In Schutt und Asche
Vor 70 Jahren zerstörte ein Feuer das Rathaus in Babenhausen. Schon kurze Zeit später begannen die Bürger der Gemeinde mit dem Wiederaufbau – und mussten dabei einige Hürden nehmen
Es war gegen 24 Uhr, als die muntere Faschingsgesellschaft der Feuerwehr Babenhausen im Saalbau neben dem ehemaligen Postamt mit einem Schreckensruf aufgescheucht wurde. „Das Rathaus brennt!“, wurde in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1947 gerufen. Zunächst glaubten die Fasnachtsjecken an die Ankündigung einer neuen Balleinlage. Als dann einige den Feuerschein vor der Schlossfassade sahen, war die fröhliche Stimmung verflogen. Die Feuerwehrleute eilten im Fasnachtskostüm zum Feuerwehrhaus im „Frauenhaus“, das unmittelbar neben der Brandstelle lag. Sie taten eifrig ihre Pflicht – und retteten, was noch zu retten war.
Vor 70 Jahren zerstörte ein Feuer das Rathaus im Fuggermarkt. Die „wichtigsten Akten und Einrichtungsgegenstände konnten zum großen Teil geborgen werden, das im Erdgeschoss untergebrachte landwirtschaftliche Lagerhaus konnte geräumt werden“, schrieb damals die Presse. Die erheblichen Minusgrade in dieser Nacht ließen das Wasser in den Feuerwehrschläuchen einfrieren. Übrig blieb eine eisüberkrustete Ruine. Trotzdem fand am darauffolgenden Montag der traditionelle Lichtmessmarkt vor dem Rathaus statt, der zahlreiche Kauf- und Schaulustige anlockte.
Mit den geretteten Dienstsachen des Rathauses wurden eilends in der Gaststube der nahegelegenen „Post“und im neuen Schulhaus in der Schulstraße notdürftige Diensträume für die Bürger eingerichtet. Schon drei Wochen nach dem Brand konnte auf den neu eingerichteten „Wiederaufbaufonds“der Reinerlös aus erfolgreichen Faschingsaufführungen der Babenhauser „Flüchtlingsgruppe“als erster Baustein zum Wiederaufbau des Rathauses geleistet werden.
Sofort befasste sich der Marktgemeinderat mit Wiederaufbauplänen und beriet sich mit Baufachleuten. Aber noch am 6. Mai 1947 berichtete die „dass der Abbruch der Brandruine bis jetzt an fehlenden Arbeitskräften scheitere“. Im Marktrat wurde einstimmig „einem Bauplan zuge- stimmt, der ein Rathaus in schwäbischer Renaissance mit Laubengang auf der Giebelseite zeigt, der sich glücklich seiner Umgebung anpasst, von einem Saaleinbau wurde aus verschiedenen Gründen Abstand genommen“.
Es wurden noch weitere Baupläne vorgelegt, einer sah einen dreigeschossigen Blockbau mit einem flachen Giebel vor und ein anderer den Bau mit einem Stufengiebel und einem brückenartigen östlichen Gebäudeflügel mit Diensträumen, der an die Schlossmauer angebaut werden sollte. Es waren äußerst schwierige wirtschaftliche Nachkriegszeiten, sodass man bei der Planung größte Sparsamkeit und mehrere hinnehmen musste. Man entschied sich für einen – im Vergleich zum abgebrannten Bau um sieben Meter verkürzten – Neubau mit Stufengiebel und einem Zwiebeltürmchen.
In dieser „schlechten“Zeit wurde trotzdem noch mit dem „alten Geld“, der Reichsmark, mit dem Rohbau begonnen. Die Presse schrieb: „Die Gemeinde musste ein Stück Wald verkaufen, um das notwendige Baumaterial zu ‚kompensieren‘ – ein vornehmer Ausdruck für Schwarzhandel. Ziegelsteine, Kalk, Zement waren in diesen Tagen nach dem Krieg Mangelware; 1 Festmeter Fichtenholz gegen 1200 Steine“. Die Fußbodenplatten aus Solnhofer Stein aus dem alten Rathaus wurden wieder verwendet. Bei der Neuplanung ist auch an die durch den Bevölkerungszuwachs entstandene Wohnungsnot gedacht worden. Die Einwohnerzahl war durch die 1600 Vertriebenen aus dem Osten von 2100 auf 3700 gestiegen. So wurden auch im neuen Rathaus vier Wohnungen eingeplant. Neben dem Bürgermeisterzimmer war gerade noch Platz für einen bescheidenen Sitzungssaal mit drei Fenstern.
Nach der Währungsreform am 20. Juni 1948, wurde mit der knappen Deutschen Mark weitergebaut. Die Gemeindekasse war leer, sämtliche Ersparnisse und Rücklagen zuEinschränkungen nichte gemacht. Vereinfachungen wurden dem Architekten Peter Müller aus Bad Wörishofen auferlegt. An der Westseite des neuen Rathauses wurden für die AOK drei Diensträume mit eigenem Eingang von der Schrannenstraße aus eingeplant. Ebenso mit Zufahrt von der Schrannenstraße war für die Freiwillige Feuerwehr ein eigener Geräteraum mit zwei Toren vorgesehen.
Langsam wuchs der neue Bau und der damalige Zweite Bürgermeister Rektor Urban Wucher verfasste eine Urkunde, die im kupfernen Turmknopf des neuen Rathauses eingelötet wurde. In der Urkunde wurden die Baukosten mit 120000 DM beziffert und die wirtschaftlichen Verhältnisse vom November 1948 geschildert: eine Packung mit 20 Stück amerikanischen Zigaretten kostete 6 DM, 1000 Ziegelsteine 70-100 DM. Ein Ei 30 Pfennige, im Schwarzhandel 1 DM. Ein Schwein bis zu 1000 DM. Die Urkunde schloss mit den Worten: „Wir wollen mit Gottes Hilfe alle Schwierigkeiten meistern. Wir wünschen unseren Nachfahren bessere Zeiten.
Übrig blieb eine eisüberkrustete Ruine
Möge ihnen all das erspart bleiben, was uns ein gar hartes Schicksal auferlegte“.
Unter Josef Hudler, dem fünften Bürgermeister seit Kriegsende, konnte dann am Sonntag, 6. August 1950 mit einem Festgottesdienst um 9 Uhr auf dem Marktplatz das neue Rathaus eingeweiht werden. Nach der kirchlichen Weihe durch Pfarrer Franz Xaver Knaus fand vor dem Rathaus bei schönstem Wetter ein Festakt statt. Die Bevölkerung hatte den ganzen Tag über Gelegenheit, das neue Haus zu besichtigen, in dessen Räumen gleichzeitig eine Gemäldeausstellung heimischer Künstler stattfand.
Inzwischen wurde das Rathaus wiederholt umgebaut, um den Ansprüchen der nach der Gebietsreform 1972 neu geschaffenen Verwaltungsgemeinschaft zu genügen. 1976 wurde etwa ein Sitzungssaal im Dachgeschoss neu eingebaut. Die letzte größere Umbaumaßnahme am Rathaus war wohl 2004 die Umgestaltung des Vorplatzes. Dabei verschwanden die zum Teil noch angedeuteten alten Grundmauern des mittelalterlichen Vorgängerbaues und machten einer weiten Fläche Platz.
Das neue Rathaus wurde 1950 eingeweiht