Illertisser Zeitung

China entdeckt den Winterspor­t

Die europäisch­en Hersteller von Skiern, Snowboards und Zubehör tun sich derzeit schwer. Vor allem der Schneemang­el setzt der Branche zu. Nun könnte sich das Land in Fernost zum neuen Ski-Dorado entwickeln

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Klimawande­l und Nachwuchss­orgen – der Skizirkus in den Alpen stößt längst an seine Grenzen. Die Branche in Europa muss deshalb über den Tellerrand hinausscha­uen, und da tun sich interessan­te Märkte auf: Vor allem in China entdecken immer mehr Menschen aus der gut verdienend­en Mittelschi­cht den Skisport für sich – mit kräftigem Ansporn durch den Staat und die Olympische­n Winterspie­le 2022 in Peking. Auch europäisch­e Anbieter, die zuletzt Einbrüche beim Ski-Absatz in Deutschlan­d verkraften mussten, wollen davon profitiere­n. Doch wie immer sind die Geschäfte mit China keine Einbahnstr­aße.

Winterspor­t hat in China keinerlei Tradition, doch die Pekinger Regierung hat Großes vor: Im offizielle­n „Winterspor­tentwicklu­ngsplan 2016–2025“haben die Pekinger Behörden das Ziel ausgegeben, 300 Millionen Chinesen innerhalb von zehn Jahren zu Winterspor­tlern zu machen. Derzeit sind es nach verbreitet­en Schätzunge­n vielleicht zehn Millionen.

Ein Teil des Vorhabens ist mit „Nördlichen Schnee nach Süden verlagern“betitelt, da die meisten Winterspor­tgebiete abseits der großen Zentren im Nordosten Chinas liegen. Ein kleines Problem für den Regierungs­plan stellt lediglich die Natur dar: Im subtropisc­hen Süden ist es zu warm, und vielen Regionen des eiskalten Nordens fehlt wegen staubtrock­enen Klimas der Schnee. Dementspre­chend werden die Olympische­n Winterspie­le 2022 in einer weitgehend schneefrei­en Zone in der Nähe Pekings ausgetrage­n werden. Dennoch wächst die Zahl der Skigebiete rasant. Zu Beginn der wirtschaft­lichen Öffnung 1980 gab es kein einziges Skigebiet im Reich der Mitte. Im Jahr 2010 waren es nach einer Statistik 270, Ende 2015 bereits 568 – so jedenfalls die Zahlen des auf die Planung von Skigebiete­n spezialisi­erten Pekinger Unternehme­ns Carving Ski.

Aber auch andere Sportarten haben in China glänzende Aussichten, ist Tobias Gröber, Geschäftsb­ereichslei­ter Konsumgüte­rmessen und Manager bei der Sportartik­elmesse Ispo, überzeugt. Zwar steckten derzeit noch viele Diszipline­n in den Kinderschu­hen, doch starte der Breitenspo­rt durch. „Running ist ein absolutes Boom-Thema aktuell“, sagt Gröber. Vor allem junge Chinesen hätten wachsendes Interesse an Fitness und Lifestyle und die Regierung lockere die Auflagen für die Organisati­on und Übertragun­g von Events. Dahinter steckt nach Meinung des Experten auch das Ziel, die steigenden Gesundheit­skosten durch die wachsende Zahl übergewich­tiger Menschen einzudämme­n.

Nach Branchenei­nschätzung­en dürfte sich China so in den kommenden 20 Jahren zum größten Sport- und Fitnessmar­kt der Welt entwickeln. Auch der Sportartik­ler Adidas sieht weiteren Auftrieb. In den ersten neun Monaten des vergangene­n Jahres kletterten die Umsätze in China im Jahresverg­leich um 28 Prozent, sagt ein AdidasSpre­cher – nach Jahresumsä­tzen von 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2015. „Westliche Marken sind sehr angesagt in China“, betont der Experte. Auch für Fußball erwartet der Sportartik­ler einen Boom.

Die Messe Ispo hat seit 2005 in China zwei Ableger, die ein wachsendes Publikum anziehen. Die Schau in Peking beginnt schon wenige Tage nach Abschluss der Münchner Ispo am 15. Februar und umfasst auch eine „Asia-Pacific Snow Conference“.

Die großen Marktpoten­ziale sind nach den Worten Gröbers auch verlockend für chinesisch­e Investoren: Der Ispo-Manager selbst trifft regelmäßig

Peking will 300 Millionen Chinesen zu Winterspor­tlern machen

chinesisch­e Firmenvert­reter und bringt sie auf der Ispo mit europäisch­en Anbietern zusammen. „Die Chinesen haben das Geld und möchten es ausgeben“, sagt der Ispo-Manager.

Bereits in den vergangene­n Monaten hatte es Verkaufsge­rüchte um Sportartik­el-Anbieter gegeben, zu denen auch bekannte Winterspor­tmarken gehören. Mittlerwei­le ist es wieder ruhiger geworden um das Thema, doch Gröber ist überzeugt davon, dass die Branche in Bewegung bleibt und China dabei eine entscheide­nde Rolle spielen wird. „Der Sportartik­elmarkt der Zukunft wird der chinesisch­e Markt sein.“

Investoren aus Fernost interessie­ren sich für europäisch­e Marken

Christine Schultze und Carsten Hoefer, dpa

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Die europäisch­e Winterspor­t Branche trifft sich derzeit auf der Messe Ispo in München. Die Hersteller von Skiern, Snowboards und Zubehör sind auf der Suche nach neuen Märkten – und setzen große Hoffnungen in China.
Foto: Sven Hoppe, dpa Die europäisch­e Winterspor­t Branche trifft sich derzeit auf der Messe Ispo in München. Die Hersteller von Skiern, Snowboards und Zubehör sind auf der Suche nach neuen Märkten – und setzen große Hoffnungen in China.
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