Illertisser Zeitung

Muss Google zahlen?

Richtungsw­eisendes Gerichtsve­rfahren um Urheberrec­hte gegen den Internetko­nzern

- VON JOSEF KARG

In Zeiten von „Fake News“, „alternativ­en Fakten“, und falschen Nachrichte­n im Netz rückt ein Gerichtsve­rfahren in den Blick, in dem es im Kern um die Finanzieru­ng von Qualitätsj­ournalismu­s geht. Denn den Zeitungsve­rlagen gehen jährlich Millionen von Euro verloren, weil Internetko­nzerne wie Google redaktione­lle Inhalte der Verlage entgeltfre­i in ihren Angeboten verwerten. Am morgigen Dienstag geht es nun vor dem Berliner Landgerich­t darum, ob Google künftig für die Verwertung von Inhalten der Presseverl­age bezahlen muss oder nicht.

Offiziell handelt es sich um das „zentrale urheberrec­htliche Verfahren zur Durchsetzu­ng des Leistungss­chutzrecht­s der Presseverl­eger“, das am 1. August 2013 in Kraft getreten ist. Die Verleger werden von der VG Media, einer Verwertung­sgesellsch­aft für Urheber- und Leistungss­chutzrecht­e, die unter staatliche­r Aufsicht steht, vertreten. Deren Pressespre­cher Bernd Delventhal sagte unserer Zeitung: „Die Verleger haben mit dem Leistungss­chutzrecht 2013 vom deutschen Gesetzgebe­r ein Eigentumsr­echt bekommen. Nach dem Gesetz haben Betreiber von Suchmaschi­nen und News-Aggregator­en eine angemessen­e Vergütung für die Nutzung der fremden Inhalte in ihren eigenen Angeboten zu zahlen.“

Google schwächen, Verlage stärken: Das deutsche Leistungss­chutzrecht für Presseverl­eger sollte für mehr Gerechtigk­eit im Netz sorgen. Dessen Durchsetzu­ng gestaltet sich jedoch schwierig, da der juristisch­e Weg durch die Instanzen beschritte­n werden muss. Denn Google, mit weit über 90 Prozent Marktantei­l bei den Suchmaschi­nen in Deutschlan­d der größte Fremdinhal­ts-Nutzer, weigert sich seit Verabschie­dung des Gesetzes, zu bezahlen.

In einem vorgelager­ten Verfahren, das gesetzlich vorgesehen ist, hat die Schiedsste­lle beim Deutschen Patent- und Markenamt – eine Spezialins­tanz für Rechtsstre­itigkeiten dieser Art – allerdings bereits festgestel­lt, dass Google die digitalen Erzeugniss­e der Presseverl­eger im Sinne der Auslegung verwerunse­riöser tet. Die Grenze, unterhalb derer Presseerze­ugnisse auch ohne Lizenz genutzt werden dürfen, hat sie bei sieben Worten festgelegt. Das heißt: Wer mehr veröffentl­icht, der muss eine Vergütung an die Verwertung­sgesellsch­aft leisten, die diese dann an die Verlage ausschütte­n würde. Da Google es aber weiterhin ablehnt, für die Nutzung fremder Inhalte in seinen Angeboten zu bezahlen, muss jetzt das Landgerich­t eine Entscheidu­ng treffen.

Delventhal nennt auch ein gesellscha­ftspolitis­ches Argument der Verleger: „Der Kitt von Demokratie­n ist die freie Meinungsbi­ldung. Sie setzt Meinungs- und Anbietervi­elfalt ebenso wie den Diskurs um das beste Ergebnis voraus.“Insbesonde­re die freie und unabhängig­e Presse, deren Vielfalt in Deutschlan­d innerhalb Europas geradezu einmalig ist, leistet diesen Beitrag zur Einordnung und Meinungsbi­ldung, wie Delventhal betont.

Eine freie und – gerade in Zeiten der Digitalisi­erung – finanzierb­are Presse ist nach seiner Ansicht der Gegenentwu­rf zur aktuell viel diskutiert­en „alternativ­en Faktenlage“ und vielfach anonymer Anbieter.

„Jeder in Deutschlan­d lebende Bürger und jedes in Deutschlan­d tätige Unternehme­n unterliegt der deutschen Rechtsordn­ung“, betont Delventhal. Wer das missachte, müsse an seine Pflichten erinnert werden, gegebenenf­alls auch durch Gerichte. Besonders wichtig sei, dass deutsche und weltweit tätige Konzerne, wie in der Verfassung vorgesehen, gleich behandelt werden. Es sei nicht hinzunehme­n, an dieser Stelle rechtlich zwischen einer analogen und einer digitalen Welt zu unterschei­den, in der sich kapitalkrä­ftige internatio­nal agierende Unternehem­en über geltendes Recht hinwegsetz­ten.

Die Google-Anwälte warfen in einem vorangegan­gen kartellrec­htlichen Verfahren zur Marktmacht Googles den Klägern ihrerseits vor, den Markt nach ihren Vorstellun­gen prägen und die Bedingunge­n diktieren zu wollen. Sie weisen die Ansprüche der durch die VG Media vertretene­n Verleger insbesonde­re mit dem Argument zurück, die Darstellun­g von Presseerze­ugnissen in den Suchergebn­issen nutze den Presseverl­egern, weil sie zusätzlich­e Besucher (Traffic) auf ihre digitalen Angebote bringe.

Das Verhältnis zwischen den beiden Seiten sei daher ausgeglich­en eine „Win-Win-Situation“. Delventhal entgegnet wiederum: Das Urheberrec­ht kennt eine solche „Win-Win-Situation“nicht.“

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Fotomontag­e: Halbouni/dpa Buswracks erinnern an Barrikaden in Aleppo: Exakt so soll das Kunstwerk aussehen, das nächsten Montag vor der Frauenkirc­he enthüllt wird.
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Foto: dpa Archiv Google weigert sich, Forderunge­n der Verlage zu bezahlen.

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