„Konjunkturprogramm für die Organisierte Kriminalität“
Polizisten und viele Politiker wollen Cannabisfreigabe verhindern – Entscheidung am 22. März im Bundesrat
- Es wird gerungen bis zum letzten Moment: Kommt das neue Cannabisgesetz (CanG) zum 1. April 2024, wie vom Bundestag beschlossen? Kommt es zum 1. Oktober, wie die niedersächsische SPD-Landesjustizministerin Kathrin Wahlmann fordert, die eine umfassende Korrektur des Gesetzes anmahnt. Kommt es gar nicht? Fakt ist: Am 22. März wird im Bundesrat der Vermittlungsausschuss angerufen. Dann entscheidet sich, wann (und ob) die ersten Joints in Deutschland legal konsumiert werden können.
Der Ravensburger Polizeipräsident Uwe Stürmer versucht bis zuletzt, auf Gefahren hinzuweisen. Stürmer sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Die Legalisierung führt zu einer Erhöhung des Angebots, einer größeren Verfügbarkeit und zu höherem Konsum. Auch das Problem des Fahrens unter Drogeneinf luss wird größer. Fahren und kiffen verträgt sich nicht.“
Stürmer betonte weiter aus Sicht der Polizei: „Wie das komplizierte Regelwerk kontrolliert werden soll, ist völlig offen. Der Gesetzentwurf erlaubt den legalen Erwerb von bis zu 25 Gramm Cannabis, unabhängig davon, ob es sich um legales Cannabis oder
Cannabis vom Schwarzmarkt handelt. Die legale Besitzgrenze von 25 Gramm Cannabis pro Person macht es ungleich schwerer, potentielle Rauschgifthändler von legalen Konsumenten zu unterscheiden.“
Wie Wahlmann pochen viele Justizminister der Länder auf ein späteres Inkrafttreten des Gesetzes, um eine Überlastung der Justiz zu verhindern. Das Gesetz sieht eine Art Amnestie vor, nach der Tausende Akten von Verfahren, die sich noch in der Vollstreckung befinden, überprüft werden müssten. Die bayerische Justiz klagt über massive Mehrarbeit. Allein schon die Staatsanwaltschaft München I zählt knapp 4000 bereits erledigte Verfahren, deren Akten noch einmal gesichtet werden müssen, wie Sprecherin Anne Leiding der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Setze man für jede Überprüfung nur zehn Minuten an, komme man auf 39.000 Minuten. Das entspricht 650 Stunden und damit nach Angaben der Behörden der Wochenarbeitszeit von 16 Arbeitskräften.
Weiterer Diskussionspunkt: Mit der geplanten Legalisierung von Cannabis verstoße Deutschland nach Ansicht der UnionsFraktionschefs gegen das Völkerund gegen das Europarecht. „Das Völkerrecht gestattet den Gebrauch von Cannabis nur zu wissenschaftlichen und medizinischen Zwecken in einem engen Sinne, nicht aber den kommerziellen Anbau und Handel“, heißt es im Entwurf einer Resolution, welche die Vorsitzenden der Fraktionen von CDU und CSU an diesem Sonntag bei einer Konferenz in Brüssel beschließen wollen.
Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die geplante Cannabis-Legalisierung derweil verteidigt und Kritik zurückgewiesen. „Ziel der Reform ist es, den Schwarzmarkt trockenzulegen. Dafür braucht es ein legales Angebot, das groß genug ist. Mit dem Ansatz ist es in Kanada gelungen, den Schwarzmarkt um mehr als 75 Prozent zu schrumpfen”, sagte der SPD-Politiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung” (NOZ). „Wenn jeder zum Beispiel nur fünf Gramm im Club oder Selbstanbau besitzen dürfte, könnten wir den Schwarzmarkt nicht trockenlegen.”
Stürmer hält Lauterbach entgegen: „Ist der Preis für Cannabis niedrig, dürfte sich der Schwarzmarkt zwar in Grenzen halten. Aber dann wird deutlich mehr gekifft. Cannabisanbauvereinigungen werden unter Einhaltung der gesetzlichen Auf lagen kaum in der Lage sein, Cannabis zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten, zumal beim illegalen Schwarzmarkt noch Potential für weitere Preissenkungen besteht. Ich fürchte, dass die Legalisierung am Ende zu einem Konjunkturprogramm für die Organisierte Kriminalität wird.“
Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert die geplante Cannabis-Legalisierung wegen der erhöhten Gesundheitsgefahr für Jugendliche. Nötig sei stattdessen der Ausbau von Therapieplätzen für junge Leute, die einen Weg aus der Cannabis-Abhängigkeit suchten, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt. Wer als Jugendlicher mit dem Konsum aufhören wolle, finde aktuell kaum einen Platz, um eine Therapie zu machen.