Mikrofabriken und Nudeln aus Insekten
Fachleute debattieren die Neuausrichtung von Städten und Handel
- Das Essen wächst auf den Dächern. In hauseigenen Mikrofabriken im Einkaufszentrum wird für die Kunden von nebenan produziert. Und draußen fährt eine Schwebebahn und bringt die Menschen ohne Stau zum Wunschziel. So könnte die Innenstadt der Zukunft aussehen, wenn es nach Steffen Braun, Direktor des Forschungsbereichs „Stadtsystem – Gestaltung“am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation geht. Beim Bodensee Business Forum (BBF) in Friedrichshafen stellte Braun am Mittwoch seine Ideen vor.
„Es braucht eine elastische Stadt“, sagte Braun. Um genug Wohnraum, Grünflächen und eine optimale Versorgung sicherzustellen, müssten die Menschen künftig flexibler mit dem gegebenen Raum umgehen. Das könne dann bedeuten, dass ein Geschäft nur für ein paar Monate in eine Räumlichkeit einzieht und danach Platz für ein neues macht oder dass die Dächer der Bestandsbauten eben als Anbauflächen für die Ernährung der Stadtbewohner genutzt werden.
Nicht erst seit der Corona-Pandemie machen sich die Kommunen in Deutschland Sorgen um ihre Innenstädte.
Corona hat das Problem aber noch einmal in den Vordergrund gerückt: In den Städten steigt durch den Boom des Internethandels der Leerstand. Die Entwicklung auf dem Land sei oftmals sogar noch gravierender, betonte Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Karl-Christian Bay beim BBF. „Hier gibt es oftmals gar keinen Einzelhändler mehr, und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr fehlt“, sagte er.
Einen Ansatz zur Abhilfe verfolgt hier beispielsweise Thomas Gutberlet, Chef der Supermarktkette Tegut. Er stellte beim BBF das Minimarktkonzept „Teo“vor. Teo ist ein rund 50 Quadratmeter großer Laden, mit einer Holzfassade und einem begrünten Dach. Er bietet Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs. Das Besondere: In den Läden gibt es kein Personal an der Kasse, Kunden können mit einer App den Einkauf selbstständig abwickeln. „Auch auf dem Land wollen die Menschen noch zu Fuß einkaufen. Hier rentiert sich aber kein klassischer Händler, weil die Umsätze in einem TausendSeelen-Dorf eben nicht ausreichen“, sagte Gutberlet. Da soll also das „Teo“-Konzept greifen.
Dass die Innenstädte und der Lebensmittelhandel nachhaltig und zukunftsgerichtet agieren, liege aber auch nicht zuletzt in der Macht des Kunden selbst, ist Lara Schuhwerk, Gründerin und Chefin der Beneto Foods GmbH am Mittwoch überzeugt. Schuhwerks Start-up mit Sitz im baden-württembergischen Albstadt verkauft Nudeln aus Insektenmehl und will dieses Mehl auch künftig selbst produzieren. „Die herkömmliche Tierindustrie verursacht 14,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, nutzt 80 Prozent der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche und verbraucht ein Drittel unseres weltweiten Getreides, liefert aber nur 16 Prozent der Kalorien. Da ist doch ein Rechenfehler“, sagte Schuhwerk. Mit dem Anbieten und eigenständigen Produzieren der Nudeln aus Insektenmehl wolle sie eine Alternative bieten.
„An Kreativität für die Gestaltung der Zukunft, fehlt es uns nicht“, sagte Schuhwerk. Es brauche aber mehr Mut bei der Umsetzung.