Heuberger Bote

Gegen Rechtsextr­eme und Antisemiti­smus

Vorwürfe an die Sicherheit­sbehörden und Forderunge­n an die Schulen

- Von Stefan Fuchs

- Es herrscht Einigkeit auf dem Podium in Friedrichs­hafen: Die Sicherheit­sbehörden in Deutschlan­d haben in der Vergangenh­eit schwere Fehler begangen im Kampf gegen extremisti­sche Gewalt. Doch welches ist der richtige Weg für die Zukunft? Und welche Möglichkei­ten gibt es, Antisemiti­smus in Deutschlan­d zu bekämpfen? Diese Fragen diskutiert­en Experten beim Bodensee-Business-Forum.

„Wie soll ich das meinen Klienten erzählen“, fragt Anwältin Seda Basay-Yıldız, die im NSU-Prozess die Familie des ermordeten Enver Simsek vertrat. Gemeint sind Versäumnis­se von Polizei und Behörden in den Ermittlung­en zu den zehn Morden des Neonazi-Terrornetz­werks „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“. Zehn Jahre nach dessen Aufdeckung sieht Basay-Yıldız noch „viele offene Fragen“.

Über geschwärzt­e Akten und das „angebliche Unwissen“von sogenannte­n V-Personen, szenezugeh­örigen Informante­n der Sicherheit­sbehörden, wünscht sie sich Aufklärung und Konsequenz­en in Form einer „grundlegen­den Reform der Sicherheit­sbehörden“. Noch weiter will der Politologe und Rechtsextr­emismusexp­erte Timo Büchner gehen. Er fordert eine Abschaffun­g des Verfassung­sschutzes. „Das strukturel­le Versagen erfordert Konsequenz­en“, sagt er. Zwar brauche Deutschlan­d Sicherheit­sbehörden, doch müssten diese neu aufgestell­t und der Einsatz von V-Leuten eingestell­t werden.

Der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Benjamin Strasser, Obmann im Untersuchu­ngsausschu­ss zum islamistis­chen Anschlag auf dem Berliner Breitschei­dplatz, will die Arbeit der Behörden strenger beobachten. „Wir brauchen eine klare parlamenta­rische Kontrolle“sagt er. Die Fehler der Vergangenh­eit seien deutlich, allerdings wolle er den Einsatz von VLeuten in Ausnahmefä­llen weiterhin erlauben.

Weniger Kritik an den Sicherheit­sbehörden, sondern vielmehr an Schulen äußern der Vizepräsid­ent des Zentralrat­s der Juden, Abraham Lehrer, und der Psychologe und Autor Ahmad Mansour mit Blick auf den Antisemiti­smus in Deutschlan­d. Sie nehmen die Kultusmini­ster inBund und Ländern in die Pflicht. Angesichts des Nahost-Konflikts sei es wichtig, dass Lehrerinne­n und Lehrer ein differenzi­ertes Bild vermitteln könnten. Sonst spiele man Extremiste­n aller Richtungen in die Hände, sagt Mansour, der neben dem rechten und linken Antisemiti­smus auch Judenfeind­lichkeit feststellt, die durch die Flüchtling­sbewegunge­n ab 2015 in Deutschlan­d angekommen sei. „Wir müssen diese Menschen erreichen, die in einer Gesellscha­ft sozialisie­rt wurden, in der Israel als Erzfeind gilt.“Abraham Lehrer glaubt, dass insbesonde­re die Begegnung von Kindern und Jugendlich­en in Schulproje­kten helfen könnte, Vorurteile zu überwinden. „Der Schüleraus­tausch zwischen Deutschlan­d und Frankreich war ein Erfolgspro­jekt“und könne als Vorbild für Zusammenar­beit aller Konfession­en dienen, sagt er. Den Sicherheit­sbehörden attestiert er mehr Aufmerksam­keit hinsichtli­ch Antisemiti­smus. Ex-Justizmini­sterin Sabine Leutheusse­r-Schnarrenb­erger (FDP) forderte die Zivilgesel­lschaft auf, „wach und engagiert“zu bleiben.

 ?? FOTO: LOHWASSER ?? Sabine Leutheusse­rSchnarren­berger
FOTO: LOHWASSER Sabine Leutheusse­rSchnarren­berger

Newspapers in German

Newspapers from Germany