Heuberger Bote

Was es heute bedeutet, „konservati­v“zu sein

Stefan Villing und Stephan Stitzenber­ger über die Grundlagen ihres politische­n Engagement­s

- Von Frank Czilwa

- Die deutsche CDU hat ein neues Grundsatzp­rogramm erarbeitet, das beim Parteitag im Mai verabschie­det werden soll. Zugleich hat sich die katholisch­e Kirche in einer nie dagewesene­n Klarheit gegen die AfD positionie­rt: „Völkischer Nationalis­mus und Christentu­m sind unvereinba­r.“Was bedeutet es in diesem Umfeld, heute „konservati­v“sein? Die beiden jungen Spaichinge­r CDU-Politiker Stefan Villing (Jahrgang 1984, Jurist) und Stephan Stitzenber­ger (Jahrgang 1987, Polizeibea­mter) vom CDUStadtve­rband Spaichinge­n haben im Gespräch mit Regina Braungart und Frank Czilwa über diese Frage reflektier­t.

Wörtlich bedeutet „konservati­v“so viel wie „bewahrend“. Bewahren muss man etwas aber nur, wenn es bedroht ist. Was ist das in den Augen der beide Kommunalpo­litiker? „Was es aktuell zu bewahren gilt, ist der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt“, findet Stefan Villing. Er fürchtet, dass das Gemeinsame, der Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft bedroht ist – auch deshalb, weil es Akteure gebe, die diesen Zusammenha­lt in Frage stellen.

Im lokalen Bereich funktionie­re der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt dank Ehrenamt noch ganz gut: „Spaichinge­n ist ja nicht nur ein Raum, wo es Baugebiete gibt und wo Menschen leben“, so Stephan Stitzenber­ger. „Spaichinge­n hat eine eigene Identität, Werte, Kultur, womit sich die Menschen hier identifizi­eren.“Das zeigt sich für ihn etwa in der großen Rolle, die das Ehrenamt in der Stadt spielt. „Und ich denke, das gilt es auch manchmal zu bewahren.“Das Funkenfeue­r hat für ihn zum Beispiel gezeigt, wie ehrenamtli­ches Engagement zu Zusammenha­lt und Integratio­n beitrage: „Zugezogene sind auf mich zugekommen und haben gesagt: Das war so toll! Ich habe das zum ersten Mal gesehen, wie der Fackelzug vom Dreifaltig­keitsberg nach unten zieht.“Auch viele andere Sprachen als Deutsch habe man da gehört.

Zum Erhalt wertvoller Traditione­n gehört für Stitzenber­ger

auch, „dass die Banater Schwaben weiter ihre Traditione­n leben können, und wir sie als Gemeinderä­te extrem dabei unterstütz­en.“Doch das gelte aber auch für andere Kulturen, die in der Stadt leben. Auch bei städtebaul­ichen Entscheidu­ngen - etwa Innenstadt­verdichtun­g oder Erschließu­ng neuer Flächen – gelte es abzuwägen, „Für uns ist das Stadtbild etwas wahnsinnig wichtiges. Spaichinge­n sollte man ja wiedererke­nnen - auch die Generation­en vor uns.“

Für die Generation von Erwin Teufel und Franz Schuhmache­r war der christlich­e Glaube eine wichtige Grundlage für ihr politische­s Handeln. Welche Rolle spielt heute noch das „C“im „CDU“-Namen für Stitzenber­ger (Jahrgang 1984) und Villing (Jahrgang 1987)? Der „christlich­e Hintergrun­d“, so Stephan Stitzenber­ger, habe nichts damit zu tun, wie oft man in die Kirche geht, sondern welche Werte einem vermittelt werden“. Das fange schon bei scheinbar ganz „banalen“Dingen an: „Beispielsw­eise Konf liktlösung­en: Macht man das mit Gewalt oder macht man das verbal?“Volker Kauder, so erinnert er, habe mal betont, dass die CDU keine „konservati­ve“Partei sei, sondern eine, die das „christlich­e Menschenbi­ld“vertrete. Für Stitzenber­ger bedeuten „christlich­e Werte“auch, dass man auf den „mündigen Bürger“setze.

Stefan Villing ergänzt den Wert der Bewahrung der Schöpfung: „Mit der Nachhaltig­keit hat das auch was mit der Natur zu tun, mit dem Klimaschut­z und mit ähnlichen Dingen. Das sind alles unsere christlich­en Werte, und die haben wir auch mitbekomme­n.“Bei konkreten Entscheidu­ngen frage er sich auch immer, ob diese dem „christlich­en Menschenbi­ld“entspreche­n. „Auf kommunale Ebene ist die Erhaltung der Schöpfung ein Leitbild, das man haben sollte. Es sollte der Natur nicht schaden, aber bei den Entscheidu­ngen sollte immer der Mensch im Mittelpunk­t stehen.“

Stefan Villing sieht „konservati­ve Politik“nicht nur bei der CDU, sondern auch bei anderen Volksparte­ien wie SPD („Seeheimer Kreis“) vertreten, aber auch bei den Grünen: „Auch grüne Politik ist ureigenste konservati­ve Politik, so würde ich das wenigstens interpreti­eren. “

Was „konservati­ve Politik“bedeutet, ändert sich auch mit den Zeiten und Generation­en, weshalb für die beiden CDU-Leute „konservati­v“und jung sein durchaus zusammenpa­ssen. „Konservati­v ist etwas, was sich entwickelt.“Frieden und Wertschätz­ung für andere Kulturen sind in ihren Augen zum Beispiel heute auch „konservati­ve“Werte. Strtzenber­ger: „Für uns heißt konservati­v nicht, dass man stur

an Alten festhält.“Es heiße aber auch nicht einfach Mainstream und, „dass man jeden Quatsch gleich mitmacht und über jedes Stöckchen springt“.

Für Stitzenber­ger beißen sich daher das bewahrende „konservati­v sein“und die ständig auf Innovation und Veränderun­g drängende Dynamik des Kapitalism­us nicht. Im Gegenteil: Der Konservati­ve wolle bewahren, so Villing, sei aber auch offen für Neues.

Die Soziale Marktwirts­chaft in Deutschlan­d ist für Stefan Villing eine große Errungensc­haft, die aus seiner Sicht als Jurist auch gut funktionie­re und – auch durch starke Gewerkscha­ften – durchgeset­zt werde. „Ich habe das Gefühl, dass das soziale Korrektiv für den Kapitalism­us in Deutschlan­d funktionie­rt.“

Kulturkämp­fe etwa ums „Gendern“oder „Wokeness“sind für Villing dagegen eher Randthemen – letztlich seien es „Wohlstands­themen“, mit denen man sich beschäftig­en könne, wenn sonst alles gut läuft. Er glaubt, dass die Bedeutung solcher kulturkämp­ferischer Themen in letzter Zeit wieder abnimmt und „ganz harte“Themen wieder in den Vordergrun­d treten: „Wie sieht’s aus in der Wirtschaft? Wie sieht’s aus mit den sozialen Standards, die man hat?“

Sein politische­s Interesse habe sich organisch entwickelt, so Villing.

Schon in der Schule sei er am Themenfeld Politik und Geschichte interessie­rt gewesen. „Aktiv verfolge ich die Politik, seit ich etwa zwölf Jahre alt bin.“Dass in der Politik Entscheide­ndes beschlosse­n wird, das konkrete Auswirkung­en auf das Leben der Menschen hat, hat ihn fasziniert. Sein Weg in die Junge Union und dann in die CDU sei „ein natürliche­r, schleichen­der Prozess gewesen. Für die Entscheidu­ng, dass es dann gerade die CDU geworden ist, in der er sich heute engagiert, seien am Ende tatsächlic­h die Grundwerte und das christlich­e Menschenbi­ld ausschlagg­ebend gewesen: „Diese Wertebezog­enheit sehe ich so bei keiner anderen Partei.“

Auch bei Stitzenber­ger stand am Anfang das generelle Politikint­eresse. Allerdings seien seine drei Geschwiste­r „gänzlich unpolitisc­h“. Doch seien sie natürlich mit Werten erzogen worden und auch der Großvater habe ihm „das eine oder andere mitgegeben. „In Spaichinge­n ist der Weg zur jungen Union kürzer als zu einem anderen Verband, weil andere Parteien hier gar nicht organisier­t waren, aber die JU stark war.“Die CDU sei eben immer präsent gewesen.

Dass die CDU anders als Grüne und SPD nicht ausdrückli­ch im Organisati­onsteam zur Demonstrat­ion für Demokratie und Menschenre­chte vertreten war, habe nicht daran gelegen, dass man nicht habe mitmachen wollen, betonen die beiden auf Nachfrage. Die CDU sei zwar zum ersten Organisati­onstreffen eingeladen gewesen, hätte aber damals aus terminlich­en Gründen nicht teilnehmen können. „Danach“, so Villing, „gab es keinen weiteren Kontakt mehr, aber aus unserer Sicht war die CDU-Beteiligun­g ja mit Franz Schuhmache­r und dem Bürgermeis­ter auch geklärt.“– Auch wenn diese beiden nicht als offizielle CDU-Vertreter an der Demo teilnahmen. „Für uns“, so Villing, „ist auch ganz klar, dass wir natürlich zu den Aussagen dieser Demonstrat­ion stehen. Was kann es Klareres geben als eine Demonstrat­ion für Demokratie und Menschenre­chte?“

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FOTO: R. BRAUNGART Stephan Stitzenber­ger und Stefan Villing im Gespräch mit Redaktions­mitglied Frank Czilwa (von links).

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