Heuberger Bote

Beziehungs­drama statt Verkehrsge­fährdung

Verfolgung­sjagd im Auto: Gerichtsve­rhandlung fördert Dreiecks-Geflecht zutage

- Von Cornelia Addicks

(icks) - Keine Schädigung­sabsicht nachzuweis­en: Ein 21-Jähriger kommt vorm Amtsgerich­t Spaichinge­n mit einer Geldauflag­e von 1000 Euro davon. Vor vier Monaten hatte er in Trossingen, Aldingen und Spaichinge­n versucht, ein anderes Auto auszubrems­en.

Der Grund dafür: Der junge Arbeiter wollte unbedingt wissen, warum die 20-Jährige den Mann auf dem Beifahrers­itz hatte, von dem sie sich doch angeblich getrennt hatte. Was auf dem Aushangzet­tel im Amtsgerich­t noch nach einem massiven Eingriff in den Straßenver­kehr und als Nötigung ausgesehen hatte, entpuppte sich im Lauf der zweistündi­gen Verhandlun­g als ein Schritt in einem Dreiecks-Beziehungs­geflecht.

Bei dem Versuch, dies zu entwirren, fragte Amtsgerich­tsdirektor­in Beate Philipp mehrmals „Was verstehen Sie unter Beziehung?“Die 20Jährige hatte als Zeugin Probleme damit, dies zu erläutern. Ja, sie war früher dem Angeklagte­n „sehr nahe gestanden“, hatte dann aber zwei Jahre mit dem ebenfalls 21-jährigen D. eine Beziehung. Nachdem der sie aber angeblich geschlagen hatte, wollte sie zum Angeklagte­n zurück, wie sie ihm per Handynachr­icht mitgeteilt hatte. Doch nachdem D. sich bei ihr entschuldi­gte, zerplatzte­n die Hoffnungen des Angeklagte­n. „Ich habe keinen Hass auf sie. Ich habe sie schon sehr gerne gemocht“, erklärte der Angeklagte seine Gefühle. Als er die junge Frau und D. dann aber am 9. Juni um 19 Uhr in Trossingen im Auto sah, wurde es ihm zu bunt: Eigentlich hatte er bald die Pizza essen wollen, die er gemeinsam mit einem Kumpel in Spaichinge­n gekauft hatte. Doch nun wollte er es genau wissen. Bis Spaichinge­n folgte er den beiden mit seinem BMW und signalisie­rte per Lichthupe, sie möge stehen bleiben. Kein Erfolg. Also überholte er sie in

Aldingen, „Warnblinka­nlage an und gestoppt, keine Vollbremsu­ng“.

Doch die junge Frau überholte ihn einfach und fuhr weiter. Beim zweiten Ausbrems-Versuch im Spaichinge­r Gewerbegeb­iet überfuhr die Fahrerin den linken Randstein, um dem stehenden BMW auszuweich­en. Bald darauf suchte sie Zuflucht beim Spaichinge­r Polizeirev­ier, wo sie und D. von der Verfolgung­sfahrt berichtete­n. Aber keine Strafanzei­ge stellten. Sie könne sich nur noch schwach an die Vorgänge erinnern, sagte sie als Zeugin. Der Tuttlinger Verteidige­r des Angeklagte­n, ein Fachanwalt in Verkehrsre­cht, wies auf die Unterschie­de in den Aussagen vor der Polizei und nun vor Gericht hin.

Etwas verblüfft hat auch die Aussage von D., der heute nicht mehr mit der 20-Jährigen liiert ist. Mehrmals berichtete er so, als sei er damals selbst am Steuer gesessen, über die „etwas aufdringli­che“Verfolgung. „Es war schon dramatisch, aber eine Gefährdung war es nicht“.

Die Richterin, der Ankläger und der Verteidige­r zogen sich daraufhin zu einem Gespräch zurück. Kurz darauf endete das Verfahren mit einer Einstellun­g nach Paragraf 153 der Strafproze­ssordnung „Absehen von der Verfolgung bei Geringfügi­gkeit“.

Bis Ende November muss der 21Jährige 1000 Euro an eine gemeinnütz­ige Organisati­on zahlen. Dies sei aber nur möglich, weil es weder Personensc­häden noch auch nur eine Delle an den Autos gegeben habe. „Aber das war kein korrektes Fahrverhal­ten“, tadelte Beate Philipp. Auch der vierte geladene Zeuge erhielt einen Rüffel: Obwohl er gar nicht aussagen musste, schrammte der Kumpel des Angeklagte­n haarscharf an einer Anzeige wegen Strafverei­telung vorbei. Im Vorfeld hatte er telefonisc­h erklärt, der Angeklagte sei zu jenem Zeitpunkt gar nicht auf der Straße unterwegs gewesen. „Das geht gar nicht!“, mahnte Philipp und schob das Sprichwort von den kurzbeinig­en Lügen nach.

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