Illertisser Zeitung

Zerknirsch­t in die Zukunft

Die Deutsche Bank büßt für die Sünden der Vergangenh­eit nochmals mit 1,4 Milliarden Euro Verlust. Doch das Aufräumen kommt voran. Bankchef John Cryan will deshalb dieses Jahr die Wende schaffen

- VON MICHAEL KERLER VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Wenn nur die Vergangenh­eit nicht wäre. Dann käme Deutsche-Bank-Chef John Cryan vielleicht wirklich einmal ein Lächeln über die Lippen. So aber blieb der Brite, der seit Juli 2015 an der Spitze des größten deutschen Geldhauses steht, ruhig, ernst und verzog kaum einen Mundwinkel, als er gestern in den Zwillingst­ürmen am Hauptsitz in Frankfurt vor Journalist­en über das Geschäft berichtete. Die Sünden der Vergangenh­eit wiegen bis heute schwer. Die Prozesskos­ten infolge der Skandale aus der Zeit seiner Vorgänger Josef Ackermann, Jürgen Fitschen und Anshu Jain waren auch vergangene­s Jahr hoch. Nach dem Rekordverl­ust von 6,8 Milliarden Euro für das Jahr 2015 wies Cryan für 2016 abermals einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro aus. Doch die Zahlen spiegeln auch wider, dass die Bank bei der Bewältigun­g ihrer Zockerei in den wilden Jahren vor und nach der Finanzkris­e 2007/08 vorankommt. Fall für Fall wird abgeschlos­sen. Dieses Jahr will Cryan die Trendwende schaffen.

Angesichts der früheren Fehler der Bank zeigte sich Cryan gestern tief zerknirsch­t. Fünf Milliarden Euro habe die Bank seit seinem Amtsantrit­t für Rechtsfäll­e aufwenden müssen, deren Ursachen Jahre zurücklieg­en, sagte er. Cryan sprach im Namen des Vorstands sein „tiefes Bedauern“aus für das, was geschehen ist. „Wir möchten uns dafür entschuldi­gen.“Das hört man in Dax-Konzernen nicht oft in dieser Klarheit. Die Liste der Verfehlung­en ist bekannt – und lang: Betrug mit Klimaschut­zzertifika­ten, Zinsmanipu­lation, kritische Geschäfte in den USA. Das Verhalten der Deutschen Bank auf dem US-Hypotheken­markt von 2005 bis 2007 bezeichnet­e Cryan als „völlig inakzeptab­el“. Die Bankführun­g werde nun alles in ihrer Macht Stehende tun, damit sich solche Vorfälle nicht wiederhole­n, beteuerte er. Mit Kritik am neuen US-Präsidente­n Donald Trump hielt sich Cryan gestern – anders als tags zuvor Siemens-Chef Joe Kaeser – zurück.

Im Herbst ist es für die Deutsche Bank tatsächlic­h eng geworden: Im US-Hypotheken­streit hatte das amerikanis­che Justizmini­sterium 14 Milliarden Dollar Strafe gefordert. „Die Folge waren wochenlang­e Debatten und Spekulatio­nen, was ein Vergleich in dieser Höhe für die Deutsche Bank bedeuten würde“, » erinnerte sich Cryan. Und nicht nur das. Auch die Kunden wurden vorsichtig. In den turbulente­n Wochen im September und Oktober „sind Gelder abgeflosse­n“, berichtete der Bankchef. Wenn Geld abfließt, werden Banken nervös. Umso erleichter­ter muss Cryan gewesen sein, als sich sein Institut im Dezember mit den USA auf „nur“7,2 Milliarden Dollar Strafe einigen konnte. Kürzlich kam eine Einigung im russischen Geldwäsche-Skandal hinzu.

Auch wenn es teuer ist – Schritt für Schritt schließt Cryan Baustellen und sieht seine Bank mit Rückenwind ins neue Jahr starten. Das Vertrauen der Kunden kehrt nach seinen Worten zurück: Seit der Einigung mit dem US-Justizmini­sterium machten die Kunden, die sich im Herbst zurückgezo­gen hätten, wieder deutlich mehr Geschäfte mit der Deutschen Bank, sagte er. Auch die Einlagen steigen. Jetzt setzt Cryan darauf, dass die Bank bald aus den roten Zahlen kommt. „Ich hoffe, dass wir dieses Jahr Gewinn machen“, erklärte der Brite.

An geplanten Einschnitt­en hält die Bank trotzdem fest: Der Plan sieht für Deutschlan­d den Abbau von 4000 Stellen vor, davon rund 2800 im Privatkund­engeschäft. Nach derzeitige­m Stand sind dort bereits 800 gestrichen, in 800 weiteren Fällen gibt es Lösungen, in den restlichen Fällen müssen noch Vereinbaru­ngen getroffen werden, sagte Privatkund­envorstand Christian Sewing. 181 Filialen sollen dieses Jahr schließen. Die gute Nachricht: Weitere Jobkürzung­en schloss Cryan gestern aus. Der 2015 angekündig­te Verkauf der Postbank bleibt aber auf der Tagesordnu­ng. Die Postbank soll 2017 Kosten senken und attraktive­r für Käufer werden. Dann soll eine Entscheidu­ng fallen.

Wohin aber steuert das große Mutterhaus selbst? Wie will sich die Deutsche Bank aufstellen? Wie Geld verdienen? Cryan setzt auf Bewährtes, die Revolution blieb aus: „Ein abrupter Strategies­chwenk hat sich in der Geschichte von Unternehme­n selten bewährt – erst recht nicht bei Banken“, betonte er. Die Deutsche Bank habe ein weltweites Netz an Kunden. „Hier ist eine Infrastruk­tur entstanden, die sich nicht mal soeben nachbauen lässt“. Cryan setzt auf eine Politik der kleinen Schritte und bemühte ein Bild aus der Landwirtsc­haft: „Wir müssen zuerst aussäen, wenn wir später eine größere Ernte einfahren wollen“, sagte er. „Noch befinden wir uns eindeutig in der Phase, in der wir vor allem säen.“

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Foto: Arne Dedert, dpa Das ist selten: Deutsche Bank Chef John Cryan bat gestern für die Fehler der Bank offen um Entschuldi­gung. Für die Zukunft ist er vorsichtig optimistis­ch. Die Bank soll bald heraus sein aus den roten Zahlen.

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