Spektakuläre Flugshow im Allgäu
Andreas Wellinger stellt mit 238 Metern Schanzenrekord in Oberstdorf auf. Doppelsieger wird trotzdem der Österreicher Stefan Kraft. Gregor Schlierenzauer stürzt schwer
Es schien, als hätte es Stefan Kraft irgendwie geahnt. Nach seinem Sieg im ersten Einzelwettbewerb des Skiflug-Weltcups in Oberstdorf schimmerten seine blondierten Haare im Scheinwerferlicht golden. Passend zu seinen beiden Sprüngen auf 227,5 und 218 Meter. Der 23-Jährige Österreicher hatte am Ende an beiden Tagen die Nase vorne, obwohl Andreas Wellinger in allen drei Durchgängen, die gewertet wurden, deutlich weiter gesprungen war.
Der 21-Jährige aus Ruhpolding segelte mit seinem ersten Satz beim Heimspringen im Allgäu sogar auf 234,5 Meter. Zu diesem Zeitpunkt neuer Schanzenrekord! „Ich habe schon kurz nach dem Absprung gemerkt, dass es weit geht und konnte die letzten Meter noch im Flug genießen. So viel Adrenalin hatte ich schon lange nicht mehr im Körper“, meinte Wellinger später. Auch der Drittplatzierte, der Weltcup-Gesamtführende Kamil Stoch aus Polen, zollte Wellinger Respekt und fragte lachend: „Wie um alles in der Welt hast du das gemacht?“
Allerdings hatte Wellinger im ersten wie im zweiten Durchgang bei seinem Sprung auf 222,5 Meter günstigere Windverhältnisse und einen längeren Anlauf als sein Widersacher Kraft. Der bekam für die schlechtere Ausgangslage merklich Bonuspunkte von der Jury. Kraft war die Frisur letztlich aber um einiges peinlicher als die Tatsache, mit seinem Sieg die schwarz-rotgoldene Skiflug-Party an der HeiniKlopfer-Schanze gestört zu haben. Er präsentierte bei der Pressekonferenz kurz die Haare, setzte die Mütze schnell wieder auf und kündigte an: „Jetzt wird’s Zeit für den Frisör. Am besten noch vor der WM in Lahti.“Nach Finnland fährt der Österreicher fraglos auch ohne blondierte Matte als einer der großen Favoriten. Obwohl er in den vergangenen Wochen immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Bei der Vierschanzentournee warf ihn ein Infekt aus der Bahn, » auf die Springen in Zakopane hatte er sogar ganz verzichtet. Kraft war’s egal: „Beim Skifliegen braucht man vor allem Gefühl. Da ist es egal, wenn man noch nicht vollständig wieder bei Kräften ist.“Mit Markus Eisenbichler (8.) und Richard Freitag (10.) kamen am Samstag noch zwei weitere Deutsche unter besten zehn Springer.
Das zweite Einzel einen Tag später begann mit einem schweren Sturz des Österreichers Gregor Schlierenzauer. Der Weltcup-Rekordsieger verlor in der Quali nach der Landung bei 201 Metern das Gleichgewicht, fiel auf die Seite und lag etwa 15 Sekunden regungslos im Schnee. Er erlitt starke Prellungen an der Brust und am Oberschenkel. Die anfangs befürchtete Knieverletzung bestätigte sich nach Untersuchungen im Krankenhaus nicht.
Danach setzten die beiden Dominatoren des Wochenendes ihre Flugshow fort. Erst segelte Andreas Wellinger hinunter bis auf 238 Meter und verbesserte damit seinen Schanzenrekord vom Vortag, dann folgte ihm Stefan Kraft mit verkürztem Anlauf auf 235 Meter. Das Wetter setzte der Weitenjagd schließlich ein vorzeitiges Ende. Es begann zu regnen und zu stürmen. Mehrfach wurde der Beginn des zweiten Durchgangs verschoben, dann folgte die Entscheidung der Jury: Das zweite Einzelfliegen wurde witterungsbedingt abgebrochen, die Punkte des ersten Durchgangs zählten als Endergebnis. Wellinger, der damit erneut Zweiter wurde, war ein wenig traurig. „Wir hätten alle gerne noch einen weiteren Flug gemacht, weil die Schanze sehr gut präpariert war.“So aber endete das Wochenende für Kraft mit zwei Siegen, für Wellinger mit zwei Schanzenrekorden. Dritter wurde am Sonntag der Slowene Jurij Tepes.
Deutschlands Coach Werner Schuster hat seinem Team am heutigen Montag freigegeben. Andreas Wellinger hat gestern schon angekündigt, wie er diese Trainingspause nutzen will: „Ausschlafen. Und wenn die innere Uhr zum Aufstehen ruft, trotzdem liegen bleiben.“ die