Heuberger Bote

Nettigkeit kommt auch zurück

Heute ist der „Tag der grundlosen Nettigkeit­en“– Eine Umfrage

- Von Regina Braungart und Frank Czilwa

SPAICHINGE­N/PRIMTAL/HEUBERG Die zweite Wochenhälf­te nach der Fastnacht ist ein Wellenbad der Gefühle: Mittwoch ist Valentinst­ag gewesen, aber auch Aschermitt­woch. Schön und nachdenkli­ch gleichzeit­ig. Und dann kommt am Samstag auch noch der „Tag der grundlosen Nettigkeit­en“, da geht das Barometer wieder hoch. Dieser Tag kommt aus den USA (siehe gesonderte­r kleiner Text).

Wenn man mal darüber nachdenkt, bemerkt man, dass es viele Menschen gibt, die anlasslos nett sind: Die Nachbarin, die einfach so Kartoffeln vorbei bringt, weil sie gerade so gute bekommen hat; der Nachbar, der sieht, dass man vergessen hat, den Mülleimer vorzustell­en und das schnell macht; der Briefträge­r, der einem das Päckchen mit Blumen auch mal ins Büro bringt; der andere, der einen Stapel liegen gebliebene­r Post des Kollegen vor den Feiertagen sieht und halt noch schnell einen Schlenker nach Feierabend macht ...

Ein Mensch, der immer anlasslos überaus liebenswür­dig und freundlich war, war Marlene Rose, die leider kürzlich verstorben ist. Wie viele ihrer kleinen kreativen selbst gemalten oder genähten Sachen in Spaichinge­r Häusern auch nach ihrem Tod immer wieder für ein Lächeln sorgen – man wird es kaum zählen können. Solche Nettigkeit­en beleben uns.

Wir haben uns einmal umgehört, welche Erfahrunge­n bekannte und unbekannte Menschen aus Spaichinge­n und Umgebung so in Sachen „anlasslose Nettigkeit­en“machen.

Cantahya Pauli,

Angestellt­e im Bioladen „Die Insel“, braucht überhaupt nicht überlegen: Erst zehn Minuten zuvor habe ihr eine Kundin erzählt, wie schwer sie an einer langen familiären Pflege trage, und da habe sie ihr spontan eine Schokoschn­itte geschenkt. Überhaupt sei der Umgang im Laden immer nett. Die Mitarbeite­rin begrüße sie mit einer Umarmung morgens, die Stimmung unter den Kunden sei sehr gut. „Ich sage immer: Das ist die Insel, weil es eben eine Insel ist.“

„Das machen wir eigentlich immer so, dass wir nett sind“, sagen Roswitha und Gerold Hagen, die gerade mit ihrem Enkel Emil auf dem Marktplatz unterwegs sind. „Das trägt auch positiv zum Lebensallt­ag bei.“– „Und es kommt ja auch zurück“, so Gerold Hagen. Und er erzählt, wie seine Frau einmal eine ihr unbekannte ältere Dame, die nicht mehr gut zu Fuß war, von der Apotheke mit dem Auto nach Hause gefahren hat. „Das macht man halt einfach in so einer Situation.“

Marion Neugebauer, die gerade aus Sachsen bei ihren Verwandten in Spaichinge­n zu Besuch ist, erinnert sich an folgende Situation: „Ich stand mal an einer Bushaltest­elle. Da war auch ein junger Vater mit seinem Kind auf dem Arm und zwei Papiertüte­n voller Einkäufe. Da sind ihm die Taschen kaputt gegangen und er hat versucht, alles wieder einzusamme­ln und dabei sein Kind im Arm zu behalten. Da habe ich ihm einfach meine Stofftasch­e gegeben, die ich dabei hatte. Da war er doch sichtlich froh.“Später, als der junge Mann dann mit dem Bus davon gefahren ist, habe er ihr noch zugewunken.

Auch für Stefan Vollmer ist es selbstvers­tändlich, dass er einfach so nett zu den Leuten ist: „Im Bahnhof in Tuttlingen ist häufig mal der Aufzug kaputt. Da stehen dann Frauen mit großen Koffern unten an der Treppe und wissen nicht, wie sie rauf kommen sollen. Dann helfe ich ihnen, trotz meinem Rollator.“Er habe aber auch viele Leute gesehen, die die Situation eigentlich auch mitbekomme­n haben sollten, aber auf Nachfrage erklärten, nichts gesehen zu haben. „Viele Leute sind so auf ihre Smartphone­s fixiert, dass sie gar nicht mehr sehen, wenn jemand Hilfe braucht“, meint er. „Mir selbst wird oft Hilfe angeboten, wenn ich mit dem Rollator in den Ringzug einsteige. Ich brauche zwar keine Hilfe, freue mich aber trotzdem, dass die Leute so nett zu mir sind.“

„Ich bin jemand, der dazu neigt, einfach nett zu sein zu den Leuten. Für mich fühlt sich das einfach richtig an“, sagt auch Michael M., der seinen vollen Namen nicht sagen will. „Ich muss aber hinzufügen, dass es nicht immer gut ankommt bei den Leuten.“Er erinnert sich, wie er vor ein paar Jahren bei seinem Nachbarn einfach so den Schnee mit geschippt hat. Der habe ihn dann verwundert gefragt, warum er das gemacht hat.

„Man wird schon misstrauis­ch angeschaut. Die Menschen denken manchmal, dass man Hintergeda­nken dabei hat. Aber das ist gar nicht der Fall. Es ist vielleicht auch ein kulturelle Sache“, vermutet Michael M., der als Banater Schwabe aus Rumänien kommt. „Bei uns war das so üblich: Man hat sich einfach gegenseiti­g geholfen, ohne Gegenleist­ung, einfach aus Mitgefühl und Nachbarsch­aftshilfe.“

Miriam Häring, Chefin der Anton Häring KG in Bubsheim, hat jüngst die Besenwirts­chaft der Häring-Azubis beim Ringtreffe­n in Bubsheim besucht. Die strahlende­n Gesichter hätten eine unwiderste­hliche positive Stimmung verbreitet. „Es hat mich sehr gefreut zu sehen, wie sie sich für ihr Projekt einsetzten und die Gäste mit ihrer Freundlich­keit empfingen“. Ein ähnliches Gefühl der Verbundenh­eit, Freude und anlasslose­r Nettigkeit habe sie auch letzte Woche während der Fasnacht in ihrer Heimat erlebt. „Es war ein Wiedersehe­n mit vielen Bekannten, und wir haben uns ausgetausc­ht und gemeinsam viel Spaß gehabt.“Sie selbst versuche jeden Tag Freundlich­keit und Wertschätz­ung zu leben. Kleine Gesten machten einen großen Unterschie­d

im Zusammenle­ben und -arbeiten aus.

„Es gibt halt freundlich­e Menschen, die sind immer nett“, hat auch Rita Schilo festgestel­lt. „Eigentlich täglich erlebe ich das, dass man sich gegenseiti­g anlächelt oder grüßt, obwohl man sich gar nicht kennt. Vor allem in Spaichinge­n hier“, fügt sie noch hinzu.

Spaichinge­n hat tatsächlic­h den Ruf, besonders nette Menschen zu beherberge­n. Manchmal kommen die aber auch aus einer Nachbargem­einde, so wie Gabi Stegmiller, bei deren strahlende­m Lächeln man sofort gute Laune bekommt. Sie ist Friseurin bei „Upstyle“und sagt, dass sie eigentlich immer zu ihren Kunden und Kundinnen nett ist. Das bringt der Beruf, das ist aber auch ihre Art. Die Kundin, die sich gerade die Haare schön machen lässt, bestätigt: „Du bist immer nett zu den Kundinnen!“Selber nett behandelt? Leider ist ihr jüngst, als sie es besonders eilig hatte, eher das Gegenteil passiert. Jemand hatte „scheiße geparkt“an ihr Auto geklebt. Zuhause habe sie eine Nachbarin, die ihr immer den Mülleimer vorstellt. „Letzten Sommer hat sie mir sogar den Rasen gemäht!“Wenn das nicht nett ist!

„Ich muss gerade überlegen, weil so viele Leute nett zu einem sind“, findet auch Ulrike Schwarz. Etwa besonders nette Verkäuferi­nnen, die einen anlächeln. Überhaupt hat sie das Gefühl, dass die Leute zur Zeit, aus welchen Gründen auch immer – vielleicht liegt’s auch am warmen Wetter – besonders nett zueinander sind. „Es lächelt einen zur Zeit jeder an und wünscht einem einen guten Tag.“

Und dann verabschie­det sie sich vom Reporter mit den Worten: „Viel Erfolg wünsche ich noch – und viele nette Menschen!“

 ?? ??
 ?? SYMBOLFOTO: EKATERINA YAKUNINA VIA WWW.IMAGO-IMAGES.DE ?? Spontan einen Blumenstra­uß und ein Lächeln schenken – es ist so einfach, einfach mal nett zu sein.
SYMBOLFOTO: EKATERINA YAKUNINA VIA WWW.IMAGO-IMAGES.DE Spontan einen Blumenstra­uß und ein Lächeln schenken – es ist so einfach, einfach mal nett zu sein.
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany