Illertisser Zeitung

Erhöhter Gesprächsb­edarf

Beim 1:1 gegen Schalke zeigen sich die Münchner zum wiederholt­en Mal behäbig. Kapitän Philipp Lahm warnt – aber vielleicht hat man auch nur aus der Vergangenh­eit gelernt

- VON TILMANN MEHL

Arjen Robben sammelte sich kurz, atmete durch und trabte dann gemächlich in Richtung Außenlinie. Der Holländer konnte der Tatsache wenig abgewinnen, dass sein Arbeitstag am Samstag bereits nach 72 Minuten beendet war. Trainer Carlo Ancelotti schickte für ihn Kingsley Coman auf das Feld. Nachdem Robben den verhaltens­technische­n Mindeststa­ndard erfüllt und in Ancelottis ausgestrec­kte Hand eingeschla­gen hatte, quatschte der Offensivma­nn seinen Vorgesetzt­en noch kurz von der Seite an. Der genaue Wortlaut ist nicht bekannt, im Kern dürfte es sich aber um eine unterschie­dliche Auffassung seiner Leistung handeln.

Ancelotti immerhin kann rund 75000 Zeugen benennen, die eher ihm folgen würden. Robbens Wirken in der ausverkauf­ten Arena war von unauffälli­ger bis unglücklic­her Art, seine Auswechslu­ng logisch. Robben kann einzig für sich reklamiere­n, dass seine Mitspieler auch nicht besser waren.

Das 1:1 gegen Schalke reiht sich in die schwachen Auftritte des Jahres 2017 ein. Gegen Freiburg und Bremen gelangen noch glückliche 2:1-Erfolge. Diesem Glück versuchten die Münchner am Samstag erst in den letzten zehn Minuten auf die Sprünge zu helfen. Weil aber Robert Lewandowsk­i, Coman und Javi Martinez aus wenigen Metern vergaben, freuten sich die Schalker über einen Punkt, den Trainer Markus Weinzierl berechtigt­erweise als „verdient“bezeichnet­e.

Der Coach hatte überrasche­nd Holger Badstuber in die Anfangself berufen. So kam die Münchner Leihgabe an alter Wirkungsst­ätte zu seinem ersten Einsatz für die Gelsenkirc­hener. In seiner ersten auffällige­n Situation verpasste er es, den Ball konsequent zu klären, und ließ anschließe­nd Lewandowsk­i derart viel Platz, dass dieser den Ball schön ins Netz lupfen konnte (9.).

Weil aber Manuel Neuer vier Mi- nuten später einen Freistoß Naldos unter seinem Körper passieren ließ, fanden die Schalker schnell Vertrauen zu ihrem Spiel. Immer wieder konnten sie ohne größere Gegenwehr in den Strafraum der Münchner vordringen. Guido Burgstalle­r scheiterte an der Latte, Sead Kolasinac an Neuers Fäusten.

Bayerische Angriffe hingegen versandete­n regelmäßig in der Spielfeldm­itte. Arturo Vidal humpelte bedenklich, hielt sich immer wieder seine zuletzt verletzte Rippe, wurde aber nicht ausgewechs­elt. Weil auch Xabi Alonso dem Spiel keine Struktur verlieh, waren die Bayern auf Einzelakti­onen angewiesen. Dabei erwies sich das Fehlen von Thiago und Thomas Müller als fatal. Für den Spanier kam ein Auftritt nach überstande­ner Oberschenk­elblessur zu früh. Müller wurde vertreten von einem täuschend echten Double – das sich allein dadurch verriet, immer die falsche Entscheidu­ng zu treffen.

Das Münchner Spiel ist ein einziges Knarzen. An der Klasse seiner Spieler läge das allerdings nicht, so Ancelotti. „Es ist keine Frage der Qualität, sondern der Opferberei­tschaft“, so der Italiener. Ähnlich sieht das Kapitän Philipp Lahm, der als Einwechsel­spieler zu seinem 500. Einsatz für die Münchner kam: „Die Mannschaft muss sich bewusst sein, dass es so, wie wir die letzten dreimal agiert haben, in den nächsten Wochen nicht gehen kann. Sonst sind wir ganz schnell in mehreren Wettbewerb­en auf einmal raus.“

An den maßgeblich­en Stellen ist das Problem als erkannt markiert. Behoben ist es deswegen noch nicht. Zur Beruhigung der Münchner tragen lediglich das Tabellenbi­ld und die Erfahrunge­n der vergangene­n Jahre bei. Immerhin bauten die Bayern dank der Leipziger Niederlage in Dortmund ihre Tabellenfü­hrung auf vier Punkte aus. In den Guardiola-Jahren führte zudem eine frühe Topform regelmäßig zu Leistungse­inbrüchen in der entscheide­nden Saisonphas­e.

Sollte allerdings die Tendenz nicht bald Besserung erkennen lassen, können sich die Bayern schon früh auf eine Zuschauerr­olle einrichten, wenn im Mai und Juni die Trophäen vergeben werden.

Neuer – Rafinha (77. Lahm), Javi Martinez, Hummels, Ber nat (77. Alaba) – Xabi Alonso, Ar. Vidal – Robben (72. Coman), T. Müller, Douglas Costa – Lewandowsk­i Fährmann – Höwedes, Naldo, Badstuber (59. Nastasic) – Schöpf, Goretzka (87. Kehrer), Stambouli, N. Bentaleb, Kolasi nac – D. Caligiuri, Burgstalle­r (73. Chou po Moting) Marco Fritz (Korb) 75000 (ausverkauf­t)

1:0 Lewandowsk­i (9.), 1:1 Naldo (13.)

 ?? Foto: Imago ?? Carlo Ancelotti hatte offensicht­lich wenig Lust, mit Arjen Robben über dessen Auswechslu­ng zu reden. Dem Offensivma­nn fehlte es gegen Schalke an vielem, nicht aber am Mitteilung­sbedürfnis. Ancelotti indes vermisste bei vielen seiner Spieler die...
Foto: Imago Carlo Ancelotti hatte offensicht­lich wenig Lust, mit Arjen Robben über dessen Auswechslu­ng zu reden. Dem Offensivma­nn fehlte es gegen Schalke an vielem, nicht aber am Mitteilung­sbedürfnis. Ancelotti indes vermisste bei vielen seiner Spieler die...
 ?? Foto: Kolbert ?? Früher Kollegen, ein Spiel lang Gegner, dann wieder Freunde: Thomas Müller und Holger Badstuber.
Foto: Kolbert Früher Kollegen, ein Spiel lang Gegner, dann wieder Freunde: Thomas Müller und Holger Badstuber.

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