequentierung erreichen wie vor der Pandemie“, erzählt sie. Auch das Personal würde dafür nicht ausreichen. D’Amico wartet ab, was die Politik entscheidet. „Jetzt versuchen wir, so durchzukommen. Was dann am Ende rauskommt, das sieht man erst in zwei Jahren.“
Obwohl viele Restaurants am Montag geschlossen sind, ist in Tuttlingen viel los. Die Leute schlendern über den Markt oder entspannen vor den Eiscafés. Elfi Wolf, die auf der Rathausstraße unterwegs ist, hätte gerne eine 2G-Regel in Restaurants und Gaststätten. „Ich habe noch die Zeit erlebt, als die Kinderlähmung akut war. Da hat man viel Elend gesehen, aber dann wurde man geimpft und die Sache war erledigt“, sagt sie. Sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, empfindet Wolf als Bürgerpflicht. „Wer stur ist, soll zuhause kochen“, sagt sie. „Die nicht Geimpften gefährden ja auch sich selbst.“Außerdem wären die Beschäftigten in Krankenhäusern überlastet und Ungeimpfte hätten öfter gesundheitliche Schäden nach einer Infektion mit dem Coronavirus als Geimpfte und Genesene. „Die Kosten trägt dann wieder die Allgemeinheit und das ist unfair“, so Wolf.
Ein anderer Passant, der am Brunnen auf dem Marktplatz lehnt, macht sich kaum Sorgen wegen der 2G-Regel – obwohl er nicht geimpft ist. Seinen Namen möchte er nicht nennen, doch er berichtet, dass er auch jetzt überall essen gehen könne, nirgendwo sei er je kontrolliert worden. „Das wäre auch nicht anders, wenn ich geimpft wäre“, ist er sich sicher.
Bei Ali Sivaci, Inhaber des „K2 Kebab und Pizza“in der Gartenstraße sitzen mehrere Schüler auf der gegenüberliegenden Straßenseite und essen Döner. Im Geschäft selbst bestellen zwei Schülerinnen ihr Mittagessen, der Gastraum ist leer. Sivaci merkt, dass weniger Gäste kommen als vor der Pandemie. „Es ist besser als am Anfang, aber noch nicht wieder gut.“Schüler würden zwar wieder kommen – bei ihnen reicht der Schülerausweis als Nachweis, um vor Ort essen zu dürfen – bei den Erwachsenen sei es jedoch nur ein Bruchteil derer, die vor der Pandemie kamen. „Für die Gastronomie ist die Zeit sehr schwer.“Deshalb will er die 2G-Regel nicht einführen, zumindest nicht freiwillig. „Für mich ist das schlecht“, sagt er eindeutig. „Wenn es so bleibt, wie es ist, ist es besser.“Besonders wichtig ist für ihn, dass diejenigen, die nicht geimpft oder von Corona genesen sind, weiter Essen abholen dürfen.
Die Dehoga, der deutsche Hotelund Gaststättenverband, sieht die neue Regelung kritisch. Die 2G-Option würde das Leben der Betreiber nicht leichter machen, im Gegenteil, heißt es in einer Stellungnahme. „Mit der neuen Corona-Verordnung enttäuscht die Landesregierung Betriebsinhaber und Beschäftigte, die weitergehende Lockerungen für das Gastgewerbe erwartet hatten.“
Auch Bulos Kusoglu, Inhaber von „Como Kaffeerösterei“möchte in seinem Café keine 2G-Regelung einführen. „3G ist schon nicht gut bei den Kunden angekommen, 2G würde es da nicht besser machen“, sagt er. Außerdem hätten sich die Menschen mittlerweile an die 3G-Regelung gewöhnt.
Trotzdem bereitet er sich auf 2G vor, falls es von der Regierung doch verpflichtend eingeführt wird. Im Hinterhof seines Café modelliert er einen Sonnenschirm um. „Ich installiere auch einen Heizstrahler, damit sich die Leute im Winter noch nach draußen setzen können“, sagt Kusoglu. Seit dem Beginn der Pandemie hat Kusoglu etwa 50 Prozent weniger Gäste, seine Stammkundschaft hat ihm durch den Lockdown geholfen. Geschätzt seien etwa die Hälfte seiner Kunden getestet. Mitarbeitende, die nicht geimpft sind, müssen sich seit dem 15. Oktober mindestens zweimal die Woche testen lassen. Kusoglu empfindet das als sehr belastend, da er die Tests zahlen müsse und viele Testzentren in den vergangenen Wochen geschlossen hätten. Er lässt seinen Mitarbeitenden aber freie Hand darüber, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht.