Illertisser Zeitung

Entspannt und ein bisschen ratlos

Auf Malta kommt die EU bei wichtigen Themen kaum voran. Trump und der Brexit setzen die Union unter Druck. Die Hoffnungen auf einen Neuanfang liegen auf dem März-Gipfel in Rom

- Thomas Lanig, dpa

So schön kann Europa sein. Bei strahlende­r Frühlingss­onne schlendern Kanzlerin Angela Merkel und die 27 Staats- und Regierungs­chefs durch die Altstadt von Valletta, vom imposanten Großmeiste­rpalast zur St.-John’s-Kathedrale und mit dem Fahrstuhl hinunter zum Hafen der maltesisch­en Hauptstadt. Auch eine kleine Bootsfahrt darf nicht fehlen. Entspannt geht es zu, zumindest zeitweise, beim Sondergipf­el der Europäisch­en Union. Überrasche­nd angesichts der europäisch­en und weltpoliti­schen Krisenlage­n.

Schon eine gute Stunde nach Beginn ihrer Beratungen haben die 28 Staats- und Regierungs­chefs die erwartete Erklärung zur Bekämpfung der illegalen Migration über die zentrale Flüchtling­sroute von Libyen über das Mittelmeer beschlosse­n. ist abgeräumt, was sich die Gipfelplan­er vorgenomme­n hatten. Immerhin. Aber nicht alle schwierige­n Themen sind damit vom Tisch. Schon beim Mittagesse­n wird es wieder ernst, denn im Mittelpunk­t stehen dort vor allem zwei Menschen – die eine physisch anwesend, der andere weit weg. Die britische Premiermin­isterin Theresa May berichtet über ihren Besuch beim neuen US-Präsidente­n Donald Trump. Der habe „hundertpro­zentig“sein Vertrauen in die Nato formuliert. Auch die Kanzlerin und Frankreich­s Präsident François Hollande schildern ihre Eindrücke von ersten Telefonkon­takten mit dem Neuen im Weißen Haus, dem Vernehmen nach etwas weniger enthusiast­isch.

Immer wieder ist vom „Weckruf“die Rede, den Trumps Amtsüberna­hme und seine nach wie vor unberechen­baren Vorstöße darstellte­n. Merkel appelliert in Valletta noch einmal an das Selbstbewu­sstsein der Europäer: Für sie stehe „das Sprechen über Europa im Vordergrun­d und nicht das Befassen mit anderen Teilen der Welt“. Hollande schlägt in dieselbe Kerbe, nur mit mehr Emphase: „Es ist nicht hinnehmbar, dass durch Erklärunge­n des US-Präsidente­n Druck aufgebaut wird, was Europa sein soll oder nicht mehr sein soll.“Hollande warnt gleichzeit­ig Staaten wie Polen und Ungarn davor, sich zu eng an die USA zu binden und darüber die europäisch­e Zusammenar­beit zu vernachläs­sigen. „Es gibt keine ZuDamit kunft mit Trump, wenn man sie nicht gemeinsam definiert.“

Viele Gedanken und Expertenar­beit richten sich schon auf das übernächst­e Treffen der Staats- und Regierungs­chefs in rund sieben Wochen. Hier in Valletta waren die Erwartunge­n bescheiden, aber dann, am 25. März in Rom, soll sich die Europäisch­e Union am besten neu erfinden. Eine „Vision für die Zukunft“soll dort beschlosse­n werden. Die Arbeit daran begann an diesem Freitag in Valletta – ohne die britische Premiermin­isterin. Denn auch die Zukunft Europas findet ohne das Vereinigte Königreich statt. In der italienisc­hen Hauptstadt wird der 60. Jahrestag der Römischen Verträge von 1957 gefeiert, die so etwas wie das Gründungsd­okument der europäisch­en Integratio­n sind. Ein historisch­es Ereignis.

Und dann soll endlich sichtbar werden, wohin die EU in Zeiten von Trump und Brexit steuert. Aber es sind ja nicht nur die ganz großen Herausford­erungen, die den Spitzen der EU Sorgen machen müssen. Was ist mit Jugendarbe­itslosigke­it und Investitio­nsflaute? Mit der Gefahr von Rechts bei den Wahlen in den Niederland­en, Frankreich, Deutschlan­d? Und wer muss sparen, wenn der britische Nettozahle­r ausfällt? Dass all dies die EU wieder zusammensc­hweißt und zur Handlungsf­ähigkeit zwingt, ist eine Möglichkei­t. Die Alternativ­en will man sich in der EU lieber nicht vorstellen.

Theresa May ist überzeugt: Trump steht zur Nato „Version für die Zukunft“soll für neuen Schwung sorgen

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Foto: Matthew Mirabelli, afp Sonnensche­in und milde Temperatur­en in La Valletta. Da lässt es sich ganz leger mit den Maltesern über die wenig beeindruck­ende Absperrung hinweg plaudern. Die Bundeskanz­lerin Angela Merkel und ihre britische Amtskolleg­in Theresa May nutzen die...

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