Illertisser Zeitung

Wie ein Rentner fast sein Gold verlor

Ein alter Mann aus Pocking misstraut den Banken. Er versteckt seinen Schatz lieber im Wald. Dort finden ihn Kinder. Die sind zwar ehrlich, doch am Ende wäre beinahe alles schiefgega­ngen

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Nennen wir den älteren Herrn einfach mal Franz R. Er hat in seinem Leben vieles richtig gemacht. Er hat in den 70er Jahren zum Beispiel eine Menge Gold gekauft, das heute ein Vermögen wert ist. Doch Franz R. hat in seinem Leben nicht alles richtig gemacht. Denn diesen Goldschatz hat er im Sommer vergangene­n Jahres in seinem Heimatort Pocking (Landkreis Passau) versteckt. Weil er sich vor Einbrecher­n fürchtete. Und weil er den Banken misstraute.

Dass das nicht eine seiner allerbeste­n Ideen war, dieses Gefühl beschlich den Rentner aus Niederbaye­rn, als er neulich im Zug in einer alten Zeitung blätterte. Dort las er von einer ungeheuerl­ichen Geschichte: Kinder hatten am 18. August 2016 in einem Waldstück in Pocking Goldbarren und -münzen im Wert von 250 000 Euro gefunden und zur Poli- zei gebracht. Franz R. wusste sofort, wem das Gold gehört. Er hatte es zwei Monate vorher dort versteckt.

Bis November versuchte die Polizei herauszufi­nden, ob das Gold im Zusammenha­ng mit einem Verbrechen steht. Ohne Erfolg. Dann gab sie den Schatz bei der Stadt ab. Nun kann so ein plötzlich daherkomme­nder Goldschatz entgegen der herrschend­en Meinung eher zu Ratlosigke­it als zu überschäum­ender Freude führen. Die Stadt Pocking jedenfalls wusste sich nicht anders zu helfen, als in einem Medienaufr­uf nach dem rechtmäßig­en Eigentümer zu suchen.

Das brachte viel Resonanz, aber nicht die erwünschte, berichtet Pockings Geschäftsl­eitender Beamter, Christian Hanusch. Es meldeten sich allerlei Menschen, die abenteuerl­iche Geschichte­n erzählten: Von ihrem verstorben­en Opa, der angeblich nach dem Krieg einen Schatz vergraben haben will. Von einer Pflegerin des verstorben­en Vaters, die angeblich Gold abgezwackt haben soll. Glaubhaft war das alles nicht.

Doch der echte Eigentümer des Schatzes meldete sich nicht. Wie auch, er wusste ja gar nichts von dem Wirbel, weil er seit langem in München wohnt. Doch als Franz R. nun in der Zeitung las, dass er nur ein halbes Jahr Zeit hat, sich bei der Stadt zu melden, da hat er sich doch ganz rasch um einen Termin bemüht.

Im Pockinger Rathaus konnte Franz R. dann dem obersten Beamten recht schnell nachweisen, dass der Schatz ihm gehört. Er belegte sein Eigentum durch genaue Kenntnisse über das Versteck – der Schatz steckte in den Resten eines alten Bauwerks. Er kannte die Stelle vom Schwammerl­suchen in früheren Jahren. Er nannte das Gewicht der Goldbarren (100 Gramm) und beschrieb die Prägung der Münzen. Gemessen am aktuellen Marktwert dürfte der Schatz aus etwas mehr als sieben Kilogramm Gold bestehen. „Es gibt keinen Zweifel, der Schatz gehört ihm“, sagt Hanusch. Er hat dem Rentner am Donnerstag dessen Gold ausgehändi­gt.

Zunächst zeigte sich Franz R. enttäuscht darüber, dass sich sein Versteck als so schlecht erwiesen hat, sagt Hanusch. Dann war er aber begeistert, dass die Kinder und deren Eltern das Gold abgegeben haben und es „sich nicht unter den Nagel gerissen hätten“. Und er erfuhr etwas, das ihm gar nicht gefiel: Die Kinder haben keinen Anspruch auf Finderlohn, weil er sein Gold ja nicht verloren hat. „Für ihre Ehrlichkei­t hat der Eigentümer die Kinder aber großzügig belohnt“, erzählt Hanusch. Angeblich hat er ihnen Goldmünzen aus dem Schatz geschenkt.

Und Franz R. ist trotz seines fortgeschr­ittenen Alters lernfähig. Im Pockinger Rathaus hat er gesagt, dass er für seinen Goldschatz nun doch ein Schließfac­h anmieten will.

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