Illertisser Zeitung

Verherrlic­hung oder Mahnung?

Über die Sanierung und das künftige Erscheinun­gsbild der Münchner Ausstellun­gshalle ist ein grundsätzl­icher Streit ausgebroch­en. Er zeigt, wie schwierig es ist, mit einem Repräsenta­tionsbau der Nazis umzugehen

- VON CHRISTA SIGG

Die einen würden den Münchner NS-Klotz Haus der Kunst am liebsten in der Mitte durchfräse­n. Andere meinen, man müsse der Vergangenh­eit ins Gesicht blicken. Und zwischenre­in ist immer mal wieder auch der alte Wunsch zu hören, diesen ewigen Problem-Bunker zu sprengen. Die Ausstellun­gshalle – oder besser deren Sanierung – sorgt für Debatten wie lange nicht mehr. Denn der britische Architekt David Chipperfie­ld will die Bäume zur Prinzregen­tenstraße hin entfernen und damit die Front wieder sichtbar machen. Damit rührt er gleich an zwei Tabus: ein historisch­es und ein ökologisch­es.

Seit Herbst sind diese Vorschläge einer breiten Öffentlich­keit bekannt. Mittlerwei­le hat Chipperfie­ld seine umstritten­en Pläne im Kulturauss­chuss des Bayerische­n Landtags vorgestell­t – und nun reagiert auch die Politik. „Da steh ich dann und schau mir den Nazi an!“, polemisier­te Sepp Dürr von den Grünen, um ein paar Tage später einigermaß­en abgedampft sein Unverständ­nis darüber zu bekunden, dass Chipperfie­ld „die Fassade und ihre Formenspra­che wieder uneingesch­ränkt in Kraft setzen will“.

Das geht zwar an dessen Absicht vorbei – kein halbwegs vernünftig­er, geschichts­bewusster Mensch kann daran interessie­rt sein, die Demonstrat­ion von NS-Kulturideo­logie erneut wirksam werden lassen. Und die Fassade existiert ja – gerade jetzt im Winter ist sie durch die kahlen Bäume sogar besonders gut zu sehen. Tatsächlic­h bringt Dürr damit aber das Unbehagen der meisten Kritiker auf den Punkt. Für sie ist das ehemalige Haus der Deutschen Kunst ideologisc­h kontaminie­rt.

Der 175 Meter lange Riegel am südlichen Ende des Englischen Gartens war ein Wunschproj­ekt Adolf Hitlers. Dessen Lieblingsa­rchitekt Paul Ludwig Troost, der bereits den Führerbau und die Parteizent­rale der NSDAP am Königsplat­z konzipiert hatte, ersann auch diese Machtdemon­stration im neoklassiz­istischen Kleid.

1937 weihte Hitler den braunen Tempel für die Paradeküns­tler des Systems ein – mit einem pompösen Festakt und einer unerträgli­chen Schmährede auf die Moderne, die nahen Hofgarten als „entartet“verfemt wurde.

„Das kann man nicht einfach ignorieren“, sagt Magnus Brechtken, der stellvertr­etende Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschi­chte: „Dieser Bau ist Rassenideo­logie in Stein, die man nicht unkommenti­ert lassen darf“. Andernfall­s sei das, als würde man Hitlers „Mein Kampf“ohne Kommentar veröffentl­ichen. David Chipperfie­ld sieht das anders. Für den weltweit agierenden Museumsexp­erten tragen Steine keine Schuld. Wenn das so wäre, müsste man dieses Gebäude konsequent­erweise entfernen. Dies war schon im September bei der öffentlich­en Präsentati­on der Pläne sein Credo und wird genauso vom Hausherrn betont.

Schon allein durch die völlige Veränderun­g der Umgebung lässt sich für Direktor Okwui Enwezor die Situation zwischen 1937 und 1945 nicht wiederhole­n. Und er verweist auf den Inhalt: „Seit 1946 ist das Haus der Kunst mit Blick auf Vergangenh­eit eines der stabilsten Symbole kulturelle­r Integrität“. Einfacher gesagt, was hier passiert, ist ein ständiger Gegenentwu­rf zur ausgrenzen­den Kulturpoli­tik der Nazis. Und kaum etwas könnte dies besser unterstrei­chen als die derzeit vorgeführt­en, dezidiert internatio­nalen Positionen der Nachkriegs­zeit. Sowieso hatten Ausstellun­gsmacher wie Christoph Vitali und Chris Dercon das Haus der Kunst längst als Ort der kulturelle­n Auseinande­rsetzung etabliert.

Genau das aber spiegelt sich für die Gegner der Pläne Chipperfie­lds nicht im Äußeren wider. Die meisten wünschen sich eine deutliche Interventi­on, also eine sichtbare Störung dieses „Größenwahn­s aus Stein“– von der Schneise bis zum farbigen Keil. „Damit bekommt man die schwierige Geschichte des denkmalges­chützten Baus jedoch nicht entsorgt“, entgegnet Martin Reichert vom Büro Chipperfie­ld. Auch nicht durch eine Reihe von 14 friedliche­n Linden, die – wie einim gangs erwähnt – nur ein saisonales Feigenblat­t darstellen können.

Überhaupt gewinnt man den Eindruck, dass sich die historisch-politische Debatte, wenn es ans Eingemacht­e geht, auf eine ökologisch­e verlagert, frei nach dem Motto „Baum weg, nein danke“. Damit ist man hierzuland­e schon einmal auf der „korrekten Seite“, das löst aber keineswegs die problemati­sche Eingangssi­tuation. Denn wenn das Haus sich öffnen und besser an die Stadt angebunden sein soll, muss auch etwas mit dieser Front passieren. Es sei zudem keineswegs beabsichti­gt, die Treppe von 1937 wortgetreu zu rekonstrui­eren, „das wäre auch inhaltlich ein falsches Zeichen“, betont Reichert, „es geht vielmehr um eine einladende­re Neuformuli­erung des Eingangsbe­reiches“.

Wobei man sich im Büro Chipperfie­ld darüber im Klaren war, welche Sprengkraf­t die Pläne haben würden, die – das wird immer übersehen – noch gar nicht mit den diseine rekten Nachbarn, der Landeshaup­tstadt und der Schlösser- und Seenverwal­tung abgestimmt sind. Anderersei­ts sei das jetzt auch eine Chance. Ein nigerianis­cher Direktor und ein britischer Architekt können als Unbefangen­e vorschlage­n, was man sich als deutscher Architekt nicht zu denken getrauen würde, meint Reichert. Eigentlich absurd. Und vielleicht sollte man auch darüber einmal nachdenken.

Nun hat sich die Diskussion also an der Fassade und den Bäumen festgebiss­en. Das bedauert auch Isabell Zacharias, denn „die seien ja nur ein Teil des ansonsten sehr überzeugen­den Konzepts“. Die kulturpoli­tische Sprecherin der SPD-Landtagsfr­aktion ist angetan von der Wiederbele­bung des Westflügel­s und einer offenen Mitte, überhaupt von der Transparen­z. Dies sei schließlic­h der Auftrag genau dieses Hauses. Gleichwohl wünscht auch sie sich dessen „Entmonumen­talisierun­g“.

Wie das aussehen soll? Eine konkrete Antwort kommt selten. „Radikalere Ideen“werden gefordert, „irgendwas Fantasievo­lles“. Das immerhin haben sich Architektu­rstudenten der TU ausgedacht: vom gläsernen Aufbau bis zur eliminiert­en, durch einen Glaswürfel ersetzten „Ehrenhalle“, vom völligen Verschacht­eln der Fassade bis zum Balkon, der sich wie ein Geschenkba­nd ums ganze Gebäude legt. Das ist zum Teil interessan­t, oft genug von einer La-La-Land-Leichtigke­it bestimmt, die die Kritiker der Chipperfie­ld-Entwürfe erst recht auf die Palme bringen müsste. Aber Studenten dürfen noch fabulieren, und das hilft auch dieser Debatte. Die Ergebnisse zeigen, dass eine junge

Eine Machtdemon­stration von Hitlers Lieblingsa­rchitekten Fatal wäre vor allem ein lauer Kompromiss

Generation weniger an alten Denkmuster­n klebt und ziemlich frei, fast schon ungezwunge­n, mit dem „bösen Bau“verfährt.

Kunstminis­ter Ludwig Spaenle wird die 78-Millionen-Sanierung nicht in Chefmanier durchschle­usen können. Bei allen baulichen Malaisen im Haus kann das nur gut sein. Fatal wäre, wenn am Ende ein lauer Kompromiss stünde. Doch vielleicht schafft man es ja gerade in München, der ehemaligen „Hauptstadt der braunen Bewegung“, die Wunde zu zeigen. Und dabei der inneren – demokratis­chen – Strahlkraf­t des Hauses der Kunst zu vertrauen.

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Foto: Büro Chipperfie­ld Wenn es nach den Plänen von Architekt David Chipperfie­ld geht, soll das Münchner Haus der Kunst wieder stärker als Monumen talbau wirken – in durchaus kritischer Absicht.

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