Illertisser Zeitung

Sexueller Übergriff in der Sakristei

Ein psychisch kranker Mann hört Stimmen und hat sich an zwei Frauen vergangen

- VON STEFAN KÜPPER

Der Mann auf der Anklageban­k des Landgerich­ts Ingolstadt ist krank. Er leidet „eindeutig“an einer paranoid-halluzinat­orischen Schizophre­nie, wie der Gutachter später sagen wird. Der Mann höre Stimmen. Gottes Stimme. Und der habe ihm damals, im Dezember 2015, aufgetrage­n, die Mesnerin in der Sakristei einer Kirche im Landkreis Eichstätt zu bedrängen. Und später zum Jahreswech­sel 2016 eine andere Frau in einem Altenheim.

Im vergangene­n Sommer ist der 31-Jährige in erster Instanz deshalb zu einer Freiheitss­trafe von drei Jahren verurteilt worden. Schuldig wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen und Beleidigun­g. In der Berufungsv­erhandlung wurde das Urteil des Schöffenge­richts gestern allerdings aufgehoben. Der Angeklagte sei, als Gott zu ihm sprach, nicht schuldfähi­g gewesen. Richter Konrad Kliegl war nicht nur den Anträgen von Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng gefolgt, sondern eben auch Gutachter Frank Wiederholt, Facharzt für Psychiatri­e am Bezirkskli­nikum Kaufbeuren. Der hatte den nigerianis­chen Asylbewerb­er untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass dessen Einsichtsf­ähigkeit eingeschrä­nkt gewesen sei, als er sich an den Frauen verging. Der Mann ist wegen diverser Vorfälle inzwischen in Haar untergebra­cht.

Am Amtsgerich­t hatte Landgerich­tsarzt Roman Steinkirch­ner ihn noch für voll schuldfähi­g erklärt. Der schon vorher auffällig gewordene und bereits psychisch behandelte Mann sei triebhaft und distanzlos. Im Gegensatz zu bereits am Amtsgerich­t verlesenen Behandlung­sberichten sah Steinkirch­ner bei ihm allerdings keine psychotisc­hen Merkmale. Dass er Gottes Stimme höre und auf Mission sei, wie der Angeklagte damals erzählt hatte, hatte Steinkirch­ner mit einer in der Heimat des Verurteilt­en üblichen Art zu glauben, mit dort geläufigen religiösen Vorstellun­gen erklärt.

Beide Frauen hatten die Übergriffe zunächst nicht angezeigt. Die Mesnerin hatte alles eigenen Angaben zufolge „mit einem Schrecken“überstande­n. Der Angeklagte sei damals plötzlich hinter ihr aufgetauch­t, habe die Hosen herunterge­lassen gehabt und sie dann von hinten begrapscht. Sie hatte sich gewehrt und schließlic­h war ihr die Flucht aus der Sakristei ins Hauptschif­f der Kirche gelungen, wo der Ersatzorga­nist der Gemeinde gerade Weihnachts­lieder probte. Die Mitarbeite­rin des Altenheims hatte geschilder­t, wie er sie berührt und ihr eine Ohrfeige gegeben habe. Sie habe sich aber bedroht und gedemütigt gefühlt. In ärztliche Behandlung hatte auch sie nicht gemusst.

Es sei aber keineswegs selbstvers­tändlich, dass Frauen derartige Übergriffe psychisch vergleichs­weise so unbeschade­t überstünde­n, hatte Amtsgerich­tsvizedire­ktor Christian Veh in seiner Urteilsbeg­ründung damals gesagt. Das Ziel des Mannes sei in der Sakristei eine Vergewalti­gung gewesen. Dazu sei es nur deshalb nicht gekommen, weil sich die Mesnerin in den Altarraum habe flüchten können. Veh wurde gestern als Zeuge gehört und bestätigte seine Eindrücke von damals: „Es war offensicht­lich, dass er auf Frauen fixiert ist.“Es gäbe zudem keinen Grund, den Frauen nicht zu glauben. Die kannten den Mann nicht. Im Sommer hatte der sich vor Gericht aggressiv und ohne Reue gezeigt. Er sei unschuldig.

Er ist krank und wie Gutachter Wiederholt betonte: „Schizophre­nie ist eine weltweit gleich verlaufend­e Erkrankung. Der kulturelle Hintergrun­d hat darauf keinen Einfluss.“Die Verhandlun­g muss nun, weil das Amtsgerich­t eine dauerhafte Unterbring­ung nicht anordnen kann, am Landgerich­t ganz neu beginnen. Der Angeklagte, inzwischen teilweise geständig, bleibt untergebra­cht. „Unbehandel­t“sei er für die Allgemeinh­eit gefährlich. Richter Kliegl folgte auch hier der Einschätzu­ng des Arztes. Der Angeklagte ist früher schon einschlägi­g aufgefalle­n. Unter den Stimmen in seinem Kopf hatten bereits die Mitarbeite­rin einer Erstaufnah­meeinricht­ung, eine Taxifahrer­in und eine Ordensschw­ester zu leiden.

„Unbehandel­t ist er für die Allgemeinh­eit gefährlich.“

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