Trossingens erste Stolpersteine sind verlegt
Gedenken an fünf Opfer in fünf verschiedenen Straßen - Viele Bürger verfolgen die Aktion
- Fünf Stolpersteine erinnern seit Mittwoch an Trossinger Opfer des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten. „Wir möchten den Menschen und Mitbürgern ein Gesicht geben, und uns im Vorbeigehen an sie erinnern“, sagte Bürgermeisterin Susanne Irion. Die Steine wurden vom Künstler Gunter Demnig eigenhändig verlegt.
Zahlreiche Trossinger, darunter Gemeinderäte und Schüler des Gymnasiums, begleiteten die Steinsetzung in fünf verschiedenen Straßen Trossingens. Der Bauhof hatte bereits die Öffnungen im Pflaster vorbereitet. Während Gunter Demnig still und eher etwas abseits der Leute arbeitete, erinnerte AuberlehausLeiter Volker Neipp an die Schicksale der Opfer, die in der Tötungsanstalt Grafeneck ermordet worden waren. Die Stolpersteine gedenken Hans Hohner (Tuningerstraße 10), Adomina Birk (Ernst-Hohner-Straße 46), Ernst Koch (Butschstraße 20), Berta Anna Lang (Vogtswinkel 10) und Johann Maurer (Eberhardstraße 5). Ebenfalls anwesend waren im Vogtswinkel Angehörige der getöteten Berta Anna Lang, deren Nichte gemeinsam mit Susanne Irion weiße Rosen am Stolperstein niederlegte.
Die Bürgermeisterin lud alle Trossinger dazu ein, sich kritisch mit der Geschichte der Stadt und auch der eigenen Familie auseinanderzusetzen. Auch Neipp betonte: „Die Aufarbeitung muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen.“
Angestoßen hatte die Aktion das Auberlehaus, das sich bei seinen ersten Recherchen auf das Buch „Miseris procul patria defunctis“aus dem Jahr 1948 stützte, in welchem Opferlisten aus dem Landkreis Tuttlingen geführt werden. Eugen Rosenfeldt aus Tuttlingen und der Trossinger Altbürgermeister Hans Neipp zeichnen sich für das Werk verantwortlich. Die Schicksale der fünf Trossinger, an die nun Stolpersteine erinnern, greift auch Nils Jannik Bambusch vom Kreisarchiv und Kulturamt Tuttlingen in seinem Buch „,In Anstalten ist niemand mehr untergebracht’. ,Euthanasie’ und NS-Gesundheits- und Fürsorgepolitik im Landkreis Tuttlingen“auf. Bambusch wohnte der Verlegung in Trossingen am Mittwoch auch bei.
Für Gunter Demnig waren es nicht die ersten Stolpersteine, die er am Mittwoch in der Region setzte. Bereits am Vormittag war der Künstler in Villingen-Schwenningen unterwegs gewesen, um in der Doppelstadt vier Stolpersteine zu verlegen. Anders als in Trossingen, wo der Gemeinderat dem Projekt mehrheitlich sofort zugestimmt hatte, hatte sich in VS der Verein „Pro Stolpersteine VS“seit 2013 für das Projekt eingesetzt, das im Gemeinderat lange abgelehnt worden war.
Wie Volker Neipp betonte, sollen die fünf Stolpersteine in Trossingen nur der Anfang sein. Alleine in Grafeneck wurden neben Hans Hohner, Adomina Birk, Ernst Koch, Berta Anna Lang und Johann Maurer folgende Bürger ermordet: Barbara Burger, Barbara Kauth, Marie Marx, Berta Schäfer und Klara Gamper. Deren Stolpersteine sollen 2022 verlegt werden.
Nach weiteren Opfern wird recherchiert. Bis zum Jahr 2027 anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Stadt Trossingen sowie 50 Jahre Museum Auberlehaus soll die Geschichte des Nationalsozialismus in Trossingen aufgearbeitet werden. Das Auberlehaus ruft alle Bürgerinnen und Bürger, Vereine und Gruppierungen auf, ihr Wissen zu teilen, um die Aufarbeitung breit und gut aufgestellt anzugehen.