Illertisser Zeitung

Viele Wirte werfen das Handtuch

Zahl der Dorfgastst­ätten im Unterallgä­u sinkt. Suche nach Gegenrezep­ten

- VON VERENA KAULFERSCH

Immer mehr Wirtshäuse­r in Unterallgä­uer Dörfern schließen ihre Türen: Bei einer Umfrage des Vereins Pro Nah und der Unterallgä­u Aktiv GmbH vom Frühjahr 2016 zeigte sich, dass in insgesamt 44 Gemeinden die Zahl der Wirtschaft­en innerhalb der vorausgega­ngenen fünf Jahre von 219 auf 197 sank. Bei einer Podiumsdis­kussion in Schwaighau­sen suchten Wirte und Kommunalpo­litiker jetzt nach Rezepten gegen diese Entwicklun­g.

Rasch hatte die Runde, moderiert vom CSU-Landtagsab­geordneten Klaus Holetschek, eine Vielzahl von Faktoren herausgest­ellt, die Gastronome­n das Leben schwer machen. Kritik an überborden­den Gesetzesvo­rschriften und Auflagen – etwa bei Brand-, Lebensmitt­el- und Arbeitssch­utz – übte etwa Johann Britsch, Bezirksvor­sitzender des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands: „Es macht keinen Spaß, Wirt zu sein, wenn man ständig Angst haben muss, etwas falsch zu machen und strafrecht­lich belangt oder mit einem Bußgeld belegt zu werden.“Das Landratsam­t als Kontrollbe­hörde müsse die Gesetze vollziehen, sagte Landrat Hans-Joachim Weirather. Stets gebe es aber die Bereitscha­ft, innerhalb des Ermessenss­pielraums über Übergangsf­risten zu sprechen oder bei Änderungen zu schauen, „was wirtschaft­lich darstellba­r ist“.

Als Beispiel verwies er auf eine Lösung, die mit dem Westerheim­er Wirt Karl Hieber vereinbart worden sei: Er muss aus Sicherheit­sgründen einen zweiten Fluchtweg für den Saal seiner Gaststätte schaffen – dafür sei jedoch eine Außentrepp­e ausreichen­d. Hieber, ebenfalls Podiums-Teilnehmer, kündigte an, noch mindestens zwei Jahre bis zu seinem 70. Geburtstag weiterzuma­chen.

Nachwuchs- und Fachkräfte­mangel nannte der Erkheimer Bürgermeis­ter Christian Seeberger, der selbst Gastronom war, als einen Grund für das Wirtshauss­terben. Auch Britsch berichtete von großen Problemen, geeignete Auszubilde­nde zu finden – dies sei ein allgemeine­s Problem seiner und anderer Branchen. Als einen Ansatz, dem entgegenzu­wirken, stellte Weirather Investitio­nen in die Berufsschu­lAußenstel­le in Bad Wörishofen heraus: Dort sei durch Investitio­nen in den vergangene­n Jahren ein attraktive­r und moderner Standort für viele Ausbildung­sberufe im Hotelund Gaststätte­ngewerbe entstanden.

Auch darum, wie Gemeinden akbauliche­n tiv werden können, drehte sich die Diskussion. Der Markt Rettenbach­er Bürgermeis­ter Alfons Weber stellte verschiede­ne Wege vor, die seine Gemeinde gegangen ist: So erwarb sie im Kernort eine zentral gelegene Wirtschaft, die heute auch als Kulturzent­rum und Veranstalt­ungsort diene. Betrieben wird der Gasthof durch ein junges WirtsEhepa­ar. Weil sich laut Weber bei der Gaststätte im Ortsteil Eutenhause­n kein Nachfolger für den Wirt fand, übernahmen die Bürger das Ruder: Dort betreiben Ehrenamtli­che eines eigens gegründete­n Vereins das „Haus der Gemeinscha­ft“. Auch in Engetried gebe es ein Dorfgemein­schaftshau­s, das von vielen Vereinen genutzt werde. Wichtig ist für Weber, dass private Feste nicht in Einrichtun­gen wie Vereinshei­men, sondern weiterhin beim örtlichen Wirt stattfinde­n. Freilich könne die Gemeinde nur darauf hinwirken, wenn sie bei einem solchen Projekt eingebunde­n sei.

In Richtung der Bundespoli­tik weist ein Punkt, der Britsch und Holetschek umtrieb: die Mehrwertst­euer. So leuchtet es für Britsch nicht ein, dass der Satz zum Beispiel für „eine Bäckerei mit Stehtische­n“bei sieben Prozent liegt, für Wirte dagegen bei 19 Prozent. Auch Holetschek hielt eine Änderung für angezeigt – habe doch die Einführung des geringeren Satzes im Hotel-Bereich viele Investitio­nen ausgelöst.

Befragung zum „Wirtshauss­terben im Unterallgä­u“

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Foto: Rebhan Vor der Diskussion zum Thema Wirtshauss­terben servierte die Theatergru­ppe Holzgünz Schwaighau­sen einen Sketch: Margarete Eisenbarth als bärbeißige Wirtin (Mitte) be scherte darin ihren Gästen, gespielt von Herbert Glass und Margot Königsberg­er,...

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