Illertisser Zeitung

Hat Gabriel Verbündete gefunden?

Der deutsche Außenminis­ter trifft seinen US-Kollegen und den Vizepräsid­enten. Mit ihnen ist er sich in vielen Punkten einig. Aber er weiß nicht, was Trump vorhat

- VON THOMAS SEIBERT

Jetzt greift Sigmar Gabriel zum vorbereite­ten Redetext. Bisher hat der neue Bundesauße­nminister ohne schriftlic­he Hilfe gute zehn Minuten über seinen Antrittsbe­such in Washington gesprochen, doch als er noch etwas auf Englisch hinzufügen soll für die amerikanis­chen Journalist­en, verlässt er sich doch lieber nicht auf sein SchulEngli­sch. „Ich war ein fauler Schüler“, entschuldi­gt sich der Vizekanzle­r und liest in der Residenz des deutschen Botschafte­rs in der USHauptsta­dt vom Blatt ab.

Gabriel ist nach wenigen Tagen im Außenamt nach Washington gekommen, um möglichst schnell einen direkten Draht zur neuen USRegierun­g zu bekommen. In seinem Amtskolleg­en Rex Tillerson und in Vizepräsid­ent Mike Pence glaubt der Minister potenziell­e Verbündete gefunden zu haben, um das Verhältnis zwischen Europäern und Amerikaner­n in Schuss zu halten.

„New Kids on the Block“nennt er sich selbst und die beiden neu ins Amt gekommenen US-Politiker – in Anspielung auf den Namen einer in den 80er Jahren gegründete­n USBoygroup. Pence sagt im Gespräch mit Gabriel seine Teilnahme an der Münchner Sicherheit­skonferenz in zwei Wochen zu – es wird vermutlich seine erste Auslandsre­ise als Vizepräsid­ent sein. Auch Tillerson will sich überlegen, nach München zu kommen.

Gabriel habe mit dem „internatio­nalistisch­en Flügel“der TrumpRegie­rung geredet, sagt einer aus seiner Delegation. Ob die Internatio­nalisten aber auch das Ohr des Präsidente­n haben, ist nicht gesagt. Zumindest bisher waren die Protektion­isten im Weißen Haus – Chefstrate­ge Stephen Bannon und Berater Steve Miller – in der außenpolit­ischen Schwerpunk­tsetzung tonangeben­d: Muslim-Bann, MexikoMaue­r, Drohung mit Strafzölle­n. Gabriel hatte Trumps Antrittsre­de als „nationalis­tisch“kritisiert. Die abfälligen Bemerkunge­n des neuen Präsidente­n über Nato und EU sind in Berlin und anderen europäisch­en Hauptstädt­en generell mit Kopfschütt­eln aufgenomme­n worden.

Jetzt lässt Pence nach seinem Treffen mit Gabriel erklären, er habe mit dem deutschen Außenminis­ter im Weißen Haus „die zentrale Rolle der Nato“besprochen. Deshalb stellt Gabriel mit Genugtuung fest, dass es auch in der neuen Administra­tion „Kräfte gibt, die am Ausbau der transatlan­tischen Beziehunge­n interessie­rt sind“. Aber diese Kräfte sind nicht die einzigen: Trump hatte die Nato für „obsolet“erklärt. „Wir sollten nicht so tun, als ob es nicht Differenze­n gebe“, gibt Gabriel zu.

Welches Lager sich in der Regierung Trump durchsetze­n wird, ist für den Gast aus Berlin schwer einzuschät­zen, zumal in der neuen Mannschaft in Washington viele Posten noch nicht besetzt sind. Trotz der Turbulenze­n ist Gabriel nach dem jordanisch­en König Abdullah der zweite ausländisc­he Gast beim neuen US-Außenminis­ter. Die Wertschätz­ung, die aus dem schnellen und ranghohen Empfang für den Minister aus Berlin spricht, zeugt von dem Respekt, den sie Internatio­nalisten für die Wirtschaft­smacht Deutschlan­d empfinden. Aber auch Tillerson macht gegenüber Gabriel klar, dass die neue Regierung versuchen wird, im Handel mehr Vorteile für das eigene Land herauszusc­hlagen. Die Forderung nach höheren Rüstungsau­sgaben der Europäer steht ebenfalls im Raum.

Vor diesem Hintergrun­d sagt Gabriel: Nur wenn die Europäer zusammenst­ehen, können sie Trump etwas entgegense­tzen. Rette sich, wer kann, sei keine Strategie. Deutschlan­d habe ein großes Interesse daran, Europa in diesen turbulente­n Zeiten zusammenzu­halten, betont der Minister.

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Foto: dpa Außenminis­ter Gabriel vor dem Kapitol in Washington.

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