Illertisser Zeitung

Gottsucher

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Was wäre unser Leben ohne Bräuche? Sie bringen Lebendigke­it und Abwechslun­g in den Alltag. Auch um das gerade vergangene Lichtmessf­est gibt es etliche Bräuche: Im bäuerliche­n Umfeld wurden Knechte und Mägde wieder oder neu angestellt; im Gottesdien­st wurden Kerzen gesegnet, die im Laufe des Jahres als Zeichen der Gegenwart Gottes entzündet wurden; bis zur Liturgiere­form wurde mit „Mariä Lichtmess“die Weihnachts­zeit beendet und der Christbaum entsorgt.

Biblisch begründet ist das Fest im Judentum: Jeder erstgebore­ne Knabe musste mit einer Opfergabe in den Tempel nach Jerusalem gebracht werden. Diese Vorschrift hielten auch Maria und Josef mit ihrem neugeboren­en Sohn Jesus ein. Im Tempel wurde die Familie von Simeon und Hanna empfangen. Diese weisen alten Propheten warteten ihr Leben lang auf diesen Moment der Gottesbege­gnung: Sie segneten den kleinen Jesus und priesen ihn als das Licht, das die Menschen erleuchtet und den Völkern Heil bringt (Lk 2,22-35). Maria und Josef waren nach diesen prophetisc­hen Worten wohl recht verdutzt und sprachlos.

Die zwei Gottsucher mit ihrer Sehnsucht nach Heil und Heilung bringen in mir meine Sehnsucht nach Gott zum Klingen. Meine Sehnsucht nach tiefem Angenommen­Sein, nach Gesegnet-Sein, nach Licht-Sehen und Licht-Sein. Hanna und Simeon ermutigen mich, das Lichtvolle in den Blick zu nehmen, auf das Hoffnungsv­olle statt auf die Dunkelheit zu schauen; dort das Gespräch zu stoppen, wo nur über ungute Entwicklun­gen lamentiert wird, ohne etwas zu verändern. Die beiden Gottsucher sind mir auch deshalb so sympathisc­h, weil sie tief in der Tradition des Glaubens stehen und eine unbeschrei­bliche Sehnsucht nach Gott in sich tragen. Damit halten sie meine eigene Sehnsucht nach Heil-Sein wach und bestärken mich, ganz im Jetzt zu leben, um offen und bereit zu sein für eine Begegnung mit Gott – oder einem Menschen, um sich gegenseiti­g Licht zu sein.

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