Was ein Aufsichtsrat an Geld erhält
Knapp 351 000 Euro bezahlen die Dax-Konzerne im Schnitt ihren Top-Kontrolleuren in diesem Jahr. Das sind gut zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Und wer steht an der Spitze?
Sie sitzen an den Schalthebeln der deutschen Wirtschaft, ihre Verantwortung hat stark zugenommen. Doch die Zeiten üppiger Vergütungserhöhungen für Aufsichtsräte sind vorerst vorbei. Im laufenden Jahr müssen sich die Chefaufseher der Großkonzerne einer Berechnung von Towers Watson zufolge mit einem Plus von 2,1 Prozent begnügen. Zum Vergleich: Löhne und Gehälter in Deutschland werden nach einer Prognose der Frankfurter Unternehmensberatung im laufenden Jahr voraussichtlich um 2,9 Prozent zulegen.
Auch zu den Vorjahren müssen sich die Aufsichtsratsvorsitzenden der Dax-Konzerne geradezu in Bescheidenheit üben. Denn im Schnitt der vergangenen neun Jahre kletterten ihre Vergütungen jährlich um acht Prozent, 2014 immerhin noch um vier Prozent. Acht Oberkontrolleure müssen im laufenden Jahr eine Nullrunde hinnehmen, sechs weitere bekommen sogar weniger als 2014. „Der langsamere Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass immer mehr Unternehmen auf eine reine Festvergütung umstellen“, erklärt Experte Helmuth L. Uder von Watson. Das ordentliche Plus der Vorjahre wertet er zudem als „Nachholeffekt“: „Die Vergütungen sind jetzt auf einem sinnvollen Niveau.“Er rechne auch in den kommenden Jahren nur mit Zuwächsen etwa in Höhe der Inflation.
Nach der Towers-Watson-Hochrechnung bekommen die Aufsichtsratschefs von 29 Dax-Unternehmen 2015 im Durchschnitt 350800 Euro nach 343500 Euro im Vorjahr. Nicht einberechnet ist in beiden Jahren der Autobauer Volkswagen. Das drückt den Schnitt erheblich. Denn im Vorjahr war der damalige VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch mit fast 1,5 Millionen Euro der absolute Top-Verdiener unter den Oberaufsehern der Großkonzerne. Doch nach einem Machtkampf mit dem damaligen Vorstandschef Martin Winterkorn trat der frühere VW-Patriarch Piëch Ende April zurück. Zu seinem Nachfolger wurde gestern der bis- herige VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch gewählt. Daher führt nun Deutsche-Bank-Chefaufseher Paul Achleitner die Riege an: Seine Arbeit wird nach der Prognose 2015 mit 808000 Euro vergütet. Auf den Plätzen folgen Siemens-Chefaufseher Gerhard Cromme (608 000 Euro) und Norbert Reithofer von BMW (563700 Euro). Über dem Schnitt liegt auch die einzige Frau unter den obersten Kontrolleuren, Henkel-Aufsichtsratschefin Simone Bagel-Trah. Schlusslicht bleibt mit 97800 Euro Merck-Kontrolleur Wolfgang Büchele.
Dass inzwischen 17 (Vorjahr: 15) der 30 Dax-Konzerne ihren Chefaufsehern ausschließlich fixe Vergütungen auszahlen und damit auf erfolgsabhängige Entlohnung verzichten, stößt bei Towers Watson auf Kritik. „Aufsichtsräte vertreten die Interessen der Aktionäre und sind für den nachhaltigen und langfristigen Erfolg der Unternehmen verTowers antwortlich“, betont Uder. „Deshalb empfehlen wir, neben einem festen Vergütungsanteil auch langfristige Elemente anzuwenden.“Hingegen begrüßt die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) den Trend zur Festvergütung. Doch sind die Kontrolleure ihr Geld überhaupt wert? „Es ist in der Regel sehr schwer zu messen, was ist ein guter Aufsichtsrat, was ist ein schlechter Aufsichtsrat“, sagt die stellvertretende DSWHauptgeschäftsführerin Jella Benner-Heinacher. „Die Deutsche Bank ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein Aufsichtsratsvorsitz heute nicht mehr nebenher gemacht werden kann.“
Die Anforderungen an die Aufsichtsräte hätten insgesamt deutlich zugenommen. Zudem wird die Arbeit der Kontrolleure zunehmend kritisch beäugt. Fehlen Aufsichtsräte deutscher Unternehmen sehr häufig bei Sitzungen, soll das künftig veröffentlicht werden. Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex verschärfte die Regeln für gute Unternehmensführung im Frühjahr.