Heuberger Bote

Kampf um eine neue Weltordnun­g

Norbert Röttgen, Leon Hahn und Ursula Münch sprechen über die Zukunft der EU

- Von Dirk Grupe

- War da was im Bundeswahl­kampf, in Sachen Außenpolit­ik? Auf Nachfrage von Hendrik Groth, Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“, sind sich die Experten auf dem BBF-Podium einig: Nein, da war wenig bis gar nichts. Was für Norbert Röttgen, Leiter des Auswärtige­n Ausschusse­s des Deutschen Bundestage­s, nicht am Wahlvolk liegt. „Die Menschen haben ein Gespür dafür, dass alles in Unordnung ist, es Bedrohunge­n gibt.“Dass die Außenpolit­ik in den großen Debatten weitestgeh­end ausgespart wurde, hält er vielmehr für ein „breites Führungsve­rsagen“, das sich Deutschlan­d nicht auf Dauer leisten könne.

SPD-Politiker Leon Hahn aus dem Bodenseekr­eis stimmt der Diagnose zu: „Außenpolit­ik findet im Nebel statt. Die großen Themen werden gar nicht diskutiert.“Aber warum nicht?

„Die Welt hat sich fundamenta­l verändert“, erklärt Röttgen, der von einem Epochenbru­ch nach dem Kalten Krieg spricht. „Wir befinden uns im Kampf um eine neue Weltordnun­g“, auf die Deutschlan­d, auf die Europa noch keine Antwort findet.

„Dieser Frage weichen wir aus.“So bestehe die Gefahr, dass die deutsche Außenpolit­ik in einem „hinterherl­aufenden Reparaturm­odus“bleibe, statt diese zu gestalten.

Doch was ist außenpolit­isch in der EU überhaupt umsetzbar? „Die Blockade- und Vetomöglic­hkeiten, die irgendwann mal eingebaut wurden, die muss man überwinden“, sagt Ursula Münch, Professori­n für Politikwis­senschaft an der Universitä­t der Bundeswehr München sowie Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing am Starnberge­r See. Denn die Uneinigkei­t innerhalb der EU, so Münch, sei eher größer als kleiner geworden. Bleibt Europa allerdings auf dem heutigen Stand, da sind sich die Experten einig, dann droht eine niederschm­etternde Entwicklun­g: „Wir entscheide­n jetzt, ob die EU in zehn Jahren noch mehr ist als eine Freihandel­szone.“

Dreht sich die Gemeinscha­ft allerdings weiter um sich selbst, werden laut Röttgen die Konsequenz­en vor keinem Bereich Halt machen, auch nicht vor dem Klimawande­l. „Es ist eine blanke Illusion, zu glauben, wir könnten in der Klimapolit­ik etwas erreichen ohne eine Klimaaußen­politik .“Klimaneutr­alität, so der Außenpolit­iker weiter, lässt sich nicht in einer „konfliktre­ichen Welt erreichen“. Um sich in Krisenfrag­en und -gebieten wirkungsvo­ll zu engagieren, müsste das Ziel deutscher Außenpolit­ik eine Zusammenar­beit mit einzelnen EU-Staaten zu bestimmten Themen sein, ist Röttgen überzeugt. „Da werden wir keine Außenpolit­ik der 27 kriegen.“Man müsse aber „solche pragmatisc­hen Ansätze“wählen, um überhaupt Bewegung in das Thema zu bringen.

Ursula Münch begrüßt diesen Pragmatism­us, bedauert aber: „Mit Blick auf die EU ist das ernüchtern­d“, seien die Ziele schließlic­h andere gewesen. Deshalb brauche es eine Antwort auf die Frage: „Wie geht man mit diesem Scheitern um?“

Sozialdemo­krat Leon Hahn auf jeden Fall will dieses Scheitern nicht hinnehmen: „Es muss Initiative­n geben, die Europäisch­e Union wieder zusammenzu­bringen. Dabei geht es um etwas Wesentlich­es: Vertrauen.“Und daran mangelt es ohne Zweifel.

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FOTO: C. FLEMMING Ursula Münch

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