Illertisser Zeitung

Zetsche spricht den Namen Trump nicht aus

Wie der Daimler-Chef das Kunststück fertig bringt, fast zwei Stunden ohne ein Wort der Kritik am US-Präsidente­n auszukomme­n

- VON STEFAN STAHL

Dieter Zetsche gehört zu den lockeren Managern. Er verzichtet häufiger auf die Krawatte und verblüfft konservati­vere Kollegen mit seinem lässigen Kleidungss­til. Gerne erscheint der Daimler-Boss mit Jeans, ja sogar Turnschuhe­n. In seiner Zeit in Amerika trat der inzwischen 63-Jährige in TV-Spots als ulkiger Deutscher auf. Er machte Werbung für die damals noch zum Konzern gehörende Marke Chrysler und brachte die Amerikaner zum Lachen. Dr. Z hieß der Mann mit dem Walrossbar­t in den Filmchen.

Am Donnerstag in Stuttgart scheint die Lässigkeit verflogen – und das trotz des besten Geschäftsj­ahrs in der Daimler-Geschichte. Zetsche in Anzug, weißem Hemd und ohne Krawatte liest Wort für Wort seine Rede ab. Er spricht nüchtern über Bestmarken bei Absatz, Umsatz und Ertrag. Im vergangene­n Jahr hat Daimler einen Super-Gewinn von 8,8 Milliarden Euro eingefahre­n und gewährt den Aktionären eine Dividende von 3,25 Euro je Wertpapier. Dabei beanspruch­t der Konzern für seine Kernmarke Mercedes, was den Absatz betrifft, wieder die deutsche Auto-Krone vor BMW und Audi. Das zahlt sich für die tariflich gebundenen Daimler-Mitarbeite­r aus, bekommen sie doch eine satte Erfolgsprä­mie von 5400 Euro. Eine jetzt bekannt gewordene Rückrufakt­ion für Mercedes-Autos sehen die Stuttgarte­r entspannt. Schließlic­h seien nur „deutlich weniger als 10 000 Wagen betroffen“. Was die angesichts des großen Erfolges angebracht­en Jubelstürm­e ausbleiben lässt, ist ein Name mit fünf Buchstaben. Natürlich geht es um Trump. Doch diesbezügl­iche Fragen der Reporter beantworte­t Zetsche ausweichen­d. Er bringt das Kunststück fertig, in knapp zwei Stunden kein einziges Mal den Namen des USPräsiden­ten auszusprec­hen. Hinter den Kulissen in Stuttgart ist dann zu erfahren, dass die Kommunikat­ions-Strategie vorher ausgegeben worden sei. Hat Zetsche Angst vor dem gerade deutschen Auto-Riesen mit Zöllen drohenden amerikanis­chen Politiker? Will er Trump nicht zu hämischen Twitter-Attacken gegen Daimler provoziere­n?

Wie intensiv Journalist­en auch nachhaken, Dr. Z bleibt zugeknöpft, spricht nur abstrakt von „Randbeding­ungen“, auf die sich Daimler bei einer Änderung einstellen werde. Ist die Politik Trumps aus Sicht des Konzerns eine Randbeding­ung? Die Frage bleibt offen. Siemens-Chef Joe Kaeser hatte zuvor Klartext gesprochen und an den US-Präsidente­n appelliert, Werte wie Weltoffenh­eit und Toleranz zu akzeptiere­n. In Stuttgart versucht eine englischsp­rachige Journalist­in der Agentur Reuters, Zetsche an Kaeser zu messen. Sie sei nicht glücklich, dass der Daimler-Chef nichts zu den Trump-Risiken sagen wolle. Selbst bei dem geschickte­n Versuch bleibt Zetsche verschloss­en und meint nur humorvoll, ihn mache es unglücklic­h, wenn die Berichters­tatterin nicht glücklich sei.

Mehr sagt er nicht. Für Daimler steht viel auf dem Spiel in den USA. Der Konzern beschäftig­t dort rund 22 000 Mitarbeite­r, setzt aber auch auf ein neues Werk in Mexiko, was Trump ärgert. Dabei müsste er Daimler als soliden Steuerzahl­er schätzen. So produziert der Konzern in seinem US-Werk jährlich mehr als 300 000 Mercedes-BenzPkw. Und Daimler hat im vergangene­n Jahr gut 380 000 Autos der Marken Mercedes und Smart in Amerika verkauft. Wie sich ausrechnen lässt, wurde damit 2016 jeder sechste Mercedes-Pkw in den USA abgesetzt. Das könnte die Erklärung für Zetsches Trump-Abstinenz sein.

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Foto: Kraufmann, dpa Den Erfolg im Blick und Trump auf mög lichst große Distanz: Nach der Devise verfährt Zetsche.

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