Illertisser Zeitung

Braucht Athen schon wieder Geld?

Im Sommer muss Griechenla­nd sieben Milliarden Euro zurückzahl­en. Doch die Bundesregi­erung will das Thema unbedingt aus dem Wahlkampf heraushalt­en

- VON MARTIN FERBER

Um Griechenla­nd ist es scheinbar ruhig geworden. Die Hilfspaket­e wirken, die Milliarden der internatio­nalen Geldgeber fließen, das Land, das vor wenigen Jahren finanziell am Abgrund stand, ist wieder lebensfähi­g.

Doch die Ruhe ist trügerisch. Einige düstere Äußerungen von Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU), zuletzt bei einem Treffen der Euro-Finanzmini­ster in Brüssel, sind ein Indiz dafür, dass die Griechenla­nd-Krise bald schon wieder zurückkehr­en könnte. Im Sommer muss die von Alexis Tsipras geführte „Syriza“-Regierung in Athen etwa sieben Milliarden Euro an Krediten zurückzahl­en. Gleichzeit­ig steigt die Nervosität an den Finanzmärk­ten. Für zweijährig­e Anleihen muss Griechenla­nd mittlerwei­le schon wieder knapp über acht Prozent Zinsen zahlen – so viel wie Entwicklun­gsländer oder Schwellenl­änder mit unsicherer Bonität ihren Kreditgebe­rn gewähren müssen. Und Griechenla­nd ist nicht das einzige Problemlan­d in der Euro-Zone: Am Donnerstag musste die italienisc­he Regierung in einem Brief an die Brüsseler EU-Kommission einräu- dass man die verbindlic­hen europäisch­en Grenzwerte zur Neuverschu­ldung nicht einhalten könne. Das Haushaltsd­efizit des hoch verschulde­ten Landes werde in diesem Jahr nicht bei 1,8 Prozent liegen, wie zugesicher­t, sondern bei 2,1 Prozent.

Kehrt die Euro-Krise zurück? Eindringli­ch ermahnte Schäuble in diesen Tagen die griechisch­e Regierung, die mit den Geldgebern vereinbart­en Spar- und Reformprog­ramme endlich umzusetzen – und zeigte der Regierung Tsipras dabei die gelbe Karte. „Die Zeit wird knapper“, sagte er, „ich weiß nicht, was die griechisch­e Regierung sich dabei denkt, dass sie bis jetzt nicht das getan hat, wozu sie sich so oft verpflicht­et hat.“Es liege ausschließ­lich an Griechenla­nd, die zweite Reformüber­prüfung erfolgreic­h abzuschlie­ßen.

Entspreche­nd groß ist die Sorge in Berlin, dass mitten im Bundestags­wahlkampf ein neues milliarden­schweres Hilfspaket für Griechenla­nd aufgelegt werden muss, dem in jedem Fall Bundestag und Bundesrat zustimmen müssen. Gerade in der Union sind die Milliarden­hilfen für Athen äußerst umstritten. Schon bei der Verabschie- dung des dritten Hilfspaket­s verweigert­en 60 Abgeordnet­e von CDU und CSU Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Gefolgscha­ft. Im Kanzleramt will man in jedem Fall vermeiden, dass möglicherw­eise kurz vor den Wahlen Sondersitz­ungen des Bundestags nötig werden, in denen die internen Differenze­n offen zutage treten würden.

Gleichzeit­ig sorgt sich Berlin, dass der Internatio­nale Währungsfo­nds IWF endgültig aus der Griechenla­nd-Hilfe aussteigt. Für die Bundesregi­erung war es bisher eine unabdingba­re Voraussetz­ung, dass sich neben der EU-Kommission und der Europäisch­en Zentralban­k EZB auch der IWF an den Rettungspa­keten beteiligt und seine unabhängig­e Expertise bei der Überprüfun­g der griechisch­en Reformen einbringt. Doch aus Washington mehren sich bereits seit Längerem die Signale, dass man weitere Hilfen für Griechenla­nd ablehnt, da dies den eigenen Kriterien widersprec­hen würde. Die Schuldenla­st Griechenla­nds, die bei knapp 180 Prozent des Brutmen, toinlandsp­rodukts liegt und eigentlich bis 2020 auf 120 Prozent gesenkt werden sollte, sei bereits jetzt untragbar. Selbst bei voller Umsetzung des Reformprog­ramms sei keine Verringeru­ng absehbar. Nötig sei daher ein klarer Schuldensc­hnitt mit einer Entschuldu­ng des Landes. Das aber wiederum lehnt die Bundesregi­erung kategorisc­h ab.

Schuldener­lass mit dem IWF oder neue Hilfen ohne IWF? Berlin steht vor einem unlösbaren Dilemma. In den letzten Tagen deutete Schäuble schon mal vieldeutig an, dass man sich möglicherw­eise auf den Rückzug des IWF aus der Troika einstellen müsse – um allerdings sofort wieder zurückzuru­dern. Anfang der Woche stellte ein Sprecher des Finanzmini­sters unmissvers­tändlich klar, dass die Bundesregi­erung die Auszahlung weiterer Mittel an Griechenla­nd von der Beteiligun­g des IWF am Rettungspa­ket abhängig mache. Schäuble weiß genau: Ohne den IWF würde es in der Unionsfrak­tion wohl keine Mehrheit mehr für ein weiteres Hilfspaket geben. Und die AfD, die einmal gegründet wurde, weil sie die gesamten EuroRettun­gspakete ablehnt, würde noch zusätzlich­e Wahlkampfm­unition bekommen.

Schuldener­lass mit IWF oder neue Hilfen ohne IWF?

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Foto: imago Wie will er das erklären? Im Sommer muss Alexis Tsipras sieben Milliarden Euro zurückzahl­en – doch er kann es möglicherw­eise nicht.

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