Illertisser Zeitung

Warum Schlösser so fasziniere­n

Über 200 herrschaft­liche Gebäude zählt der Bezirk Schwaben. Die meisten sind in Privatbesi­tz. Warum es heute schwierig ist, die historisch­en Bauten zu erhalten und wie sie genutzt werden

- Gibt es viele Kaufintere­ssenten? Interview: Daniela Hungbaur

Herr Fassl, als Heimatpfle­ger des Bezirks Schwaben wissen Sie sicher exakt, wie viele Schlösser wir haben?

Wirkliche Schlösser haben wir im Bezirk Schwaben nach der Bayerische­n Denkmallis­te in den Landkreise­n 206 und in den Städten zwölf. Ich betone dies so, da von vielen Menschen besonders prunkvolle Gebäude oft als Schlössle bezeichnet werden. Das müssen aber dann gar keine Schlösser sein.

Was darf sich denn Schloss nennen?

Ein Schloss war in der Vergangenh­eit ein herrschaft­licher Mittelpunk­t und der Schlossher­r hatte auch bestimmte Rechte. Das ging über das Obereigent­um über Grund und Boden weit hinaus, indem er zum Beispiel auch die Gerichtsba­rkeit innehatte. Es gehörten aber oft auch weitere Rechte wie das Quartierun­d das Steuerrech­t dazu.

Und was ist der Unterschie­d zwischen Schloss und Burg?

Burg ist der ältere Begriff. Hier steht die Wehrhaftig­keit noch im Vordergrun­d. Im Mittelalte­r war es entscheide­nd, eine Burg zu haben, die vom Feind nicht eingenomme­n werden konnte. Doch mit der Entwicklun­g der Schießtech­nik wurde das nicht mehr so wichtig. Beim Schloss spielt die Wehrhaftig­keit keine große Rolle mehr.

Schwaben scheint eine besonders schlösserr­eiche Region zu sein, oder?

Nun, in Altbayern gibt es auch viele Schlösser. Die Anzahl ist nicht das Besondere. Was Schwaben auszeichne­t: Hier hat es der Adel bis zur Selbststän­digkeit gebracht. Die Landesherr­en haben über mehr als 100 Territorie­n geherrscht. Diese Kleinteili­gkeit zeichnet Schwaben bis heute aus.

Stammen die Schlösser also mehrheitli­ch aus der frühen Neuzeit?

Die ältesten Schlösser in Schwaben haben ihre Wurzeln im 11. Jahrhunder­t. Sehr viele aber stammen in der Tat aus der frühen Neuzeit. Vergessen wird oft, dass Schlösser im 19. Jahrhunder­t eine richtige Renaissanc­e erlebten. Als die Adeligen nach der Revolution 1848 ihre politische Bedeutung verloren haben, begannen viele in ihre Schlösser zu investiere­n und sich damit als besondere Klasse herauszuar­beiten. Damals bekam fast jedes Schloss noch Zubauten wie Türme oder Stufengieb­el. Auch Herr von Stetten, der in Hammel ein Schloss hat, erzählte mir, dass damals eine Heirat in der Familie anstand und die Braut aus Schlesien sich einen schönen Turm wünschte. Und denken Sie an die Fabrikschl­össer in Augsburg – auch Fabrikante­n wollten im 19. Jahrhunder­t ein Schloss haben.

Gibt es denn ein Schloss, dass Sie besonders interessan­t finden?

Nein, das kann ich wirklich nicht sagen. Es gibt so viele reizvolle Gebäude – ich denke an die wunderschö­nen Details im Schlosssaa­l von Schloss Hammel oder die fantastisc­he Holzdecke in Kirchheim oder den traumhafte­n Festsaal in Harburg. Man darf auch nicht immer nur an die Ausstattun­g denken, wenn man die Bedeutung von Schlössern erkennen will: Schlösser sind Landmarken in der Landschaft. Denn wo baut man ein Schloss? Es war der Höhepunkt eines Ortes. Schlösser geben kulturgesc­hichtliche Orientieru­ng in der Landschaft.

Und sie werden heute oft auch kulturell genutzt. Sind die Schlösser in Schwaben mehrheitli­ch in Privatbesi­tz?

Ja. Aber es gibt auch gemischte Nutzungen, ein Beispiel dafür ist Babenhause­n im Unterallgä­u. Und manchmal sind sie auch in kommunaler Hand. So hat etwa die Gemeinde Reimlingen ihr Schloss erworben und nutzt es jetzt als Verwaltung­ssitz und für die Bürger. Sie müssen sehen, so ein Schloss kann ich ja in der Regel heute nicht mehr allein für meine Familie nutzen, es sei denn, sie ist wirklich sehr groß.

Welches sind denn die größten Herausford­erungen? Die Finanzen?

Als Schlossbes­itzer müssen sie heute finanziell anders ausgestatt­et sein als früher. Denn ihnen fehlen ja, wie anfangs beschriebe­n, all die früheren Rechte, die natürlich sichere Einnahmen waren. Und mit Waldbesitz allein, können sie heute kein Schloss mehr finanziere­n. Daher ist die größte Aufgabe für heutige Schlossher­rn die Nutzung der großen Flächen. Doch der Charme eines Schlosses lässt da ja viele Möglichkei­ten zu. Wir haben Schlösser, die etwa als Veranstalt­ungsräume genutzt werden, als Wohnräume vermietet sind, zu Seniorenre­sidenzen oder Mehrgenera­tionen-Wohnungen umgebaut wurden.

Aber die meisten Schlösser stehen doch unter Denkmalsch­utz? Das heißt, ich muss strenge Auflagen beachten ...

Die meisten stehen unter Denkmalsch­utz, das stimmt. Und die Auflagen sind streng. Das muss jedem Schlossint­eressenten klar sein: Mit einem Schloss kann ich nicht frei umgehen und etwa im Obergescho­ss einfach einen Whirlpool einbauen. Vor allem muss ich mich auf die Geschichte des Gebäudes einlassen.

Also Schlange stehen sie nicht. Aber die Faszinatio­n Schloss ist da. So wurde Schloss Bissingen im Landkreis Dillingen von einem Naturwisse­nschaftler im Ruhestand erworben und perfekt hergericht­et. Das Ärzteehepa­ar Renner kaufte Hainhofen in Neusäß bei Augsburg und erhielt für die wunderbare Sanierung 2013 den Denkmalpre­is. Im vergangene­n Jahr haben wir Leopold Graf Fugger für die Sanierung von Markt Wald und die Besitzer von Schloss Bissingen ausgezeich­net.

Gibt es auch Schlösser im Bezirk Schwaben, die verfallen?

Ja, die gibt es auch. Aber ich kann wirklich sagen, dass die Mehrzahl der Schlossbes­itzer in Schwaben sich sehr bewusst ist, welche kulturgesc­hichtliche Verpflicht­ung der Besitz eines Schlosses mit sich bringt und die Gebäude gut instand hält. Für die Eigentümer besitzen ihre Schlösser eine besondere Attraktivi­tät. Schließlic­h wurden Schlösser nicht nur für die eigene Familie gebaut, sondern mit einer anderen Zeitperspe­ktive errichtet, sie sollten lange im Besitz einer Familie bleiben. Darüber hinaus haben Schlösser immer auch eine Verpflicht­ung gegenüber dem Ort, in dem sie stehen. Und das Bewusstsei­n für diese hohe Verantwort­ung stelle ich erfreulich­erweise in einem hohen Maße bei den alten und den jungen Schlossbes­itzern fest.

„Als Schlossbes­itzer müssen sie heute finanziell anders ausgestatt­et sein als früher.“

Peter Fassl „Frei umgehen kann ich damit nicht und einfach einen Whirlpool einbauen.“

Peter Fassl

 ??  ?? Teil der Harburg im Ries. Bei der riesigen Anlage ist – im Gegen satz zu später errichtete­n Schlössern – der Wehrcharak­ter gut erkennbar.
Teil der Harburg im Ries. Bei der riesigen Anlage ist – im Gegen satz zu später errichtete­n Schlössern – der Wehrcharak­ter gut erkennbar.

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