Ein Stürmer wie Füllkrug muss mit zur WM
Niclas Füllkrug ist klug genug, andere für sich sprechen zu lassen. „Für mich ist er momentan der beste deutsche Stürmer“, sagte Marvin Ducksch, sein kongenialer Partner bei Werder, nachdem Füllkrug die Bremer mit einem Doppelpack zum berauschenden 5:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach geschossen hatte. „Niclas kann auch für die Nationalmannschaft wichtig sein. Wenn man mit einem klassischen Mittelstürmer spielen will, kommt man an ihm nicht vorbei“, meinte Mitspieler Niklas Stark. Und die Bremer Anhänger hat er sowieso längst auf seiner Seite: „Lücke für Deutschland“schallte es am Samstagabend durchs Weserstadion. Nur „Lücke“selbst, so der Spitzname des Angreifers, hielt sich in Sachen Kampfansage Richtung Bundestrainer Hansi Flick zurück. „Mich erfüllt es, meine Bestleistung auf den Platz zu bringen“, sagte er bescheiden: „Mein Einflussbereich ist meine Leistung.“
Und mit dieser macht er dann doch klare Ansagen. Mit sieben Treffern führt Füllkrug die Bundesliga-Torschützenliste an. Das allein macht ihn schon zum aktuell besten deutschen Mittelstürmer. Der gebürtige Hannoveraner brilliert aber auch mit seiner Präsenz im Spiel, seiner körperlichen Robustheit und seiner Durchschlagskraft vor dem gegnerischen Tor. Ein Mann wie Füllkrug fehlt dem DFBTeam
– und das schon seit Jahren. Die etablierten Kräfte wie Timo Werner oder Thomas Müller haben gezeigt, dass sie das Vakuum im Sturmzentrum
nicht füllen können. Ein aussichtsreicher Kandidat wie Lukas Nmecha ist aktuell verletzt und kam in der Nationalelf nie über die Rolle eines Bankdrückers hinaus.
Somit bleibt letztlich nur Niclas Füllkrug für die Nachfolge von Gerd Müller, Rudi Völler und Miroslav Klose. Der Vergleich mit den größten deutschen Stürmern macht zwar deutlich, wie wenig ihnen Füllkrug das Wasser reichen kann. Dabei ist der mittlerweile 29-Jährige ebenfalls hochveranlagt. In den deutschen Nachwuchsteams kam Füllkrug zu 17 Einsätzen und acht Torerfolgen. Seinen Heimatclub Hannover 96 schoss er in seinem ersten Profijahr 2017/18 mit 14 Toren zum Klassenerhalt, Werder in der Vorsaison mit 19 Treffern zum direkten Wiederaufstieg. Wäre er nicht immer wieder durch schwere Verletzungen zurückgeworfen worden, wäre Füllkrug wohl längst Nationalspieler. Nun aber ist er topfit. Bleibt er unverletzt und fällt nicht in ein unerwartetes Formtief, hat Hansi Flick gar keine andere Wahl: Der Bundestrainer muss Füllkrug für die Winter-WM in Katar nominieren.
Wer im Ernst glaubt, dass ein Niclas Füllkrug allein die Sturmprobleme der deutschen Nationalmannschaft lösen kann, der glaubt aktuell wohl auch an einen Überraschungsmeister a la Union Berlin oder SC Freiburg. Natürlich hätten alle drei Gedankenspiele Charme und würden die Nationalmannschaft und die Bundesliga insgesamt bereichern, doch geht es darum leider nicht. Denn auch wenn der Sport die unglaublichsten Geschichten schreibt, ist eine Weltmeisterschaft eben doch kein Hollywoodfilm. Ein Füllkrug als WM-Dauertorschütze wäre ein Heldenepos, doch ist es eines, das nicht geschrieben wird. Das weiß nicht nur Füllkrug selber, der solche Gedankenspiele aktuell durchgängig sympatisch weglächelt, sondern auch ein Hansi Flick und tief im Innern wohl auch jeder Fußballfan – selbst die aus Bremen.
Und warum? Weil ein Turnier vor den Augen der Welt eben doch etwas anderes ist als eine nationale Liga. Ähnlich wie im Fall Simon Terodde (die Älteren werden sich erinnern), der jüngst noch unbedingt für Katar nominiert gehört hätte und wenig später seine Erstliga-Ladehemmungen neu entdeckte, wird auch der Lauf des Niclas Füllkrug nicht ewig anhalten. Mit der Euphorie des Aufstiegs, dem Teamgefüge und des Überraschungsmoments
lassen sich zwar noch die Bundesligaverteidiger überrumpeln, doch wahrscheinlich nicht die Abwehrreihen von Brasilien, Spanien
oder Frankreich. Ein Stürmer, der niemals Champions-League-Luft geschnuppert hat oder in großen Spielen ablieferte, kann nicht der Hoffnungsträger eines Titelaspiranten sein. Flick täte gut daran, an seiner Ausrichtung ohne Stoßstürmer festzuhalten, für eine Systemumstellung ist es nun ohnehin viel zu spät. Mit Thomas Müller, Leroy Sané, Jamal Musiala und nicht zuletzt Kai Havertz und Timo Werner (ja, wirklich!) hat der Bundestrainer international erfahrene Offensivkräfte, denen einzig und allein Erfolgserlebnisse fehlen. Dass sie die FüllkrugDiskussion spüren, könnte zudem der Ansporn sein, den die etablierten Kräfte benötigen, um zur Winter-WM ihre Ladehemmungen abzulegen. So sympatisch jedem Fan Niclas Füllkrug auch sein muss und so sehr wir uns so eine Geschichte wünschen, es ist besser, wenn dieses zum Scheitern verurteilte Kapitel nicht geschrieben wird. Denn einen erneuten Fall wie damals Paolo Rink (13 Spiele/0 Tore) brauchen Fußballdeutschland – und auch Füllkrug selber – sicher nicht.
„Diskussion hilft etablierten Kräften.“