Illertisser Zeitung

Chanira war eine Göttin

In dem Land Nepal werden Mädchen für eine besondere Aufgabe ausgewählt. Sie heißen dann Kumari und dürfen den Ort, an dem sie wohnen, nicht verlassen

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Früher wurde Chanira mit einer Sänfte über die Straßen getragen. Das liegt daran, dass sie damals von Menschen als Göttin verehrt wurde. Chanira lebt in Nepal in Südasien. In dem Land sind viele Menschen Hindus. So nennt man Anhänger der Religion Hinduismus. Hindus glauben an verschiede­ne Götter und Göttinnen.

Eine Göttin im Hinduismus heißt Taleju. In Nepal glauben viele Menschen, dass diese Göttin zum Menschen wird. Das nennt man Inkarnatio­n. An verschiede­nen Orten wählen Hindupries­ter Mädchen aus, in denen sie so eine menschgewo­rdene Gottheit sehen. Chanira gehörte dazu.

Manche Leute finden das nicht gut

Damals war sie gerade erst sechs Jahre alt. Die Kindergött­innen nennt man Kumari. Eine Kumari lebt entweder in einem Tempel oder zu Hause. Sie darf den Ort, an dem sie wohnt, nicht verlassen. Kindergött­innen beten viel. Und sie müssen Besucher empfangen, die um ihren Segen bitten.

Menschen, die sich für die Rechte von Kindern einsetzen, finden: Für ein Kind ist es nicht gut, eine Kindergött­in zu sein. Einige fordern, dass es so etwas nicht mehr gibt. Andere gehen nicht ganz so weit. Sie sagen: Man muss einige Dinge ändern. Man müsse den Kindergött­innen zum Beispiel erlauben, mit Freunden zu spielen und ihre Eltern regelmäßig zu sehen. Viele Menschen in Nepal finden es dagegen gut, dass es die Kindergött­innen gibt. Chanira ist jetzt 21 Jahre alt und keine Kindergött­in mehr. Damit war Schluss, als sie in die Pubertät kam. Wieder ein normales Mädchen zu sein, sei für sie am Anfang schwer gewesen, sagt sie. Sie hätte sich damals mehr Hilfe gewünscht. Ihr fiel es schwer, mit Gleichaltr­igen in Kontakt zu kommen. Oder auch, lange Strecken zu Fuß zu gehen. „Ich musste zu einem nahegelege­nen Tempel gehen. Dabei war ich das letzte Mal vor neun Jahren zu Fuß auf der Straße unterwegs gewesen und war es nicht mehr gewohnt. Ich wünschte, es hätte mich jemand auf meiner Sänfte getragen“, erinnert sie sich.

Heute studiert Chanira. Später will sie in einer Bank arbeiten. Über ihre Zeit als Kindergött­in sagt sie: „Ich habe großes Glück, zwei Leben zu haben – eines als Kindergött­in und ein anderes als normaler Mensch. Darauf bin ich sehr stolz.“

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Fotos: dpa Diese Aufnahme von Chanira wurde 2011 gemacht. Damals galt das Mädchen aus Nepal noch als Kindergött­in.
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Foto: dpa Diese Krähe stibitzt sich gerade ein paar Pommes von einem weggeworfe­nen Tel ler.
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