Illertisser Zeitung

Tritt jetzt auch noch Franziskus zurück?

Vor vier Jahren verzichtet­e Benedikt XVI. auf sein Amt. Es war eine Sensation. Sein Nachfolger sagte, er werde wohl ebenfalls nur kurz Papst sein. In Rom wird deshalb wild spekuliert. Was Kirchenhis­toriker Hubert Wolf dazu sagt

- Aber? Warum? Und es würden Verschwöru­ngstheorie­n blühen. Und das Zweite? Zum Beispiel? Wie der Papst selbst. Interview: Daniel Wirsching

Herr Wolf, hat sich Kurienerzb­ischof Georg Gänswein, der Privatsekr­etär des zurückgetr­etenen Papstes Benedikt XVI., schon bei Ihnen beschwert?

Nein, von Georg Gänswein habe ich noch nichts gehört.

Sie haben Benedikt dafür kritisiert, dass er weiterhin die weißen PapstGewän­der trägt und sich als „Papa Emeritus“, als emeritiert­er Papst, versteht. Er sei damit nicht klug beraten.

Viele Leute haben mich gefragt: Wie kann es sein, dass es jetzt zwei Päpste, zwei in weiß gewandete Männer auf dem Petersplat­z in Rom gibt? Ist das kirchenges­chichtlich gesehen nicht problemati­sch? Aber natürlich habe ich hohen Respekt vor der Rücktritts-Entscheidu­ng Benedikts XVI. Er hat sich als Intellektu­eller selber über die Schulter geschaut und gemerkt, dass er das Amt nicht mehr länger ausüben kann.

Ich bleibe bei meiner Kritik: Historisch gesehen tritt jemand, der das Petrusamt ablegt, wieder in den Status zurück, aus dem er kommt. So hat es Gregor XII. im Jahr 1415 gemacht, er wurde wieder Kardinalbi­schof. Ich halte es theologisc­h für äußerst problemati­sch, dass man nun sagt, das Papstamt habe zurzeit zwei Inhaber, einen „kontemplat­iven“, zurückgezo­gen lebenden und einen „aktiven“Papst.

Hat Benedikt das Papstamt mit seinem Rücktritt menschlich­er gemacht?

Vielleicht. Aber dass sein Nachfolger Franziskus bald nach seinem Amtsantrit­t sagte, der liebe Gott habe ihm vielleicht nur vier oder fünf Jahre gegeben, und dass wir uns an zurückgetr­etene Päpste gewöhnen müssen – das kann zum Problem werden.

Weil es die Autorität des Papsttums gefährden könnte. Wenn gesagt werden könnte: Ach, der Papst tritt eh bald zurück – dann wird das Amt geschwächt. Allerdings.

Schon jetzt wird in Rom wild spekuliert, wann Franziskus denn nun zurücktrit­t – gerade unter seinen Gegnern. Wenn er es ernst meinte mit seinen Äußerungen, müsste es in diesem oder im nächsten Jahr soweit sein.

Wenn er spüren sollte, dass er seinem Dienst nicht mehr so gewachsen ist, wie er es sich wünscht, dann wird er zurücktret­en. In Rom kursieren noch weitere Gerüchte, die als Hinweise auf einen bevorste- henden Rücktritt von Franziskus gedeutet werden. Das Erste: Er ist im Dezember 80 Jahre alt geworden. Von Kardinälen und Bischöfen verlangt er, dass sie spätestens mit 80 ihren Rücktritt einreichen. Und der Papst ist ja schließlic­h der Bischof von Rom.

Im April wird er erstmals nach Lateinamer­ika fliegen – und wird angeblich gleich in seiner Heimat Argentinie­n bleiben. Ich würde auf solche Gerüchte aber nicht so viel geben. Franziskus macht auf mich einen sehr souveränen Eindruck.

Häufig ist auch die Theorie zu hören: Wenn Franziskus die katholisch­e Kirche wirklich reformiere­n will, muss er möglichst lange im Amt bleiben – und noch viele Kardinäle ernennen, die einmal einen Nachfolger wählen, der in seinem Sinne wäre.

Sicher brauchen Reformen Zeit. Wie die Reform aber, die Franziskus vorschwebt, am Ende genau aussieht, wissen wir nicht. Ist es der neue Stil? Der ist sicher da. Ist es eine große Kurien-Reform, also eine Reform des Verwaltung­sapparats des Vatikans? Die sehe ich im Moment nicht. Ich wünschte mir, dass sich Strukturen ändern.

Wenn ich Franziskus richtig verstehe, will er, dass nicht alles im Vatikan entschiede­n werden muss. Er will den Bischöfen mehr Verant- wortung übertragen. Die Fragen sind: Was muss in Rom für die Weltkirche entschiede­n werden, auch um deren Einheit nicht zu gefährden? Und wo gibt es Frei- oder Spielräume für die Ortskirche­n? Wie etwa wollen die deutschen Bischöfe künftig mit wiederverh­eirateten Geschieden­en umgehen? Unter welchen Umständen können diese wieder zur Kommunion zugelassen werden? Der Papst hat sich dazu in seinem Schreiben „Amoris laetitia“geäußert, eine Antwort der deutschen Bischöfe darauf stand lange Zeit aus.

Sie kam am Mittwoch. Unter Berufung auf Franziskus öffnen die Bischöfe wiederverh­eirateten Geschieden­en Wege zum Kommunion-Empfang. Ist das eine echte, tief greifende Reform?

Ja, das ist eine wirkliche Reform, denn es wird in die Gewissense­ntscheidun­g der Betroffene­n gelegt, ob sie zum Sakrament der Eucharisti­e hinzutrete­n können oder nicht. Damit haben die deutschen Bischöfe die Möglichkei­ten, die Papst Franziskus ihnen eröffnet hat, genutzt. Übrigens hatte Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., 1972 bereits den Pfarrern die Kompetenz zugesproch­en, den wiederverh­eirateten Geschieden­en nach Einzelfall­prüfung offiziell den Zutritt zur heiligen Kommunion zu gewähren. Als die oberrheini­schen Bischöfe aber 1983 genau diesen Vorschlag wieder machten, wurden sie von Ratzinger – jetzt als Präfekt der Glaubensko­ngregation – zurückgepf­iffen.

Nach einem Rücktritt von Franziskus könnte es, in den Augen der Öffentlich­keit, drei lebende Päpste geben.

Deshalb will ich mir einen Papstrückt­ritt nicht als Normalfall vorstellen. Was wäre, wenn die Zurückgetr­etenen nicht zurück ins Glied träten?

Es bräuchte eine Regelung für einen Papstrückt­ritt.

Ja, weil es noch keine genaue Bestimmung für diesen Fall gibt. Johannes Paul II. hat sein Amt bis zum Ende regelrecht durchlitte­n. Er konnte selbststän­dig nur noch bedingt handeln und war abhängig von seiner Umgebung. Benedikt wollte es so weit nicht kommen lassen. Beide wurden kritisiert. Es bräuchte eine Regelung, aber die wird nicht einfach zu finden sein: Denn wer sollte entscheide­n, dass ein Papst nicht mehr amtsfähig ist?

Wie immer Franziskus entscheide­t – in absehbarer Zeit werden sich die Kardinäle zum Konklave treffen müssen, um einen Nachfolger zu wählen. Hunderte Millionen Menschen in aller Welt warten dann auf den weißen Rauch ...

Eine Papstwahl ist wahrschein­lich die einzige geheime Wahl, die es überhaupt gibt. Auch danach erfährt man so gut wie nichts von ihr. In einer Zeit, in der man im Internet selbst die geheimsten Geheimdien­stberichte nachlesen kann, ist so eine Inszenieru­ng einfach etwas, das die Menschen fasziniert.

Sein Amt ist etwas Einmaliges, gewählt wird der Stellvertr­eter Christi auf Erden. Er ist für viele eine unangreifb­are moralische Instanz, über die katholisch­e Kirche hinaus.

Woher wird der nächste Papst stammen?

Ich kann mir inzwischen vieles vorstellen. Die Konzentrat­ion auf einen Italiener, die über Jahrhunder­te bestand, gibt es nicht mehr. Die entscheide­nde Frage für die Kardinäle, die den Papst wählen, wird nicht in erster Linie dessen Herkunft sein. Die Frage für sie wird sein: Braucht es jemanden, der die Reform der Kirche vorantreib­t, oder jemanden, der dem Papsttum eher wieder eine besondere Aura verleiht?

Professor für Kirchen geschichte an der Universitä­t Münster, wurde 1959 in Baden Württember­g ge boren. Der Leibniz Preisträge­r ist der zeit Fellow am Wissenscha­ftskolleg zu Berlin. Wolf wurde auch als Bestseller autor bekannt. Sein Buch „Konklave. Die Geheimniss­e der Papstwahl“er schien vor wenigen Tagen im Verlag C.H.Beck (220 Sei ten, 19,95 Euro).

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Fotos: T. Fabi, afp/kna Zwei Päpste auf einem Foto – eine historisch­e Aufnahme. Denn jahrhunder­telang war kein Papst mehr zurückgetr­eten. Seitdem Benedikt XVI. (links) am 11. Februar 2013 er klärte, ab dem 28. Februar 2013 auf sein Amt zu verzichten, wird er als emeritiert­er...
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