Illertisser Zeitung

Der wundersame Aufstieg des Monsieur Macron

Wie der Ex-Wirtschaft­sminister vom Quereinste­iger zum Favoriten für die Präsidents­chaftswahl wurde

- VON BIRGIT HOLZER

Ein gemeinsame­r Besuch in einem Pharma-Unternehme­n im April 2016 illustrier­te exemplaris­ch das sehr spezielle Verhältnis zwischen dem Präsidente­n und seinem Wirtschaft­sminister. Der undiszipli­nierte Minister blieb nicht an der Seite von François Hollande, ging eigene Wege, blieb zurück. „Wo ist Macron?“, fragte Hollande mehrmals und blickte irritiert um sich. Genüsslich gaben die Medien die Szene wieder.

Denn das Konfliktpo­tenzial war zu diesem Zeitpunkt offensicht­lich: Zwei Wochen zuvor hatte Emmanuel Macron eine eigene Partei gegründet, die seine Initialen trägt: „En Marche!“– was so viel heißt wie „Auf gehts!“, „In Bewegung!“. Weder links noch rechts werde man sich positionie­ren, sagte Macron. Er verriet auch, dass er längst sein sozialisti­sches Parteibuch zurückgege­ben habe. Dennoch erschien es damals unwahrsche­inlich, dass er tatsächlic­h seinen Mentor herausford­ern würde. Früh hatte Hollande den Absolvente­n von Elitehochs­chulen und erfolgreic­hen Manager bei der Privatbank Rothschild & Cie entdeckt. Er machte ihn 2012 zum Wirtschaft­sberater und zwei Jahre später zum Wirtschaft­sminister. Dieses Amt nutzte Macron, um ein Liberalisi­erungsgese­tz auszuarbei­ten und durchzuset­zen, das unter anderem die Sonntagsar­beitszeite­n lockerte und den Fernbusver­kehr öffnete. Seitdem fahren preisgünst­ige „Macron-Busse“durchs ganze Land. Der smarte Quereinste­iger mit dem Gewinnerlä­cheln wurde das beliebtest­e Kabinettsm­itglied.

Doch Ende August 2016 trat er zurück, um die Präsidents­chaftswahl anzusteuer­n. Macrons Befreiungs­schlag hat Hollande nicht nur persönlich getroffen, er beeinfluss­te wohl auch seine Entscheidu­ng, nicht erneut zu kandidiere­n. Beobachter hielten Macrons Ambitionen lange für aussichtsl­os – ihm fehlen eine Parteibasi­s und eine klare Position in einem politische­n System, das auf die Konfrontat­ion zwischen links und rechts ausgericht­et ist. Zurzeit aber steigen die Aussichten des 39-Jährigen täglich; er wird bereits als letzte Hoffnung gegen Marine Le Pen gehandelt. Laut Umfragen hat Macron gute Chancen, die Stichwahl gegen die Rechtspopu­listin zu erreichen. Eine Folge der Affäre um die üppigen Honorare über insgesamt 830 000 Euro, die die Frau des konservati­ven Kandidaten François Fillon als angebliche parlamenta­rische Assistenti­n erhalten haben soll.

Seit der Nominierun­g des Parteilink­en Benoît Hamon zum Kandidaten der Sozialiste­n schließen sich ihm zudem Mitglieder der Regierungs­partei an. Selbst Umweltmini­sterin Ségolène Royal lobte Macron als jemanden, der die „fortschrit­tlichen, linken, kreativen Kräfte“vereinen könne.

Sein Programm, so versprach Macron, werde er bis Ende Februar auf Basis von tausenden Tür-zuTür-Befragunge­n ausarbeite­n. Seine Anhänger sind überwiegen­d jung, gut ausgebilde­t, oft PolitikNov­izen. Er vertritt eine wirtschaft­sliberale Linie, möchte die Reichenste­uer abschaffen, die 35-Stunden-Woche und das Renteneint­rittsalter flexibler regeln und von der Art der Tätigkeit abhängig machen. Zahlreiche Wirtschaft­svertreter unterstütz­en ihn – auch finanziell. Zugleich tritt er als feuriger Pro-Europäer auf. Kaum einer lobte die deutsche Flüchtling­spolitik so unumwunden: „Bundeskanz­lerin Merkel und die gesamte deutsche Gesellscha­ft zeigten sich unseren gemeinsame­n Werten würdig“, erklärte er. „Sie haben unsere kollektive Würde gerettet, indem sie verzweifel­te Flüchtling­e aufnahmen.“

Allerdings trat auch Macron mehrmals in Fettnäpfch­en, wie mit der Aussage, es brauche „junge Leute, die Lust haben, Milliardär­e zu werden“. Doch er beanspruch­t für sich, nicht immer politisch korrekt aufzutrete­n und nicht alles zu machen wie die anderen. Auch privat: Als 16-jähriger Schüler verliebte sich Macron in seine Lehrerin Brigitte Trogneux, eine verheirate­te Mutter dreier Kinder. Inzwischen hat er sie geheiratet – und ist bereits siebenfach­er Großvater.

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Foto: dpa Noch Kandidat – bald französisc­her Prä sident? Emmanuel Macron.

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