Wo Menschen und Maschinen kommunizieren
Dreh- und Spantage fokussieren die Chancen und Probleme einer Branche mit Schwerpunkt auf dem Heuberg
- Vernetzung und Kommunikation sind die zentralen Themen bei den Dreh- und Spantagen Südwest, die am Mittwochvormittag auf dem Messegelände in VSSchwenningen eröffnet wurden. Bei der Messe für Zerspanungstechnik geht es zum einen um die digitale Vernetzung von Maschinen, Fabriken und Prozessen, aber eben auch um die persönliche Vernetzung von Firmenvertretern und Kunden im direkten Kontakt.
„Es ist schön und wichtig, dass es wieder eine Präsenzveranstaltung gibt“, sagt Günter Ruf, Leiter Consulting und Vertrieb bei der Spaichinger Majesty GmbH, im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Software-Firma Majesty ist von Anfang an als Aussteller bei der Messe dabei, schon bei der Vorgänger-Messe „Turning Days“. Geschäftsfeld der Firma ist Entwicklung, Vertrieb und Support für Software zur Ressourcenplanung von Unternehmen. Viele der Kunden, die jetzt in Schwenningen persönlich vorbeischauen, haben frühere Versionen der Majesty-Software und erkundigen sich jetzt nach einem Update. Corona habe im vergangenen Jahr „ die Investitionsfreude schon sehr gedämpft“, stellt Günter Ruf fest. Doch seit Frühjahr 2021 zögen die Geschäfte kontinuierlich wieder an. Wobei Reif froh ist, diese wieder im persönlichem Kundenkontakt abschließen zu können.
„Große Investitionen tätigt man nicht online, sondern im persönlichen Gespräch“, stellt Wolfgang Merk, Vertriebsleiter der Drehertec GmbH aus Denkingen, Vertragspartner des koreanischen CNC-Maschinenherstellers Hyundai Wia, fest. – „160 Aussteller signalisieren, dass der Wunsch nach Networking, persönlichen Begegnungen und Austausch vorhanden ist“, so auch Schirmherrin und IHKPräsidentin Birgit Hakenjos in ihrer Eröffnungsrede.
„Wir waren auch auf einer Fachmesse in Friedrichshafen. Da hatten wir einen sehr schönen Stand. Was wir nicht hatten, das waren Kunden.“So fasst beim Messerundgang der Ehrengäste Wolfgang Müller vom Leonberger Werkzeugmaschinenhersteller DMG Mori die Bedeutung des Standorts Villingen-Schwenningen für die Messe zusammen. Denn in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg und nicht am Bodensee ist das Zentrum der südwestdeutschen Zerspanungsund Drehteileindustrie.
Gar vom „Weltzentrum der Zerspanungstechnik“, spricht Ingo Hell, Vorstandsvorsitzender des Clusters Zerspanungstechnik, bei der Eröffnung der Messe in Anspielung auf das „Weltzentrum der Medizintechnik“rund um Tuttlingen. Rund 800 Unternehmen mit Zerspanungsabteilungen, darunter rund 400, die sich auf Zerspanung konzentrieren, mit etwa 13 000 Mitarbeitern prägten die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. Sie generieren rund 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro Umsatz, schätzt Hell. Damit sei die Zerspanungs- und Drehteile-Industrie nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Region, wo sie für Arbeitsplätze und Steuern sorgt, sondern auch weltweit bedeutend, so Hell: „Wenn bei uns sich nichts mehr dreht, hat die Welt auch ein paar Probleme.“
In den vier Messehallen sind 160 Aussteller aus ganz Deutschland – überwiegend aber aus Baden-Württemberg –, aus der Schweiz, Italien und Frankreich vertreten – neben Zerspanungsbetrieben auch Dienstleister, Werkzeughersteller und Händler sowie Softwarehäuser, wie Majesty oder Gewatec.
Die Verknappung vieler Wirtschaftsgüter und Rohstoffe wie Metalle stelle derzeit die Zerspaner vor große Probleme, wie Ingo Hell in seiner Begrüßung feststellt. Angesichts dieser Entwicklung plädiert Hell dafür, „sich politisch und gesellschaftlich Gedanken zu machen, ob wir es weiterhin zulassen können, dass wesentliche Wirtschaftsgüter nicht mehr in Deutschland und Europa produziert werden.“Allein 80 Prozent des weltweiten Bedarfs an Magnesium kämen zum Beispiel derzeit aus China.
Mittel- und langfristig gesehen stellen aber die Digitalisierung und der Strukturwandel in der Autoindustrie weg vom Verbrenner hin zum Elektroantrieb die größten Herausforderungen für die Drehteilehersteller dar.
Dass die Digitalisierung als „vierte Industrielle Revolution“nichts Neues ist, sondern in der Zerspanungsindustrie schon 1970 angefangen hat, macht Reinhold Walz, Geschäftsführer von Gewatec in Wehingen, in seinem Impulsvortrag deutlich. Künstliche Intelligenz (KI) und 3D-Drucker revolutionierten gerade die Produktion.
Die Sonderschau „Digitale Transformation und Industrie 4.0“in Halle C zeigt, wie moderne Fertigung funktioniert. Hier kann man – so wie in der „Lernfabrik“in der Erwin-TeufelBerufsschule in Spaichingen, die ebenfalls von Gewatec konzipiert worden ist – in Echtzeit einen digital gesteuerten Produktionsverlauf von der Bestellung bis zur Auslieferung des fertigen Werkstücks erleben. „Das Highlight ist der autonom fahrende Roboter, der am Ende das fertige Teil zum Besucher bringt“, so Initiator Reinhold Walz beim MesseRundgang. Der Prozess zeigt, wie Maschinen in der „Industrie 4.0“miteinander kommunizieren. Und das funktioniert nicht nur innerhalb einer Fabrik, sondern weltweit, „auch wenn die Maschine in Schanghai oder Chicago steht“.
Ein noch größeres Problem sehen Walz und die anderen Branchenvertreter jedoch im Strukturwandel der Autoindustrie hin zum Elektroantrieb. Zwar sieht das „Fit for 55“-Programm der EU vor, dass neue Autos 2035 gar kein CO2 mehr ausstoßen dürfen. „Von Planungssicherheit, die ihren Namen verdient, sind wir aber immer noch weit entfernt“, so IHKPräsidentin Hakenjos.
Warum das auch die Drehteileindustrie als Zulieferer der Automobilindustrie betrifft, machte Walz an einem Beispiel deutlich: Während in einem herkömmlichen Verbrennungsmotor noch 1500 Einzelteile verbaut sind, seien es in einem Elektroantrieb nur noch 100 Teile. „Das erfordert ein Umdenken in der Produktion.’“