Chinesen schauen gerne in diese Röhre
Wie das Weißenhorner Unternehmen Peri den längsten Unterwassertunnel der Welt baute
Manche Projekte sind so gigantisch, die werden einem im Berufsleben nur einmal zuteil. Das dachte sich Werner Brunner, Leiter Projektmanagement bei Peri, als der Weißenhorner Schalungs- und Gerüstespezialist vor rund eineinhalb Jahrzehnten die Arbeiten am Öresundtunnel zwischen Dänemark und Schweden vollendet hatte. Diese dreieinhalb Kilometer lange Betonröhre für Autos und Züge zu bauen stellte eine technische Herausforderung erster Güte dar. Doch das war eigentlich nur eine sehr anspruchsvolle Vorarbeit für etwas ungleich Größeres, mit dem Brunner und seine Kollegen wohl ein weltweit einmaliges Denkmal deutscher Ingenieurskunst vollbracht haben: den längsten Unterwassertunnel der Welt. Er bildet sozusagen das Herzstück eines höchst ambitionierten Verkehrsprojekts, einer Verbindung zwischen Hongkong und Macao/ Zhuhai. Allerdings kam es dabei auch entscheidend auf die Verhandlungskunst eines Mannes an, dessen Wurzeln nicht in schwäbisch-bayerischem Boden stecken. Er weiß, wie die chinesischen Verhandlungspartner ticken, denn er stammt aus ihrem Land, aber Kuanzhi Zheng ist seit 20 Jahren eine Art Wahl-Schwabe.
Das Verkehrsprojekt verschlingt voraussichtlich umgerechnet 7,6 Milliarden Euro und ist von beeindruckender Dimension. Inklusive
Auf sechs Kilometer verschwindet der Verkehr unter dem Meer
aller Zufahrtswege umfasst die Verbindung eine Straßenlänge von rund 50 Kilometern. Sie verkürzt die Fahrzeit zwischen Hongkong und Zhuhai von vier auf eine Stunde. Zwei Hängebrücken spannen sich über die Perlfluss-Bucht, doch auf einer Länge von sechs Kilometern verschwindet das Asphaltband in einer Tunnelröhre, die rund 45 Meter unter der Wasseroberfläche liegt. Sie schafft eine Art Einflugschneise für die Flugzeuge, die den internationalen Flughafen Chek Lap Kok ansteuern. Dadurch bleibt auch genügend Platz für die Schifffahrtsrinnen zwischen Perlfluss und Südchinesischem Meer. Zwei künstliche Inseln bilden den Übergang zwischen Brückenbauten und Tunnel.
Um an diesen gewaltigen Auftrag zu kommen, musste Peri einfach mehr können als die Konkurrenz, denn die Ansprüche der chinesischen Auftraggeber waren sehr hoch, schließlich ist die gewaltige Konstruktion auf eine Lebensdauer von 120 Jahren ausgelegt. Kuanzhi Zheng, Projektleiter aufseiten von Peri, erläutert, worauf es ankam: werden die Gussformen für den Beton mit sogenannten Verbindungsankern stabilisiert, damit das flüssige Material sie nicht auseinanderdrückt. Das bedeutet aber, dass die Anker, die später herausgezogen werden, Löcher hinterlassen, die es zu verkleben gilt, um die Betonröhre dichtzuhalten. Das sei den Auftraggebern zu unsicher gewesen, denn sie hätten in diesen Löchern mögliche Schwachstellen für die Dichtigkeit des Tunnels gesehen. Peri konnte als einziger Anbieter Abhilfe schaffen und eine Schalkonstruktion hinstellen, die ohne Verbindungsanker stabil genug war, um einen präzisen Betonguss zu gewährleisten. „Die anderen haben gesagt, das geht nicht“, erklärt Diplomingenieur Brunner, „doch wir konnten beweisen, dass es geht“. So bekamen die Weißenhorner den Zuschlag und stampften auf einer Insel in der Bucht eine Betongussfabrik aus dem Boden, in der im Laufe von sechs Jahren gewaltige Bauteile entstanden und wo zeitweise bis zu 2000 Menschen arbeiteten.
Sie fertigten nach den in Weißenhorn entwickelten Plänen 33 Betontunnelelemente von jeweils 180 Metern Länge, 38 Metern Breite und 11,40 Zentimetern Höhe. Ein jedes dieser Elemente wog rund 72 000 Tonnen. Die fertigen Stücke wurden vorne und hinten auf einem Trockendock mit einem Schott verschlossen, zu Wasser gelassen, über Pontons an die richtige Position bugsiert, abgesenkt und schließlich mit den anderen Elementen verbunNormalerweise den. Mithilfe der Peri-Schalungsmaschinen wurde knapp eine Million Kubikmeter Beton zu Fertigteilen verarbeitet. Nunmehr ist die Röhre vollendet, doch es dürfte nach Schätzung von Brunner und Zheng bis Ende dieses Jahres dauern, bis die neue Verkehrsverbindung frei gegeben werden kann.
Was in der Kürze dieses Textes fast ein bisschen routiniert klingt, war es offenbar beileibe nicht, wie die beiden Peri-Männer beteuern, denn auf der Baustelle mussten immer wieder neue Lösungen für auftauchende Probleme gefunden werden. Und dann durfte der stetige Nachschub an Material nicht versiegen. Da war Zheng der Richtige. Er stammt aus Nanjing, lebt seit 1992 in Deutschland und arbeitet seit 1997 für Peri. Sein größter Vorteil ist, dass er einerseits sehr gut Deutsch und andererseits die Sprache der chinesischen Auftraggeber spricht – mit ein Grund, warum Peri den Auftrag bekam. Zudem kennt er sich bestens mit der Mentalität der Partner aus.
Chinesische Geschäftsleute gelten als ausgesprochen harte Verhandler, die manchen Europäer zur Verzweiflung treiben können. „Man muss vorbereitet sein und sich auf sie einstellen“, sagt Zhang. „Manche meinen, es sei Selbstmord, mit Chinesen Geschäfte zu machen, auch wegen der angeblichen Zahlungsmoral. Aber das war nie ein Problem. Wenn man die Kultur kennt, kann man auch schwierige Situationen lösen.“