Heuberger Bote

Schon bei 3G bleiben viele Stühle leer

Gastronome­n fürchten noch weniger Gäste und wollen kein 2G-Modell

- Von Julia Brunner und Maike Daub

- „Ich möchte niemanden so rigoros ausschließ­en“, sagt Silke D’Amico von der „Osteria Ratsstube“in der Tuttlinger Innenstadt. Am Montag hat das Restaurant geschlosse­n, es ist Ruhetag. D’Amico schneidet vor dem Außenberei­ch Pflanzen zurück. Die meisten Tische und Stühle vor ihrem Restaurant sind abgebaut und lehnen zusammenge­klappt an der Wand.

Seit dem 15. Oktober können Gaststätte­n in Baden-Württember­g das 2G-Modell einführen. Dann dürfen nur noch geimpfte und genesene Gäste in Restaurant­s essen. Eine 2GRegel jetzt könne Kunden vergraulen, die dann im nächsten Sommer nicht mehr wiederkomm­en, fürchtet D’Amico. Dabei besuchen kaum Getestete ihr Restaurant, nur ein oder zwei am Abend, schätzt sie. Dass sie mit der 2G-Regel ihr Restaurant wieder voller besetzen dürfte, macht für sie auch keinen Unterschie­d: So viele Leute kämen gar nicht mehr. Vor allem die Geschäftsl­eute würden fehlen, viele Beschäftig­te seien noch im Homeoffice und würden nicht kommen, um mittags in der „Osteria Ratsstube“zu essen. „Ich kann gar nicht die Frequentie­rung erreichen wie vor der Pandemie“, erzählt sie. Auch das Personal würde dafür nicht ausreichen. D’Amico wartet ab, was die Politik entscheide­t. „Jetzt versuchen wir, so durchzukom­men. Was dann am Ende rauskommt, das sieht man erst in zwei Jahren.“

Obwohl viele Restaurant­s am Montag geschlosse­n sind, ist in Tuttlingen viel los. Die Leute schlendern über den Markt oder entspannen vor den Eiscafés. Elfi Wolf, die auf der Rathausstr­aße unterwegs ist, hätte gerne eine 2G-Regel in Restaurant­s und Gaststätte­n. „Ich habe noch die Zeit erlebt, als die Kinderlähm­ung akut war. Da hat man viel Elend gesehen, aber dann wurde man geimpft und die Sache war erledigt“, sagt sie. Sich gegen das Coronaviru­s impfen zu lassen, empfindet Wolf als Bürgerpfli­cht. „Wer stur ist, soll zuhause kochen“, sagt sie. „Die nicht Geimpften gefährden ja auch sich selbst.“Außerdem wären die Beschäftig­ten in Krankenhäu­sern überlastet und Ungeimpfte hätten öfter gesundheit­liche Schäden nach einer Infektion mit dem Coronaviru­s als Geimpfte und Genesene. „Die Kosten trägt dann wieder die Allgemeinh­eit und das ist unfair“, so Wolf.

Ein anderer Passant, der am Brunnen auf dem Marktplatz lehnt, macht sich kaum Sorgen wegen der 2G-Regel – obwohl er nicht geimpft ist. Seinen Namen möchte er nicht nennen, doch er berichtet, dass er auch jetzt überall essen gehen könne, nirgendwo sei er je kontrollie­rt worden. „Das wäre auch nicht anders, wenn ich geimpft wäre“, ist er sich sicher.

Bei Ali Sivaci, Inhaber des „K2 Kebab und Pizza“in der Gartenstra­ße sitzen mehrere Schüler auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te und essen Döner. Im Geschäft selbst bestellen zwei Schülerinn­en ihr Mittagesse­n, der Gastraum ist leer. Sivaci merkt, dass weniger Gäste kommen als vor der Pandemie. „Es ist besser als am Anfang, aber noch nicht wieder gut.“Schüler würden zwar wieder kommen – bei ihnen reicht der Schüleraus­weis als Nachweis, um vor Ort essen zu dürfen – bei den Erwachsene­n sei es jedoch nur ein Bruchteil derer, die vor der Pandemie kamen. „Für die Gastronomi­e ist die Zeit sehr schwer.“Deshalb will er die 2G-Regel nicht einführen, zumindest nicht freiwillig. „Für mich ist das schlecht“, sagt er eindeutig. „Wenn es so bleibt, wie es ist, ist es besser.“Besonders wichtig ist für ihn, dass diejenigen, die nicht geimpft oder von Corona genesen sind, weiter Essen abholen dürfen.

Die Dehoga, der deutsche Hotelund Gaststätte­nverband, sieht die neue Regelung kritisch. Die 2G-Option würde das Leben der Betreiber nicht leichter machen, im Gegenteil, heißt es in einer Stellungna­hme. „Mit der neuen Corona-Verordnung enttäuscht die Landesregi­erung Betriebsin­haber und Beschäftig­te, die weitergehe­nde Lockerunge­n für das Gastgewerb­e erwartet hatten.“

Auch Bulos Kusoglu, Inhaber von „Como Kaffeeröst­erei“möchte in seinem Café keine 2G-Regelung einführen. „3G ist schon nicht gut bei den Kunden angekommen, 2G würde es da nicht besser machen“, sagt er. Außerdem hätten sich die Menschen mittlerwei­le an die 3G-Regelung gewöhnt.

Trotzdem bereitet er sich auf 2G vor, falls es von der Regierung doch verpflicht­end eingeführt wird. Im Hinterhof seines Café modelliert er einen Sonnenschi­rm um. „Ich installier­e auch einen Heizstrahl­er, damit sich die Leute im Winter noch nach draußen setzen können“, sagt Kusoglu. Seit dem Beginn der Pandemie hat Kusoglu etwa 50 Prozent weniger Gäste, seine Stammkunds­chaft hat ihm durch den Lockdown geholfen. Geschätzt seien etwa die Hälfte seiner Kunden getestet. Mitarbeite­nde, die nicht geimpft sind, müssen sich seit dem 15. Oktober mindestens zweimal die Woche testen lassen. Kusoglu empfindet das als sehr belastend, da er die Tests zahlen müsse und viele Testzentre­n in den vergangene­n Wochen geschlosse­n hätten. Er lässt seinen Mitarbeite­nden aber freie Hand darüber, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht.

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FOTOS: MAIKE DAUB Silke D’Amico von der Osteria Ratsstube befürchtet, dass 2G weitere Gäste vergraulen könnte.
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Bulos Kusoglu von der Como-Kaffeeröst­erei steht einer 2G-Regelung eher skeptisch gegenüber.

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