„Frauen waren nicht passiv“
Janine Maegraith, Referentin der wissenschaftlichen Tagung der Gesellschaft Oberschwaben, zur Spurensuche über die Rolle der Frau im Bauernkrieg
- „Akteure des Bauernkriegs im deutschen Südwesten“lautet der Titel einer dreitägigen wissenschaftlichen Tagung der Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur, die am Donnerstag, 7. März, in Bad Waldsee beginnt. Janine Maegraith referiert zum Thema „Wo waren die Frauen im Bauernkrieg? Eine Spurensuche nach der ,gemeinen’ und aufständischen Frau in Tirol und Südwestdeutschland“. Die „Schwäbische Zeitung“hat ihr dazu Fragen gestellt.
Frau Maegraith, über Frauen und ihre Rolle im Bauernkrieg ist bisher extrem wenig bekannt. Warum?
Das kann mehrere Gründe haben. Zum einen gab es erst wenige Untersuchungen seitens der Frauenund Geschlechtergeschichte und so hatte die Forschung zum Bauernkrieg lange eine recht männliche Perspektive. Zudem kann es am Fokus auf die Ereignisgeschichte „Bauernkrieg“liegen, anstatt sich dem gesellschaftlichen Wandel um 1525 zu widmen. Ein breiterer Fokus könnte aber automatisch auch breitere Bevölkerungsgruppen miteinbeziehen. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die kommende Konferenz den Blick auf die Akteure und Akteurinnen wirft. Schließlich sind die Quellen und die Quellenlage Teil des Problems: Sie sind, wie schon Peter Blickle bemerkte, „durchgängig herrschaftlicher Provenienz“und spiegeln deren Vorstellungen und Ziele wider. Namentlich werden damit meist nur Rädelsführer oder Verhörte genannt und die Großzahl der beteiligten Männer und auch Frauen bleiben somit ungenannt. Frauen im ländlichen Raum hatten kaum politische Rechte und konnten (fast nie) ihre Gemeinden vertreten. Daher vermuten Geschlechterhistorikerinnen wie Claudia Ulbrich, dass Frauen nicht im Fokus der Obrigkeiten lagen und so nur sporadisch in den Quellen vorkommen.
Weshalb widmen Sie sich diesem Thema?
Angeregt wurde ich durch ein Gespräch mit Edwin Ernst Weber, Kreisarchivar beim Landratsamt Sigmaringen, und das Thema hat schnell mein Interesse entfacht. Denn die bisherige Kritik seitens der Geschlechtergeschichte schränkt den Blick auch wieder ein. Sie geht davon aus, dass Frauen aufgrund ihrer schlechteren politischen und sozialen Stellung kaum handeln konnten. Stattdessen sehen sie mehr Potenzial in den Quellen, herauszufinden, warum Frauen nicht vorkommen und wie ihr Handeln beschrieben wird. Damit kritisieren sie vor allem die ältere Frauengeschichte, die zugegebenermaßen weniger Quellenkritik anwandte.
Ich komme aus der
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und sehe die Sache anders: Beide Seiten haben ihre Berechtigung – aber beide sind nicht genug. Es braucht den sozio-ökonomischen Rahmen, um das Handeln der Menschen im ländlichen Raum um 1525 zu ermitteln. Es bewegt sich gerade viel in der Forschung und wir wissen inzwischen mehr darüber, wie Frauen in Haushalten agierten und wie breit die Handlungsräume von Frauen waren, im Bereich Arbeit, Märkte, Kreditwesen und Verwandtschaft. Frauen waren nicht passiv, sondern sie waren am Aushandeln ihres Vermögens, ihrer Arbeit und ihrer Nutzungsrechte beteiligt. Wenn wir uns von dieser
Seite aus dem Geschehen um 1525 nähern, dann verstehen wir vielleicht auch mehr über eine mögliche weibliche Beteiligung an den Unruhen.
Wo haben Sie recherchiert? Auf welche Quellen stützen Sie sich?
Für den sozio-ökonomischen Rahmen stütze ich mich auf Quellen aus dem südlichen Tirol (die Verfachbücher im Südtiroler Landesarchiv in Bozen) und aus Gutenzell beispielhaft für Oberschwaben. Beides sind meine eigentlichen Forschungsgebiete. Zum Thema „Bauernkrieg“stehe ich noch am Anfang meiner Recherche. Für das Stift Brixen konnte ich die Akten im Staatsarchiv Bozen einsehen und für Südwestdeutschland eine erste Sichtung der Bestände im Hauptstaatsarchiv vornehmen. Hinzu kommen die klassischen edierten Quellen, darunter Franz Ludwig Baumann (Hg.), Quellen zur Geschichte des
Bauernkriegs in Oberschwaben (Tübingen 1876), und dessen Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (Tübingen 1878) oder das Urkundenbuch der Stadt Heilbronn in den Württembergischen Geschichtsquellen – und natürlich die Forschungsliteratur.
Was haben Sie herausgefunden?
Ohne der Konferenz vorzugreifen kann ich sagen, dass es doch einige Hinweise auf eine aktive Beteiligung von Frauen gibt, und zwar in verschiedenen Bereichen: bei der Vorbereitung, bei Aktionen wie Plünderungen, aber auch im Bereich der Information. Frauen organisierten sich, setzten sich als Bittstellerinnen für ihre Männer ein oder gingen mit ihnen ins Exil. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich Ehepaare immer einig waren. Angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage ist es nicht verwunderlich, dass Frauen sich auch für die Forderungen von 1525 einsetzten.
Was weiß man über diese Frauen? Wie kann man sie charakterisieren?
Ich konzentriere mich auf die bäuerlichen/ländlichen Frauen. Die Quellenlage lässt hierbei kaum genaue Aussagen zu den Frauen zu. Von manchen kann man sagen, dass sie aus prekären Situationen kamen, zum Beispiel Frauen von Tagelöhnern. Aber meist ist eine Charakterisierung aufgrund der tendenziösen Sprache der Quellen nicht möglich. Sie wurden durch die Linse der Obrigkeiten beschrieben und bewertet und oftmals nur als unspezifische Gruppe von Frauen.
Erwarten Sie weitere Erkenntnisse?
Ein erster Versuch, den sozio-ökonomischen Rahmen in die Recherche der Zeit um 1525 einzubauen und mit der geschlechtshistorischen Methode zu verbinden, war vielversprechend. Ich würde gerne meine Recherchen in den Archiven Oberschwabens fortsetzen (für Tirol ist dies schon geplant) und hoffe, dass ich auch andere anregen kann, in diese Richtung weiterzuforschen. Ich bin sicher, dass wir mit dieser breiteren Perspektive noch mehr herausfinden können.