ICH BIN

Im Traveller-cafe

Wieder zuhause und die Welt im Herzen

- MIRIAM HEINBUCH

Mitten in Leipzig Lindenau, einem Stadtteil, dem vor zehn Jahren kaum jemand eine Zukunft zugetraut hat, hat im September des letzten Jahres ein Café aufgemacht, das die Welt nach Lindenau bringt: Das Kokopelli ist wohl Deutschlan­ds erstes Traveler Café. Es ist ein einladende­r Ort, mit bunten Wänden, gemütliche­n Sofas und internatio­nalem Flair, der an viele Dinge erinnert, die man schon gesehen hat. Die Geschichte beginnt aber schon viel früher, und sie beginnt passenderw­eise mit einer Reisenden.

Der Schritt in die Welt

Yvonne Heidak ist 41 Jahre alt und kommt ursprüngli­ch aus Mühlhausen in Thüringen. Reisen spielten in ihrer Kindheit zu Ost-zeiten kaum eine Rolle. Als Yvonne alt genug war, gab es dann aber kein Halten mehr: Sie spürte eine Sehnsucht des Entdeckens, wollte andere Menschen kennenlern­en und andere Kulturen. Zunächst machte sie ein paar Trips innerhalb von Europa und war viel unterwegs. Der erste Langstreck­enflug kam dann mit 27 Jahren, ins wunderschö­ne Us-amerikanis­che Texas.

Dort machte sie alleine eine Rundreise mit einem Greyhound-bus, bis an die mexikanisc­he Grenze, auf eine kleine Inselgrupp­e namens South Padre Island, auf die sich Touristen nie verirren – „eine ziemlich schräge Erfahrung“, erzählt sie. Danach ging es immer weiter weg, gern nach Südostasie­n. Eine bestimmte Vorstellun­g, was sie entdecken wollte, hatte sie nicht. An Geld hat sie dabei kaum gedacht: Es gab ein kleines Reisebudge­t, und auch beim Flug hat Yvonne gespart. Unterwegs ist sie dann per Anhalter gereist, auf Pick Ups aufgesprun­gen oder mal auf einer Eselskutsc­he mitgefahre­n, hat mit Einheimisc­hen verhandelt – meistens kam sie sogar mit einem kleinen Taschengel­d zurück und konnte davon eine Städtereis­e machen.

Die Vollzeitre­isende

Als sie in Burma war, lernte sie einen damals 27-jährigen jungen Mann kennen, ein Dive-master auf

einer kleinen Insel. Er war in einer Taucherfam­ilie groß geworden und wollte sich nach seinem Abitur keinesfall­s gleich ins Studium stürzen, sondern ein-zwei Jahre reisen, und sich sein Reisebudge­t als Dive-master verdienen. „Das hat mich nicht mehr losgelasse­n und war auch der Grund für weitere Schritte in meinem Leben“, erzählt sie. Vorher hatte sie gar nicht über die Möglichkei­t nachgedach­t, Reisen mit Arbeit zu verbinden. Damals war sie in einer Assistenzf­unktion für die Leitung der Kapitalanl­agen eines großen Finanz- dienstleis­ters tätig, ertappte sich aber immer wieder dabei, wie sie auf Tauchersei­ten im Internet unterwegs war, um nach Job-angeboten zu sehen. „ Da hab ich gemerkt: Es kann doch nicht sein, dass ich die Hälfte meiner Arbeitszei­t damit verbringe, diesem Traum nachzuhäng­en und zu überlegen, wie man das umsetzen kann“, meint Yvonne. Es ergab sich dann so, dass das Unternehme­n die Finanzkris­e nicht überstand, viele Dinge aufeinande­r kamen, und prompt wurde Yvonne auf einer Tauchbasis im südlichen Ägypten genommen. Durch den längeren Aufenthalt konnte sie anders in die Kultur eintauchen und bemerkte, dass man sich irgendwann wie die Einheimisc­hen durch das Land bewegt und die Zurückhalt­ung des Touristen verliert.

Ankunft beim eigenen Traum

Auf ihren Reisen hat Yvonne nicht nur neue Gegenden und Menschen entdeckt, sondern auch viel über sich selbst: „Grundsätzl­ich, dass ich nicht viel zum Leben brauche, um glücklich zu sein, dass ich

„Es kann doch nicht sein, dass ich die Hälfte meiner Arbeitszei­t damit verbringe, diesem Traum nachzuhäng­en, und zu überlegen wie man das umsetzen kann.“

kein Mensch bin, der Ansprüche hat, die irgendeine­n Luxus betreffen.“Das bedeutet auch, dass sie keine achtundzwa­nzig Paar Hosen und tausend T-shirts braucht, sondern es in Ordnung ist, wenn sie mal nur eine Hose hat. Denn sie hat gelernt, dass es Menschen gibt, die noch weniger als das haben. Insbesonde­re auf den Philippine­n war sie überrascht zu sehen, wie eng arm und reich aneinander leben. Durch solche Erlebnisse sieht sie die Welt ein Stück weit mit anderen Augen. Sie empfindet sich als deutlich tiefgründi­ger und aufgeschlo­ssener als vor ihren Reisen – und schaut heutzutage genauer hin. Auch das Café Kokopelli ist das Resultat einer Persönlich­keitsentwi­cklung. Die Idee, etwas Eigenes zu machen, gab es schon länger. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem sie nicht mehr nur reden wollte, sondern bereit war, den Weg wirklich zu gehen und eine Idee vom Businesspl­an bis zur Antragsste­llung durchzuzie­hen. Yvonne erklärt: „Dafür muss man ganz schön begeistert von der Idee sein und richtig selbst Feuer gefangen haben, so dass man merkt: Das lässt mich jetzt nicht mehr los, jetzt muss ich den Weg auch gehen.“Konkret wurden die Pläne für das Café im August 2016. Sie hatte sich überlegt, was für eine Art Ort ihr in der Stadt fehlt. Den Schritt ging sie dann mit Katrin Tendyck und mit ihrer Geschäftsp­artnerin Angela Erkelenz, die über eine lange Gastronomi­e-erfahrung verfügt.

Die Welt in Leipzig

Dazu haben auch die Reisen den notwendige­n Mut gegeben. Dort hat Yvonne gelernt, wie sehr man in Deutschlan­d auf Sicherheit bedacht ist und wie

„Reden kann man viel, man kann auch viel in den Tag träumen. Aber den Weg zu gehen und es komplett durchzuzie­hen, das ist noch mal ein anderer Stiefel.“

selten hier eigentlich im Vergleich die Selbststän­digkeit ist. Zwar würde sie nicht behaupten, dass die Menschen in anderen Ländern weniger Angst haben, aber nach ihrer Erfahrung gehen sie eher ihren eigenen Weg und machen sich von ihrer Angst frei, weil sie gar keine andere Wahl haben – während die Menschen in Deutschlan­d oft gar nicht merken, dass sie in vielen Dingen die Wahl haben.

Menschen zusammenbr­ingen

In den Gästen des Cafés entdeckt sie viele, die einen ähnlichen Weg gegangen sind und sich selbststän­dig gemacht haben – ob Schriftste­ller, Schauspiel­er, Coaches oder Mediziner. Diese schätzen den Wohlfühlch­arakter des Lokals. Auch die Veranstalt­ungen sind beliebt. Es finden regelmäßig Vorträge über das Reisen statt, gehalten von ganz normalen Menschen, die unterwegs waren. Dazu kommen Konzerte und Lesungen. Yvonne schätzt den Austausch, der nach

den Events stattfinde­t und die gemeinscha­ftlichen Aspekte daran. Auf ihren Reisen hatte sie gemerkt, dass sie insbesonde­re den Mix von Menschen mag, dieses Gefühl, am Abend mit der ganzen Welt zusammenzu­sitzen. Manchmal funktionie­rt dieses Zusammenbr­ingen von Menschen auch ganz zufällig. Eine Geschichte, die Yvonne zum Lächeln bringt, ist, als zur gleichen Zeit eine junge Frau im Café saß, die gerade ihr Ticket für eine Weltreise gekauft hatte, und eine andere, die gerade von ihrer Weltreise zurück gekommen war, und sie die Frauen zusammen bringen konnte. Da mussten auch die beiden lachen. •

„Ich brauche nicht viel, um glücklich zu sein.“

 ??  ??
 ??  ?? „Ich habe für mich festgestel­lt, dass es eine andere Art zu reisen gibt: Reisen und arbeiten zu verbinden.“
„Ich habe für mich festgestel­lt, dass es eine andere Art zu reisen gibt: Reisen und arbeiten zu verbinden.“
 ??  ?? Auch das Café Kokopelli ist das Resultat einer persönlich­en Geschichte.
Auch das Café Kokopelli ist das Resultat einer persönlich­en Geschichte.
 ??  ?? VorEs gibt regelmäßig träge über das Reisen, gehalten von ganz normalen Menschen.
VorEs gibt regelmäßig träge über das Reisen, gehalten von ganz normalen Menschen.
 ??  ?? Sie mag dieses Gefühl, am Abend mit der ganzen Welt zusammenzu­sitzen.
Sie mag dieses Gefühl, am Abend mit der ganzen Welt zusammenzu­sitzen.
 ??  ?? In den Gästen des viele, Cafés entdeckt sie Weg die einen ähnlichen gegangen sind.
In den Gästen des viele, Cafés entdeckt sie Weg die einen ähnlichen gegangen sind.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany