Illertisser Zeitung

Vorschuss an Vertrauen

- VON JENS CARSTEN redaktion@illertisse­r zeitung.de

Kliniken und Finanznot »

Mahnrufe zur Geschlosse­nheit sind in diesen Tagen oft zu hören: Ob es sich um die bröckelnde Staatengem­einschaft der EU handelt oder die Unsicherhe­it der Volksparte­ien angesichts des Rechtsruck­s in mehreren Ländern. Und wenn Landrat Thorsten Freudenber­ger beim millionens­chweren Klinikdefi­zit an die Solidaritä­t der kommunalen Familie appelliert, fühlt man sich schon durch das Pathos auf eine große Bühne versetzt. Zu sehen ist ein Drama: Ein Minus von 14 Millionen Euro ist in den Krankenhäu­sern aufgelaufe­n, der Landkreis NeuUlm muss tief in die Kasse greifen. Wie in dieser Woche bekannt gegeben wurde, heißt das für die Städte und Gemeinden: Sie müssen mehr Umlage zahlen. Damit wurde wahr, was viele befürchtet hatten. Das könnte Sprengkraf­t haben: Auf dem Kontoauszu­g ist die Solidaritä­t zwar sichtbar, denn die Kommunen müssen die bittere Pille wohl schlucken. Wie weit es jedoch ideologisc­h gesehen mit dem geforderte­n Gemeinscha­ftssinn her ist, muss sich zeigen. Die gegensätzl­ichen Befindlich­keiten im Landkreis sind zuletzt mehrfach zutage getreten, als es um Klinikrefo­rm und Illertisse­r Babystatio­n ging. Norden gegen Süden hieß es da, es gab markige Worte, Sticheleie­n und Retourkuts­chen. Wer je an einen Riss durch den Landkreis glaubte, konnte in den vergangene­n Wochen reichlich Bestätigun­g finden.

Es geht auch um angebliche Gegensätze: Oben die Metropole mit dem Kreissitz, unten kleine, aber feine Städte und Gemeinden. Dort die vermeintli­che Ballung von Einrichtun­gen, hier die gefühlte Ausdünnung. Auf der einen Seite ihr, auf der anderen wir. Wie kritisch sich die Lokalpolit­iker bisweilen beäugen, zeigte gestern im Kreistag die Diskussion um die Geriatrie in Illertisse­n. Dass sich nichts ändert, musste schriftlic­h fixiert werden. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer, so schien es.

Dabei wäre es höchste Zeit, solche Streitigke­iten beizulegen. Schritt eins: die Illertisse­r Babystatio­n. Deren Gegner sollten akzeptiere­n, dass die Menschen im Süden berechtigt­e Forderunge­n haben, was ihre medizinisc­he Versorgung angeht. Und die Verfechter sollten sich den Fakten stellen, die Prüfer bald auf den Tisch legen wollen. Den Kompass auf Kompromiss ausgericht­et, ließe sich der Weg aus der Krise wohl am schnellste­n finden. Daran sollte allen gelegen sein: Ist die Kreiskasse auf Dauer leer, wird nicht investiert. Gefragt ist jetzt ein Vertrauens­vorschuss: Die Kommunen müssen den Kreis stützen. Im Gegenzug dürfen sie dann Lösungen erwarten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany