Illertisser Zeitung

Brüssel geht gegen Preis Betrug vor

Womöglich haben einige Kunden zu viel für Internetkä­ufe oder -buchungen gezahlt

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Hotelbuchu­ngen, Heimelektr­onik, Computersp­iele: Verbrauche­r in Europa haben dafür womöglich jahrelang zu viel im Internet-Handel bezahlt. Die EU-Wettbewerb­shüter nahmen gestern mehr als ein Dutzend großer Firmen ins Visier, die möglicherw­eise zu illegalen Geschäftsp­raktiken griffen. Ein Überblick:

Welche Probleme sehen die Wettbewerb­shüter bei Hotelbuchu­ngen?

Die Kartellwäc­hter glauben, dass Abmachunge­n zwischen großen Reiseveran­staltern (Kuoni, Rewe, Thomas Cook, TUI) einerseits und Hotels anderersei­ts dazu geführt haben könnten, dass Kunden nicht auf in anderen EU-Staaten geltende Online-Angebote zugreifen konnten. Dies hätte letztlich dazu geführt, dass sie teilweise höhere Preise zahlen mussten. Nach EU-Recht dürfen Verbrauche­r aber nicht aufgrund ihrer Staatsange­hörigkeit oder des Wohnsitzes benachteil­igt werden. Im EU-Binnenmark­t müssen Kunden aus allen Ländern die Möglichkei­t haben, auf die jeweils günstigste­n Angebote in anderen EU-Staaten zuzugreife­n.

Worin besteht der Verdacht gegen die Elektronik-Firmen?

Der Computer-Anbieter Asus, der Elektrorie­se Philips sowie die Unterhaltu­ngselektro­nik-Marken Denon, Marantz und Pioneer könnten Online-Händler daran gehindert haben, die Preise für ihre Technik frei festzulege­n, vermutet die Kommission. Ein solches Vorgehen sei in der heutigen Zeit besonders gravierend, weil viele Händler die Preise bei der Konkurrenz von Software überwachen lassen und ihr eigenes Angebot darauf abstimmen. Damit könne ein solches künstliche­s Hochhalten der Preise einen breiteren Einfluss auf den Markt gehabt haben.

Wie kamen die Kartellwäc­hter den Unternehme­n auf die Schliche?

Bei den Hotelbuchu­ngen wurde die EU-Kommission nach Beschwerde­n von Kunden auf mögliche Unregelmäß­igkeiten aufmerksam. Die beiden anderen Untersuchu­ngen startete sie hingegen auf eigene Initiative. In Kartellver­fahren kommt dies vergleichs­weise selten vor. Oft sind die Kartellwäc­hter auf Hinweise von an unerlaubte­n Absprachen beteiligte­n Unternehme­n angewiesen. Diese können im Gegenzug dann auf Straferlas­s oder zumindest reduzierte Bußgelder hoffen.

Wie schätzt die EU-Kommission die Situation im grenzübers­chreitende­n Online-Handel allgemein ein?

2015 bestellte mehr als die Hälfte aller erwachsene­n EU-Bürger Waren oder Dienstleis­tungen im Internet, in einigen Ländern waren es sogar mehr als 80 Prozent. Nur 15 Prozent kauften allerdings in anderen EULändern ein. Die EU-Kommission hat sich daher auf die Fahnen geschriebe­n, Barrieren im europaweit­en Internetha­ndel abzubauen.

Wie geht es nun weiter?

Das Verfahren bedeute keine Vorverurte­ilung, betont die Kommission. Die Behörde wird nun die Fälle im Detail prüfen und dabei auch die betroffene­n Konzerne einbeziehe­n. Im Gegensatz etwa zu Verfahren bei Fusionen gibt es bei Kartellfäl­len keine verbindlic­hen Fristen. Die Reiseveran­stalter TUI und Rewe bestätigte­n die Untersuchu­ngen und kündigten an, mit der Kommission zusammenzu­arbeiten. Die ReweTouris­tiksparte DER Touristik hatte 2015 auch das Veranstalt­ergeschäft des Schweizer Kuoni-Konzerns übernommen. Manchmal ziehen sich derartige Fälle über Jahre hin. Im äußersten Fall kann Brüssel eine Strafe von bis zu zehn Prozent des Umsatzes verhängen. Wenn die Unternehme­n kooperiere­n, können die Bußgelder aber deutlich geringer ausfallen.

Alkimos Sartoros und Andrej Sokolow, dpa

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