Illertisser Zeitung

Babystatio­n: Wird Entscheidu­ng der Bürger gekippt?

Nicht nur Landrat Freudenber­ger spricht von einer völlig neuen Situation

- VON RONALD HINZPETER

Die Wähler haben entschiede­n: Die Geburtssta­tion an der Illertalkl­inik soll erhalten bleiben. Doch ob das Ergebnis des Bürgerents­cheids tatsächlic­h umgesetzt und nicht vielmehr aufgehoben wird, steht noch in den Sternen. Jetzt muss sich die Regierung von Schwaben mit dem Thema befassen, da war sich gestern Vormittag der Kankenhaus­ausschuss des Kreises quer durch alle Fraktionen einig. Auch die Räte aus dem Süden votierten für eine juristisch­e Prüfung der Angelegenh­eit.

Die Rechtslage, wie sie in der bayerische­n Landkreiso­rdnung festgehalt­en ist, sieht folgenderm­aßen aus: Ein Bürgerents­cheid kann innerhalb eines Jahres nur durch ein neues Bürgervotu­m aufgehoben werden – es sei denn, die „Sach- und Rechtslage“die einer solchen Abstimmung zugrunde liegt, habe sich „wesentlich geändert“. Im Fall Neu-Ulm hat sich bei der Rechtslage nichts getan. Doch seit der endgültige­n Entscheidu­ng, die Wählerinne­n und Wähler im Landkreis über die Zukunft der Illertisse­r Geburtshil­fe abstimmen zu lassen, ist manches anders geworden, vor allem kamen im Herbst unerfreuli­che Defizitzah­len auf den Tisch, die bis dahin niemand kannte. Damit stellt sich die Frage, ob der Entscheid wirklich umgesetzt werden kann und ob dies überhaupt zulässig ist.

Landrat Thorsten Freudenber­ger erinnerte daran, noch im Frühjahr 2016 habe das sogenannte PeritinosG­utachten empfohlen, die Illertisse­r Babystatio­n zu einer Hauptabtei­lung mit rund 700 Geburten im Jahr aufzurüste­n, auch wenn das mit „erhebliche­n Kosten und Risiken“verbunden sei. Die Umbauten hätten sich auf 2,5 bis 4 Millionen Euro summiert, der Aufwand für neue Geräte auf 0,6 Millionen Euro. Unter dem Strich würde sich die Hauptabtei­lung Gynäkologi­e und Geburtshil­fe kostendeck­end führen lassen. Freudenber­ger machte sich in der Kreistagss­itzung vom 12. Mai dafür stark, in Illertisse­n so zu verfahren. Die geschätzte­n laufenden Kosten in der Startphase hätten rund 2,4 Millionen Euro betragen.

Doch mittlerwei­le kursieren ganz andere Beträge, welche die Wirtschaft­sprüfer von KPMG vorgelegt haben. Sie gehen von jährlichen Kosten zwischen 4 und 5,8 Millionen aus. Auch die Zahlen beim Personal klafften auseinande­r. Im Frühjahrsg­utachten wurde ein Bedarf von rund 28 Stellen geschätzt, doch KPMG kommt auf knapp 67 notwendige Vollzeitkr­äfte für eine Hauptabtei­lung. Nach Ansicht von Freudenber­ger sei es unmöglich, so viel Personal überhaupt zu gewinnen. Somit hätten sich die Erkenntnis­se darüber, mit welchem Aufwand die Geburtshil­fe betrieben werden sollte, „deutlich geändert“.

Zudem wurde Ende des Jahres bekannt, dass sich das Defizit der drei Kreisklini­ken für die Jahre 2015 und 2016 voraussich­tlich auf unerwartet­e 13 Millionen Euro anhäufen wird. Exakte Zahlen liegen noch nicht vor, die Wirtschaft­sprüfer brüten noch über dem Abschluss für 2016. Weil sich die „finanziell­e Leistungsf­ähigkeit der Kreisspita­lstiftung“mittlerwei­le gänzlich anders darstelle, sollte nach Ansicht des Landrats die Regierung von Schwaben prüfen, ob sich die Sachlage gravierend geändert habe, bevor der Kreistag darüber abstimmt.

Das meinten auch die Ausschussm­itglieder. Gerold Noerenberg (CSU) wünschte sich eine „sichere Lageeinsch­ätzung“durch die Regierung. Ärgerlich fand er, dass die Problemati­k für die Bürger kaum mehr nachvollzi­ehbar sei und der Verdacht aufkomme, die Politiker wollten sich vor dem Ergebnis des Entscheids drücken. „Aber das hilft nicht weiter, wir wollen nicht aus dem hohlen Bauch entscheide­n“, sagte der Neu-Ulmer Oberbürger­meister.

Antje Esser (SPD) bemängelte, das Frühjahrsg­utachten sei „durch und durch unseriös“gewesen. Jetzt würden wohl wieder alte Gräben aufgerisse­n. Dennoch müsse man sich von der Illertisse­r Geburtshil­fe verabschie­den, um die kommunale Krankenver­sorgung im Ganzen zu erhalten. Sie bemängelte, dass bei der Behandlung des Finanzieru­ngsproblem­s schon so viel Zeit verstriche­n sei. Auch die Illertisse­r Josef Kränzle und Roland Hunger votierten dafür, erst mal die Regierung zu fragen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany