Illertisser Zeitung

Leitartike­l

Die Union hat mit ihrem Versöhnung­streffen ein Signal für den Wahlkampf gesetzt. Bei der Richtungse­ntscheidun­g über die Obergrenze lässt sie die Wähler allein

- Jub@augsburger allgemeine.de

Trotz all dem Streit, wir bleiben zusammen, vorerst, schon wegen der Kinder… Was es in Ehekrisen gibt, das gibt es auch in der Politik. Die Liebe ist in all den Jahren irgendwo auf der Strecke geblieben. Die Verantwort­ung für die Familie aber zwingt zum Weitermach­en. Man mag sich nicht mehr wirklich, aber man beschließt, sich weiterhin zu ertragen, um den Alltag irgendwie zu bewältigen, ohne den angerichte­ten Schaden zu vergrößern.

Das zweitägige Versöhnung­streffen von CDU und CSU in München mutete in vielerlei Hinsicht genauso an. Und doch gibt es, um im Bild zu bleiben, einen gravierend­en Unterschie­d: Es sind keine Eheleute, die sich da gezankt haben. Es sind Geschwiste­r. Sie können sich nicht einfach scheiden lassen und sich nach neuen Partnern umsehen. Sie könnten sich schlimmste­nfalls so gründlich zerstreite­n, dass es kein Zurück mehr gibt – oder eben weitermach­en.

Horst Seehofer hat den Streit über die Obergrenze für Flüchtling­e bis zur Obergrenze ausgereizt. Er hat geschimpft, gezetert, gedroht. Seine Attacken auf Angela Merkel dienten vor allem einem Zweck: Den Unzufriede­nen in der Gesellscha­ft wie auch dem rechts- und nationalko­nservative­n Publikum in Bayern und auch in Deutschlan­d zu signalisie­ren: Die CSU ist anders.

Glaubt man den Umfragen, hatte er damit bisher Erfolg. Während die CDU an Zustimmung einbüßte, scheint die CSU ihre Ausnahmest­ellung in Bayern verteidige­n zu können, obwohl angeblich auch hier schon zehn Prozent die AfD wählen würden. Für die CSU ist das existenzie­ll. Ihr geht es nicht nur um die Bundestags­wahl 2017. Bei allem, was Seehofer sagt und tut, geht es immer auch um die Landtagswa­hl 2018. Das ist sein wichtigste­r Orientieru­ngspunkt. Er kämpft um den Nimbus der CSU.

Mit dem Treffen in München soll nun ein neues Signal gesetzt werden: CDU und CSU seien zwar zwei verschiede­ne Parteien, aber eine Union. Die entscheide­nde Frage lautet: Hat diese Aussage Substanz oder ist sie nur eine taktische Floskel, die das Zerwürfnis in der Flüchtling­spolitik zwischen Seehofer und Merkel bis zum Wahlabend überdecken soll?

Tatsächlic­h gibt es, wie Politiker beider Parteien in München gebetsmühl­enartig wiederholt­en, einen großen Fundus an Gemeinsamk­eiten in der Union. Und der Blick in die Vergangenh­eit zeigt, dass CDU und CSU auch in früheren Wahlkämpfe­n nicht schlecht damit gefahren sind, unterschie­dliche Akzente zu setzen. Das Problem ist nur, dass es in der Vergangenh­eit rechts von der Union keine derart ernsthafte Konkurrenz gab, und dass Seehofer vor diesem Hintergrun­d die Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtling­e zu einem Ultimatum für eine Regierungs­beteiligun­g der CSU gemacht hat. Auch wenn er jetzt versucht, die Sache aus wahltaktis­chen Gründen wieder herunterzu­spielen – mit früheren reinen CSU-Forderunge­n im Vorfeld einer Bundestags­wahl (Pkw-Maut, Betreuungs­geld) ist das nicht zu vergleiche­n. Es geht dabei um eine sehr grundsätzl­iche Richtungse­ntscheidun­g.

Mit der Frage, wie ernst das zu nehmen ist, lassen CDU und CSU die Wähler allein. Das Spektrum möglicher Antworten reicht von „wir werden uns dann schon auf irgendeine Formel verständig­en können, mit der alle leben können“bis hin zu „die CDU wird einlenken müssen – notfalls halt ohne Merkel“.

Ihren Frieden hat die CSU mit Merkel nicht gemacht. Sie hat sie nur zu ihrer Kandidatin ausgerufen. Das ist wie in der Ehekrise. Der Vater sagt zu den Kindern, seid lieb zu Mutti. In Wirklichke­it aber denkt er anders. Und sie weiß das.

Soll das Zerwürfnis nur überdeckt werden?

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