Illertisser Zeitung

Merkel mahnt und Erdogan sagt „Danke schön“

Beide Politiker finden bei ihrem Treffen in Ankara überrasche­nd deutliche Worte. Die Stimmung ist angespannt

- (dpa)

Wenn die Dauer eines Treffens etwas über die Qualität eines Gespräches aussagt, dann war es gut. Vielleicht sogar sehr gut. Nach rund zweieinhal­b Stunden traten der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan und Kanzlerin Angela Merkel in Ankara vor die Medien. Geplant waren kurze Stellungna­hmen, Fragen von Journalist­en werden da eigentlich nicht beantworte­t. Es kam anders. Dieser neunte Türkei-Besuch der Kanzlerin in elf Jahren erschien besonders – auch wenn die Liste der Probleme lang bleibt. Es war Merkels erste Reise seit dem gescheiter­ten Putsch gegen Erdogan im Juli.

Ankara fühlt sich von Berlin unsolidari­sch behandelt. Die Bundesregi­erung sieht mit großer Sorge auf die Massenverh­aftungen von Opposition­ellen und Journalist­en, die Entlassung­en von Staatsbedi­ensteten und das von Erdogan angestrebt­e Präsidials­ystem. Aber beide Länder sind Nato-Partner und es gibt einen Flüchtling­spakt der EU und der Türkei. Der Druck auf Merkel war groß. Die einen forderten „klare Kante“. Andere setzten auf sie als Diplomatin. Und dann sollte sie noch das deutsch-türkische Verhältnis verbessern.

Und der Präsident? Der ließ dann doch Fragen zu. Merkel und er antwortete­n ruhig – und hart in der Sache. Es wurde kaum gelächelt. Selten schauten die beiden sich an. Und doch wurde das deutsch-türkische Band, das für Europa wichtig ist, für die Nato, für die drei Millionen Türken in Deutschlan­d, für die Wirtschaft, für die Flüchtling­spolitik an diesem Tag eher ein Stück gefestigt als gedehnt. Merkel mahnte, es müsse alles getan werden, damit Gewaltente­ilung, Meinungsfr­eiheit und die Vielfalt der Gesellscha­ft gewahrt werden. „Opposition gehört zu einer Demokratie dazu. Das erfahren wir alle miteinande­r jeden Tag in demokratis­chen Staaten.“Dabei lächelte sie sogar. Später traf sich Merkel dann auch noch mit türkischen Opposition­ellen. Im Gespräch mit Erdogan sprach sie auch über ihre Sorgen um die Pressefrei­heit und die Bedingunge­n für deutsche Journalist­en. Und sie warnte vor der Bespitzelu­ng von GülenAnhän­gern in Deutschlan­d.

Erdogan beteuerte, von einer Aufhebung der Gewaltente­ilung könne keine Rede sein. Und dann sprach er vor laufenden Kameras noch einen heiklen Punkt an. Er verwahrte sich gegen den Begriff des islamistis­chen Terrors. „Das betrübt uns Muslime. Islam und Terror kann nicht zusammenge­bracht werden. Islam bedeute Frieden.“Merkel entgegnete, sie habe mit dem Präsidente­n bereits über die sprachlich­e Unterschei­dung zwischen Islam und islamistis­ch gesprochen. Sicherheit­shalber betonte sie noch: „Jeder weiß, dass mir die Religionsf­reiheit sehr viel wert ist (...) und wir deshalb in Deutschlan­d alles tun, damit Muslime ihren Glauben frei leben können.“Am Ende bedankte sich Merkel, „dass wir offen und redlich auch kontrovers­e Punkte ansprechen konnten“. Im Gespräch zu bleiben und Probleme zu lösen, sei der wichtige und richtige Weg in einer modernen Welt, die vor riesigen Herausford­erungen stehe. Kein Land könne diese allein lösen. Erdogan fügte hinzu: „Wir haben Gelegenhei­t gehabt, die Beziehunge­n zwischen unseren beiden Ländern zu verbessern.“Und dann sagte er „Danke schön“. Auf Deutsch.

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