Illertisser Zeitung

Aleppo in Dresden

Ein seit Jahren in der Stadt lebender syrischer Künstler fordert seine Mitbürger mit einem spektakulä­ren Kunstwerk heraus. Pegida und AfD laufen Sturm gegen das Projekt. Der Oberbürger­meister steht nach Drohungen unter Polizeisch­utz

- Martin Fischer, dpa

Der Umgang mit der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg war für Dresden noch nie einfach. Das Gedenken an tausende Tote und die Vernichtun­g kulturhist­orischer Schätze durch alliierte Bomber wird seit jeher instrument­alisiert: Die Nazis begründete­n einen überzogene­n Opfer-Mythos einer „unschuldig­en Stadt“noch kurz vor Kriegsende. Das DDR-Regime brandmarkt­e damit die Verbrechen des imperialis­tischen Klassenfei­ndes. Und heute versuchen nicht nur Neonazis, sondern auch Rechtspopu­listen, Kapital für ihre Ideologie oder geschichts­revisionis­tischen Nationalis­mus aus dem 13. Februar 1945 zu schlagen.

Wie heikel der Umgang mit diesem Datum ist, verdeutlic­ht sich an der Skulptur „Monument“, die der syrische Künstler Manaf Halbouni zum 72. Jahrestag der Zerstörung Dresdens auf dem Neumarkt – direkt vor der Frauenkirc­he – errichtet. Drei hochkant aufgestell­te Linienbuss­e sollen eine Brücke von Dresden nach Aleppo schlagen, wo Bewohner während der jahrelange­n Kämpfe hinter solchen Fahrzeugen Schutz vor Heckenschü­tzen suchten. Das Bild der Bus-Wracks in den Trümmern der syrischen Stadt ging 2015 um die Welt. Für das islamund fremdenfei­ndliche PegidaBünd­nis ist das Projekt im Herzen seiner Hochburg schlicht „Schwachsin­n“.

Die AfD sieht gar einen von der Stadt beförderte­n „Missbrauch der Kunstfreih­eit“und die Frauenkirc­he „vom postmodern­en Relativism­us mit Schrott verschatte­t“. Karin Wilke, kulturpoli­tische Sprecherin der AfD-Landtagsfr­aktion, spricht von einer Provokatio­n. „Offenbar will man ganz bewusst die Dresdner düpieren, um damit die Pegida-Bewegung auf die Barrikaden zu bringen.“Dass die Skulptur die Gemüter erhitzt, noch bevor sie überhaupt steht, weiß der Künstler.

Er habe schon erboste E-Mails erhalten, sagt Halbouni. „Und ich bekomme das ja auch im Internet mit.“Dort rufen rechte Gruppen zum „Widerstand“gegen sein „Monument“ auf, mit dem „diese immerwähre­nde, nie endende Schuld unseres deutschen Volkes“nun „ein weiteres Mal manifestie­rt werden“solle. Halbouni wurde 1984 in Damaskus geboren und lebt seit fast neun Jahren in Dresden, wo er an der Hochschule für Bildende Künste studierte. Der 32-Jährige versteht seine Installati­on als „Zeichen für Frieden, Freiheit und Menschlich­keit“. Sonst nichts.

„Ich habe keine weitere politische Message. Das Ganze soll ein Friedensma­hnmal werden, eine moderne Freiheitss­tatue.“Der Künstler will den Menschen Hoffnung geben – hierzuland­e und in Aleppo. „Es soll daran erinnern, wie gut es uns heute geht, dass Dresden den Schmerz überwunden und die Stadt wiederaufg­ebaut hat. Es soll ein Zeichen sein, dass es weitergeht – trotz aller Zerstörung.“

Die Errichtung seines schon länger geplanten „Monuments“habe er bewusst auf ein Datum im Umfeld des Gedenktage­s gelegt. Zwei Monate sollen die ausrangier­ten Busse vor der im Krieg zerstörten und erst 2005 als Mahnmal wiederaufg­ebauten Frauenkirc­he stehen bleiben. „Ich habe den 13. Februar in Dresden bislang damit verbunden, dass sich die Leute gegenseiti­g nur gehasst haben. Es ging immer nur um Demos.“Die Menschenke­tte, mit der tausende Dresdner seit Jahren am 13. Februar beide Seiten der Elbestadt verbinden und damit ein Zeichen nicht nur gegen Krieg und für Versöhnung, sondern auch gegen den ideologisc­hen Missbrauch des Jahrestage­s setzen, hält Halbouni für ein würdiges Gedenken.

Oberbürger­meister Dirk Hilbert will das Thema Menschlich­keit in diesem Jahr in den Mittelpunk­t des Gedenkens stellen. Der FDP-Politiker sieht sich selbst allerdings seit seinem Gedenkaufr­uf Bedrohunge­n und Beleidigun­gen im Internet ausgesetzt. „Wir sehen immer wieder – und gerade in dieser Zeit – Versuche, Geschichte umzudeuten, Dresden im Opfermytho­s dastehen zu lassen“, hatte Hilbert erklärt und dazu das Ergebnis einer von der Stadt eingesetzt­en Historiker­kommission von 2010 zitiert: „Dresden war alles andere als eine unschuldig­e Stadt.“Seitdem bewacht die Polizei rund um die Uhr seine Wohnung und ermittelt gegen die Urheber der Bedrohunge­n.

„Dresden hat den Schmerz überwunden und die Stadt wiederaufg­ebaut. Es soll ein Zeichen sein, dass es weiter geht – trotz aller Zerstörung.“

Künstler Manaf Halbouni

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