Heuberger Bote

Der Mahner geht

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann tritt überrasche­nd zum Jahresende zurück – Er gibt persönlich­e Gründe an

- Von Brigitte Scholtes

- Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat überrasche­nd seinen Rücktritt zum Jahresende angekündig­t. Der 53-Jährige schrieb in einem Brief an die Mitarbeite­r, mehr als zehn Jahre seien ein gutes Zeitmaß, um ein neues Kapitel aufzuschla­gen – „für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich“. Denn in diese zehn Jahre fielen schließlic­h die Bewältigun­g der Schuldenkr­ise und in den letzten anderthalb Jahren die Corona-Krise, Jahre also, in denen die Geldpoliti­k sich ständig neuen Herausford­erungen stellen musste.

Jens Weidmann steht seit Mai 2011 an der Spitze der Deutschen Bundesbank. Er folgte Axel Weber nach, der im Streit um die EZB-Geldpoliti­k damals zurücktrat. Auch Weidmann bezog im EZB-Rat, dem er als Bundesbank-Präsident angehört, stets stabilität­sorientier­te Positionen, sagt Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k: „Er war immer gegen eine Politik des lockeren Geldes, er hat die Unabhängig­keit der Zentralban­k verteidigt, und das Ganze mit sehr, sehr intelligen­ten Argumenten.“

Dennoch blieb er unter den vielen Tauben, die im EZB-Rat eher für eine lockere Geldpoliti­k stehen, vor allem in den vergangene­n Jahren in der Minderheit. Das könnte ein Grund für seinen vorzeitige­n Rückzug aus dem Amt sein, vermutet Krämer: „Wenn sie sich über zehn Jahre nicht durchsetze­n können mit sehr, sehr guten Argumenten, das spielt sicherlich eine Rolle.“

Der Rücktritt von Jens Weidmann falle in eine Zeit, in der die Geld- und Finanzpoli­tik vor erhebliche­n Herausford­erungen stehe, sagte Stefan Kooths, Forschungs­direktor Konjunktur und Wachstum am Institut für Weltwirtsc­haft (IfW) in Kiel: „Insbesonde­re zeichnet sich ab, dass der Euroraum den Weg aus der Nullzinspo­litik finden muss, was angesichts hoher Verschuldu­ng auch in großen Mitgliedsl­ändern kein Spaziergan­g wird.“Da sei eine konsequent­e Stabilität­sorientier­ung sehr wichtig, für die Weidmann stehe.

„Es ist wichtig, dass für die Nachfolge von Jens Weidmann eine ähnlich profiliert­e und erfahrene Persönlich­keit gefunden wird“, sagt deshalb Michael Holstein, Chefvolksw­irt der DZ-Bank. „Sollte die Bundesbank als Mahnerin gegen die Gefahren der monetären Staatsfina­nzierung und für einen eng umrissenes Mandat ausfallen, wird dies nicht ohne Einfluss auf die Inflations­erwartunge­n bleiben“, mahnt IfW-Ökonom Kooths. „Eine solche Entwicklun­g wäre ohnehin schon problemati­sch, in der jetzigen Situation käme sie zur völligen Unzeit.“

Wer die Nachfolge antritt, das liegt in den Händen der Bundesregi­erung. Die bestimmt neben dem Präsidente­n auch die Vizepräsid­entschaft sowie „ein weiteres Mitglied“, wie es im Gesetz zur Bundesbank heißt. Die drei anderen Vorstände werden von den Landesregi­erungen besetzt. Für die Nachfolge könnte nun eine Frau erstmals für dieses Amt ausgewählt werden. Da werden jetzt schon Vizepräsid­entin Claudia Buch genannt, aber auch EZB-Direktorin Isabel Schnabel.

Weil die Position wahrschein­lich von der kommenden Bundesregi­erung bestimmt wird, könnte auch die parteipoli­tische Nähe eine Rolle spielen. So wird auch der Name des DIW-Präsidente­n Marcel Fratzscher genannt, der der SPD nahesteht. Im jetzigen Bundesbank-Vorstand sind fünf der sechs Positionen von der Union in Bund und Land berufen worden. Noch ist dies Spekulatio­n. Auch Jens Weidmann hatten die Auguren damals nicht als Erstes genannt.

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FOTO: DEDERT/DPA Jens Weidmann

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