Nettigkeit kommt auch zurück
Heute ist der „Tag der grundlosen Nettigkeiten“– Eine Umfrage
SPAICHINGEN/PRIMTAL/HEUBERG Die zweite Wochenhälfte nach der Fastnacht ist ein Wellenbad der Gefühle: Mittwoch ist Valentinstag gewesen, aber auch Aschermittwoch. Schön und nachdenklich gleichzeitig. Und dann kommt am Samstag auch noch der „Tag der grundlosen Nettigkeiten“, da geht das Barometer wieder hoch. Dieser Tag kommt aus den USA (siehe gesonderter kleiner Text).
Wenn man mal darüber nachdenkt, bemerkt man, dass es viele Menschen gibt, die anlasslos nett sind: Die Nachbarin, die einfach so Kartoffeln vorbei bringt, weil sie gerade so gute bekommen hat; der Nachbar, der sieht, dass man vergessen hat, den Mülleimer vorzustellen und das schnell macht; der Briefträger, der einem das Päckchen mit Blumen auch mal ins Büro bringt; der andere, der einen Stapel liegen gebliebener Post des Kollegen vor den Feiertagen sieht und halt noch schnell einen Schlenker nach Feierabend macht ...
Ein Mensch, der immer anlasslos überaus liebenswürdig und freundlich war, war Marlene Rose, die leider kürzlich verstorben ist. Wie viele ihrer kleinen kreativen selbst gemalten oder genähten Sachen in Spaichinger Häusern auch nach ihrem Tod immer wieder für ein Lächeln sorgen – man wird es kaum zählen können. Solche Nettigkeiten beleben uns.
Wir haben uns einmal umgehört, welche Erfahrungen bekannte und unbekannte Menschen aus Spaichingen und Umgebung so in Sachen „anlasslose Nettigkeiten“machen.
Cantahya Pauli,
Angestellte im Bioladen „Die Insel“, braucht überhaupt nicht überlegen: Erst zehn Minuten zuvor habe ihr eine Kundin erzählt, wie schwer sie an einer langen familiären Pflege trage, und da habe sie ihr spontan eine Schokoschnitte geschenkt. Überhaupt sei der Umgang im Laden immer nett. Die Mitarbeiterin begrüße sie mit einer Umarmung morgens, die Stimmung unter den Kunden sei sehr gut. „Ich sage immer: Das ist die Insel, weil es eben eine Insel ist.“
„Das machen wir eigentlich immer so, dass wir nett sind“, sagen Roswitha und Gerold Hagen, die gerade mit ihrem Enkel Emil auf dem Marktplatz unterwegs sind. „Das trägt auch positiv zum Lebensalltag bei.“– „Und es kommt ja auch zurück“, so Gerold Hagen. Und er erzählt, wie seine Frau einmal eine ihr unbekannte ältere Dame, die nicht mehr gut zu Fuß war, von der Apotheke mit dem Auto nach Hause gefahren hat. „Das macht man halt einfach in so einer Situation.“
Marion Neugebauer, die gerade aus Sachsen bei ihren Verwandten in Spaichingen zu Besuch ist, erinnert sich an folgende Situation: „Ich stand mal an einer Bushaltestelle. Da war auch ein junger Vater mit seinem Kind auf dem Arm und zwei Papiertüten voller Einkäufe. Da sind ihm die Taschen kaputt gegangen und er hat versucht, alles wieder einzusammeln und dabei sein Kind im Arm zu behalten. Da habe ich ihm einfach meine Stofftasche gegeben, die ich dabei hatte. Da war er doch sichtlich froh.“Später, als der junge Mann dann mit dem Bus davon gefahren ist, habe er ihr noch zugewunken.
Auch für Stefan Vollmer ist es selbstverständlich, dass er einfach so nett zu den Leuten ist: „Im Bahnhof in Tuttlingen ist häufig mal der Aufzug kaputt. Da stehen dann Frauen mit großen Koffern unten an der Treppe und wissen nicht, wie sie rauf kommen sollen. Dann helfe ich ihnen, trotz meinem Rollator.“Er habe aber auch viele Leute gesehen, die die Situation eigentlich auch mitbekommen haben sollten, aber auf Nachfrage erklärten, nichts gesehen zu haben. „Viele Leute sind so auf ihre Smartphones fixiert, dass sie gar nicht mehr sehen, wenn jemand Hilfe braucht“, meint er. „Mir selbst wird oft Hilfe angeboten, wenn ich mit dem Rollator in den Ringzug einsteige. Ich brauche zwar keine Hilfe, freue mich aber trotzdem, dass die Leute so nett zu mir sind.“
„Ich bin jemand, der dazu neigt, einfach nett zu sein zu den Leuten. Für mich fühlt sich das einfach richtig an“, sagt auch Michael M., der seinen vollen Namen nicht sagen will. „Ich muss aber hinzufügen, dass es nicht immer gut ankommt bei den Leuten.“Er erinnert sich, wie er vor ein paar Jahren bei seinem Nachbarn einfach so den Schnee mit geschippt hat. Der habe ihn dann verwundert gefragt, warum er das gemacht hat.
„Man wird schon misstrauisch angeschaut. Die Menschen denken manchmal, dass man Hintergedanken dabei hat. Aber das ist gar nicht der Fall. Es ist vielleicht auch ein kulturelle Sache“, vermutet Michael M., der als Banater Schwabe aus Rumänien kommt. „Bei uns war das so üblich: Man hat sich einfach gegenseitig geholfen, ohne Gegenleistung, einfach aus Mitgefühl und Nachbarschaftshilfe.“
Miriam Häring, Chefin der Anton Häring KG in Bubsheim, hat jüngst die Besenwirtschaft der Häring-Azubis beim Ringtreffen in Bubsheim besucht. Die strahlenden Gesichter hätten eine unwiderstehliche positive Stimmung verbreitet. „Es hat mich sehr gefreut zu sehen, wie sie sich für ihr Projekt einsetzten und die Gäste mit ihrer Freundlichkeit empfingen“. Ein ähnliches Gefühl der Verbundenheit, Freude und anlassloser Nettigkeit habe sie auch letzte Woche während der Fasnacht in ihrer Heimat erlebt. „Es war ein Wiedersehen mit vielen Bekannten, und wir haben uns ausgetauscht und gemeinsam viel Spaß gehabt.“Sie selbst versuche jeden Tag Freundlichkeit und Wertschätzung zu leben. Kleine Gesten machten einen großen Unterschied
im Zusammenleben und -arbeiten aus.
„Es gibt halt freundliche Menschen, die sind immer nett“, hat auch Rita Schilo festgestellt. „Eigentlich täglich erlebe ich das, dass man sich gegenseitig anlächelt oder grüßt, obwohl man sich gar nicht kennt. Vor allem in Spaichingen hier“, fügt sie noch hinzu.
Spaichingen hat tatsächlich den Ruf, besonders nette Menschen zu beherbergen. Manchmal kommen die aber auch aus einer Nachbargemeinde, so wie Gabi Stegmiller, bei deren strahlendem Lächeln man sofort gute Laune bekommt. Sie ist Friseurin bei „Upstyle“und sagt, dass sie eigentlich immer zu ihren Kunden und Kundinnen nett ist. Das bringt der Beruf, das ist aber auch ihre Art. Die Kundin, die sich gerade die Haare schön machen lässt, bestätigt: „Du bist immer nett zu den Kundinnen!“Selber nett behandelt? Leider ist ihr jüngst, als sie es besonders eilig hatte, eher das Gegenteil passiert. Jemand hatte „scheiße geparkt“an ihr Auto geklebt. Zuhause habe sie eine Nachbarin, die ihr immer den Mülleimer vorstellt. „Letzten Sommer hat sie mir sogar den Rasen gemäht!“Wenn das nicht nett ist!
„Ich muss gerade überlegen, weil so viele Leute nett zu einem sind“, findet auch Ulrike Schwarz. Etwa besonders nette Verkäuferinnen, die einen anlächeln. Überhaupt hat sie das Gefühl, dass die Leute zur Zeit, aus welchen Gründen auch immer – vielleicht liegt’s auch am warmen Wetter – besonders nett zueinander sind. „Es lächelt einen zur Zeit jeder an und wünscht einem einen guten Tag.“
Und dann verabschiedet sie sich vom Reporter mit den Worten: „Viel Erfolg wünsche ich noch – und viele nette Menschen!“