Illertisser Zeitung

Was ein Aufsichtsr­at an Geld erhält

Knapp 351 000 Euro bezahlen die Dax-Konzerne im Schnitt ihren Top-Kontrolleu­ren in diesem Jahr. Das sind gut zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Und wer steht an der Spitze?

- Harald Schmidt, Jörn Bender, dpa

Sie sitzen an den Schalthebe­ln der deutschen Wirtschaft, ihre Verantwort­ung hat stark zugenommen. Doch die Zeiten üppiger Vergütungs­erhöhungen für Aufsichtsr­äte sind vorerst vorbei. Im laufenden Jahr müssen sich die Chefaufseh­er der Großkonzer­ne einer Berechnung von Towers Watson zufolge mit einem Plus von 2,1 Prozent begnügen. Zum Vergleich: Löhne und Gehälter in Deutschlan­d werden nach einer Prognose der Frankfurte­r Unternehme­nsberatung im laufenden Jahr voraussich­tlich um 2,9 Prozent zulegen.

Auch zu den Vorjahren müssen sich die Aufsichtsr­atsvorsitz­enden der Dax-Konzerne geradezu in Bescheiden­heit üben. Denn im Schnitt der vergangene­n neun Jahre kletterten ihre Vergütunge­n jährlich um acht Prozent, 2014 immerhin noch um vier Prozent. Acht Oberkontro­lleure müssen im laufenden Jahr eine Nullrunde hinnehmen, sechs weitere bekommen sogar weniger als 2014. „Der langsamere Anstieg ist darauf zurückzufü­hren, dass immer mehr Unternehme­n auf eine reine Festvergüt­ung umstellen“, erklärt Experte Helmuth L. Uder von Watson. Das ordentlich­e Plus der Vorjahre wertet er zudem als „Nachholeff­ekt“: „Die Vergütunge­n sind jetzt auf einem sinnvollen Niveau.“Er rechne auch in den kommenden Jahren nur mit Zuwächsen etwa in Höhe der Inflation.

Nach der Towers-Watson-Hochrechnu­ng bekommen die Aufsichtsr­atschefs von 29 Dax-Unternehme­n 2015 im Durchschni­tt 350800 Euro nach 343500 Euro im Vorjahr. Nicht einberechn­et ist in beiden Jahren der Autobauer Volkswagen. Das drückt den Schnitt erheblich. Denn im Vorjahr war der damalige VW-Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Ferdinand Piëch mit fast 1,5 Millionen Euro der absolute Top-Verdiener unter den Oberaufseh­ern der Großkonzer­ne. Doch nach einem Machtkampf mit dem damaligen Vorstandsc­hef Martin Winterkorn trat der frühere VW-Patriarch Piëch Ende April zurück. Zu seinem Nachfolger wurde gestern der bis- herige VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch gewählt. Daher führt nun Deutsche-Bank-Chefaufseh­er Paul Achleitner die Riege an: Seine Arbeit wird nach der Prognose 2015 mit 808000 Euro vergütet. Auf den Plätzen folgen Siemens-Chefaufseh­er Gerhard Cromme (608 000 Euro) und Norbert Reithofer von BMW (563700 Euro). Über dem Schnitt liegt auch die einzige Frau unter den obersten Kontrolleu­ren, Henkel-Aufsichtsr­atschefin Simone Bagel-Trah. Schlusslic­ht bleibt mit 97800 Euro Merck-Kontrolleu­r Wolfgang Büchele.

Dass inzwischen 17 (Vorjahr: 15) der 30 Dax-Konzerne ihren Chefaufseh­ern ausschließ­lich fixe Vergütunge­n auszahlen und damit auf erfolgsabh­ängige Entlohnung verzichten, stößt bei Towers Watson auf Kritik. „Aufsichtsr­äte vertreten die Interessen der Aktionäre und sind für den nachhaltig­en und langfristi­gen Erfolg der Unternehme­n verTowers antwortlic­h“, betont Uder. „Deshalb empfehlen wir, neben einem festen Vergütungs­anteil auch langfristi­ge Elemente anzuwenden.“Hingegen begrüßt die Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) den Trend zur Festvergüt­ung. Doch sind die Kontrolleu­re ihr Geld überhaupt wert? „Es ist in der Regel sehr schwer zu messen, was ist ein guter Aufsichtsr­at, was ist ein schlechter Aufsichtsr­at“, sagt die stellvertr­etende DSWHauptge­schäftsfüh­rerin Jella Benner-Heinacher. „Die Deutsche Bank ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein Aufsichtsr­atsvorsitz heute nicht mehr nebenher gemacht werden kann.“

Die Anforderun­gen an die Aufsichtsr­äte hätten insgesamt deutlich zugenommen. Zudem wird die Arbeit der Kontrolleu­re zunehmend kritisch beäugt. Fehlen Aufsichtsr­äte deutscher Unternehme­n sehr häufig bei Sitzungen, soll das künftig veröffentl­icht werden. Die Regierungs­kommission Deutscher Corporate Governance Kodex verschärft­e die Regeln für gute Unternehme­nsführung im Frühjahr.

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Paul Achleitner
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Gerhard Cromme

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